Carrier Ethernet auf dem Weg zum SDH- und ATM-Ersatz

Bereit für Transport und Service

7. Januar 2008, 23:40 Uhr | Stefan Mutschler Die technischen Informationen dieses Beitrags beruhen teils auf Whitepapers von Ciena.

Die Transportnetze der Carrier und Provider werden in den nächsten Jahren eine ungeheure Mehrbelastung sehen. Ursache sind zum einen die Triple- oder Multi-Play-Angebote der Carrier, zum anderen erzeugen auch High-Speed-Datenservices auf Mobilfunkbasis und ab kommendem Jahr zusätzlich Wimax eine rasant steigende Datenlast in den Transportnetzen. Techniken wie PBB-TE sollen Ethernet herstellerübergreifend für kommende Herausforderungen fit machen.

Den Sprung vom LAN in WAN- und TK-Netze hat Ethernet bereits geschafft, wenn auch im Moment noch
im überschaubaren Rahmen. Es sieht stark danach aus, dass die einst lokal begrenzte Netzwerktechnik
in Form von Carrier Ethernet (CE) in den konvergenten Netzwerken der nächsten Generation (NGN) eine
Hauptrolle übernehmen könnte. Die Schlüsselargumente, mit denen CE nun verstärkt bei den Providern
aufschlägt und hier angestammte Techniken wie SDH/Sonet und ATM verdrängt, sind im Grunde identisch
mit denen aus alten LAN-Tagen: einfache Technik zum günstigen Preis. Allerdings kommen in
verzweigten Provider-Netzen, die nicht selten mehrere Millionen Nutzer verbinden – und das über
große Distanzen – auch die klassischen Schwächen von Ethernet vehement zum Tragen. Daher arbeiten
Industriebündnisse wie das Metro Ethernet Forum (MEF) in Kooperation mit den einschlägigen
Standardisierungsorganisationen seit Jahren an der Weiterentwicklung von Ethernet. Inzwischen gibt
es ein umfängliches Set an Spezifikationen, um die Defizite von Ethernet im Sinne der
Carrier-Eignung auf fünf Ebenen anzugehen: in puncto Servicemanagement, Servicequalität (QoS),
Servicestandardisierung und ganz allgemein Skalierbarkeit und Zuverlässigkeit.

Das MEF, das übrigens von "Ethernet-Erfinder" Bob Metcalf als Marketing-Frontmann unterstützt
wird, betreibt seit gut zwei Jahren ein Zertifizierungsprogramm, um Produkte und Services
unterschiedlicher Hersteller und Anbieter auf Kompatibilität und Interoperabilität zu testen. Die
Fortschritte können sich sehen lassen (Bild 1). Die Entwicklung bleibt jedoch nicht stehen. Gerade
im Hinblick auf eine vielfältig zusammengesetzte Datenflut, wie sie in den kommenden Jahren auf den
Transportnetzen der Provider erwartet wird, sind weitere Nachbesserungen erforderlich. Dies
betrifft zum Beispiel die Basisarchitektur der Netze mit integrierten Plattformen für Ethernet,
optische Transportnetze (OTN) und Wavelength Division Multiplexing (WDM).

Eines der derzeit am heißesten diskutierten Themen ist das Verfahren, um das ursprünglich
verbindungslose in ein verbindungsorientiertes Ethernet umzubiegen. Übliche Methoden sind hier VCCs
(VLAN Cross-Connects) und EoMPLS (Ethernet over Multi-Protocol Label Switching). Mit Transport-MPLS
(T-MPLS) und Provider Backbone Bridging Traffic Engineering (PBB-TE) stehen zwei neue, vereinfachte
Verfahren ins Haus. Weitere Verbesserungen sind auch bei den Kontrollinstanzen des Netzwerks und
beim Service-Level-Management gesucht (Bild 2).

T-MPLS versus PBB-TE

Bei der Aufbereitung eines verbindungsorientierten Ethernet-Transporttunnels offenbaren die
etablierten Verfahren mit steigendem Ausbau und zunehmender Last gravierende Schwächen. Sind es bei
VCC eher technische Limitationen, schlagen bei MPLS mehr die administrativen und wirtschaftlichen
Aspekte zu Buche. Mit beiden Methoden könnten sich Provider in eine Sackgasse manövrieren. Als
Ausweg haben TK-Ausrüster wie beispielsweise Alcatel-Lucent ein abgespecktes MPLS vorgeschlagen,
das nur den Teil von MPLS umfasst, der nötig ist, um verbindungsorientierte Tunnel aufzubauen. Der
inzwischen in der ITU (International Telecommunications Union) bearbeitete Vorschlag mit der
Bezeichnung T-MPLS verspricht gegenüber vollem MPLS geringere Komplexität und einfacheres
Management. Auch das Equipment soll erheblich günstiger sein. Allerdings werden unter dem Druck zur
Zusammenarbeit mit vorhandenen MPLS-Installationen in der ITU wieder zunehmend originäre
MPLS-Funktionen in T-MPLS reintegriert. Skeptiker fürchten nun, dass T-MPLS über kurz oder lang
wieder ähnlich komplex, sperrig und teuer werden könnte wie das originäre MPLS.

Aus diesem Grund setzen derzeit diverse Hersteller und Provider mit dem zunächst von Nortel
aufgebrachten PBB-TE auf eine zweite neue Variante. Dabei handelt es sich um ein
verbindungsorientiertes Protokoll für Carrier Ethernet, das insbesondere in Sachen Skalierbarkeit
von Diensten, Zuverlässigkeit, Servicequalität und -management sowie TDM-Unterstützung glänzt. Die
Normierung von PBB TE (vormals von Nortel als Provider Backbone Transport oder PBT bezeichnet)
läuft über das IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers) auf der Basis des dort
bereits existierenden Standards 802.1ah. 802.1ah adressiert primär die Skalierbarkeit von Ethernet.
Die Methode basiert darauf, Ethernet-Pakete einfach mit einem speziellen Provider-Header zu
versehen (Mac-in-Mac). So entsteht ein zweistufiges Netzwerk, das theoretisch über 248 individuelle
Provider-Mac-Adressen verfügt.

Allerdings bleibt die Kommunikation mit diesem Standard verbindungslos – die Antwortzeiten damit
unberechenbar. Dafür, dass sich das ändert, ist PBB-TE zuständig. Das Verfahren schaltet die
traditionellen, verbindungslosen Funktionen in der Ethernet-Hardware pro einzelnem VLAN aus und
ersetzt sie durch Managementinstruktionen. Zu den abgeschalteten Funktionen gehören etwa Flooding,
das automatische Lernen der MAC-Adressen sowie Paket-Broadcast- und Spanning-Tree-Fähigkeiten. Sie
alle führen zu Unberechenbarkeit. Stattdessen werden die Ethernet-Verbindungen quasi offline für
den optimalen Verkehrsfluss vorbereitet und anschließend automatisch bereitgestellt. Letzteres
geschieht durch die Konfiguration der Forwarding-Tabellen in den Ethernet-Switches via
Netzwerkmanagementsystem.

Auf diese Weise kann PBB TE in großen Carrier-Netzen den Datenverkehr steuern, die Dienstgüte
(QoS) sichern und spezifische Datentypen über die für diese vorgesehenen Kanäle lenken. Das
Verfahren nutzt die Spezifikation 802.1ag für Path Protection Switching und für die Verteilung des
Datenaufkommens im Netzwerk. Im Unternehmensumfeld eignet sich PBB-TE besonders für
E-Line-Services.

Welches der beiden konkurrierenden Transportverfahren sich künftig durchsetzen wird, lässt sich
heute kaum vorhersagen. Wahrscheinlich werden beide Varianten ihren Teil des Markts erobern. Dafür
sprechen zum Beispiel auch die Ergebnisse einer Vergleichsbetrachtung der beiden Techniken, die
Ericsson im September auf dem Metro Ethernet World Congress in Genf präsentierte. Demnach haben
beide ihre spezifischen Vorzüge – PBB-TE etwa Einfachheit, T-MPLS mehr die Offenheit, sind aber
beide sehr gut für den Transport von Paketprotokollen geeignet.

PBB-TE fungiert in erster Linie als verbindungsorientiertes Transportnetz für virtuelle
Ethernet-Punkt-zu-Punkt-Verbindungen, während T-MPLS eine verbindungsorientierte
Pakettransportebene bereitstellt, die primär Punkt-zu-Punkt-Verbindungen für verschiedene
Layer-2-Netzwerke anbietet. Beide entsprechen den Spezifikationen für Carrier-Ethernet-Dienste.
Kleiner Vorteil für T-MPLS: Hier ist die Standardisierung schon ein Stück weiter. Betreiber, die
eher zu Ethernet tendieren, können PBB-TE sehr gut gemeinsam mit WDM/OTN einsetzen; solche, die
bereits auf IP/MPLS gesetzt haben, können mit T-MPLS den Betrieb optimieren.

Der Metro Ethernet World Congress bewies am "lebenden Objekt", dass Interoperabilität der
verschiedenen Techniken und Hersteller keine Vision mehr ist. Im groß angelegten Testzentrum unter
der Leitung des EANTC präsentierten Hersteller wie Alcatel-Lucent, Ceragon, Ciena, Cisco, Extreme,
Gridpoint, Hammerhead, Huawei, Juniper, Nokia Siemens Networks, Nortel, RAD Data Communications,
Tellabs und World Wide Packets, um nur einige zu nennen, mit rund 65 Produkten ein gemeinsames
Metronetz aus Basis von PBB-TE beziehungsweise PBT, T-MPLS und MPLS.

Auf dem Berliner Breitband World Forum im Oktober gab es ein ähnliches Szenario – teils mit
anderen Unternehmen. Auch in der Praxis scheinen die Provider langsam loszulegen. Bestes Beispiel
ist sicher das 21CN-Projekt (21st Century Network) von BT. Nachdem dort für diesen Zweck
ursprünglich Nortel mit seinen PBB-TE-Lösungen zum Einsatz kam, sind inzwischen auch andere
Hersteller dazugestoßen, beispielsweise Huawei.

Nortel hatte bereits im Juni die Carrier-Ethernet-Ecosystem-Initiative ins Leben gerufen. Sie
verfolgt unter anderem das Ziel, den Aufbau von Carrier-Ethernet-Strukturen zu vereinfachen und die
Interoperabilität unterschiedlicher Hersteller zu testen. Eines wird ganz klar deutlich: Carrier
Ethernet nimmt deutlich Fahrt auf.


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