Im Vorfeld des zweiten nationalen IT-Gipfels, der kommenden Montag in Hannover stattfindet, schlägt der Branchenverband Bitkom wegen des dramatischen Fachkräftemangels Alarm. In der deutschen Wirtschaft gibt es derzeit 43.000 offene Stellen für IT-Fachleute. Davon entfallen 18.000 Jobs auf die IT-Branche selbst und 25.000 auf Wirtschaftszweige, in denen Informations- und Kommunikationstechnik zum Einsatz kommt. Das geht aus der Studie zur Beschäftigungssituation von IT-Experten hervor, die der Bitkom aus Anlass des IT-Gipfels in Auftrag gegeben hat. Grundlage ist eine repräsentative Umfrage des Instituts Aris Umfrageforschung unter 600 ITK-Unternehmen und 800 Firmen anderer Branchen.
"Die Jobperspektiven für IT-Fachkräfte sind so gut wie seit Jahren nicht mehr", sagte der
Bitkom-Präsident Prof. August-Wilhelm Scheer bei der Präsentation der Zahlen. 60 Prozent der
IT-Unternehmen suchen zusätzliche Mitarbeiter. In der IT-Branche selbst werden vor allem hoch
qualifizierte Softwareentwickler gesucht, in den Anwenderbranchen vor allem IT-Administratoren. "
Das deutsche Bildungssystem kann den aktuellen Bedarf der Wirtschaft nach Fachkräften in vielen
Bereichen nicht mehr decken", sagte Scheer. "Die Reformen in der Bildungs- und Zuwanderungspolitik
müssen deshalb konsequent fortgesetzt werden."
"Der Fachkräftemangel führt zu volkswirtschaftlichen Schäden in Milliardenhöhe", betonte Scheer.
Ein Viertel der IT-Unternehmen mit offenen IT-Stellen mussten laut der Umfrage Aufträge ablehnen,
weil sie keine geeigneten Mitarbeiter gefunden haben. Nach Bitkom-Schätzung kosten nicht besetzte
Stellen allein die ITK-Industrie in diesem Jahr rund eine Milliarde Euro. Scheer: "Im Berufszweig
der Datenverarbeitungsfachleute herrscht mit einer Erwerbslosenquote von 2,2 Prozent
Vollbeschäftigung. Mit anderen Worten: Der Arbeitsmarkt in leer gefegt."
Der Fachkräftemangel sei aber nicht nur konjunkturell bedingt, sondern ein strukturelles
Problem. Die Lösung könne laut Bitkom-Präsident Scheer nur mit einer Doppelstrategie gelingen. Er
fordert "eine konsequente Fortsetzung der Reformen des Bildungssystems und eine gesteuerte
Zuwanderung von Hochqualifizierten."
Im Zusammenhang mit der Hochschulausbildung äußerte der Professor allerdings auch scharfe
Kritik: "Die Massenuniversität frustiert Lehrende und Studierende. Statt die Studienanfänger
rauszuprüfen, sollten sie besser betreut werden", schimpfte Scheer.
Die zweite Säule zur Bekämpfung des Fachkräftemangels sei eine gesteuerte Zuwanderung von
Hochqualifizierten. "Das bestehende Zuwanderungsgesetz ist zu restriktiv", sagte Scheer. In der
Bitkom-Studie haben fast 40 Prozent der IT-Unternehmen angegeben, dass sie mehr ausländische
IT-Spezialisten einstellen würden, wenn der Verwaltungsaufwand nicht so groß wäre.
CZ/Peter Koller