Televersa startet großflächiges Access-Funknetz

Breitbanderwachen im Südosten

12. Juli 2006, 23:15 Uhr | Stefan Mutschler/mw

Der Südosten Bayerns - ein Gebiet mit immerhin rund 2,5 Millionen Bürgern - ist nach wie vor größtenteils Breitbandwüste. Während die T-Com hier nur vereinzelt DSL-Kleckse setzt, ergreift nun Televersa die Initiative und schafft Fakten. Ohne viel Aufhebens und vorbei am Hickhack um Wimax hat das Unternehmen ein etwa 20.000 Quadratkilometer großes Funknetz aufgebaut, das ab Mitte Juli dieses Jahres "kostengünstigen Breitbandzugang für alle" bringen soll. Das Konzept bietet sich auch als Modell für viele der etwa 90 Bewerber an, die sich in Deutschland seit Anfang dieses Jahres um Lizenzen für Wimax-Frequenzen bemühen.

Bayern sieht sich gerne als High-Tech-Standort. Interessanterweise sind jedoch gerade im wirtschaftlichen Vorzeigebundesland nach wie vor große Teile von den Entwicklungen im Breitbandsektor unbeleckt. Im besonderen Maße betrifft dies beispielsweise die Region Südost-Bayern zwischen Schwandorf und Freilassing in der Nord-Südachse und Freising und Freyung-Grafenau in der West-Ostachse. Insgesamt 750.000 Haushalte gibt es hier, etwa 250.000 davon haben keine Chance auf einen DSL-Anschluss. Betroffen sind auch zahlreiche Unternehmen, Büros und Selbstständige. "Die bislang unzureichende Breitbandversorgung großer Teile der Landbevölkerung droht zu einem gravierenden Wettbewerbs- und Standortnachteil zu werden", so Jürgen Pfitzner, geschäftsführender Gesellschafter der Televersa. "Diese Situation wurde immer wieder von Verbänden und Politikern kritisiert, ohne dass sich etwas geändert hätte. Daher haben wir uns entschlossen zu handeln und der Bevölkerung in Südostbayern ein attraktives Angebot zu machen."

Dieses Angebot umfasst einen drahtlosen Breitbandzugang, der zunächst auf einer proprietären Point-to-Multipoint-Technik des kanadischen Herstellers Dragonwave im freien 5,4 GHz-Band basiert. Abhängig davon, wie die Verteilung der Lizenzen für Wimax-Frequenzen ausgeht, sollen zu gegebener Zeit weitere Angebote hinzukommen, welche die Möglichkeiten des Wimax-Standards ausreizen. "Wir haben unser Geschäftsmodell ganz bewusst völlig unabhängig von den Entwicklungen um Wimax gestaltet", erklärt Pfitzner. "Der Anwender will und braucht dringend einen schnellen und kostengünstigen Internetzugang - ob die dahinter liegende Technik nun Wimax oder sonst wie heißt, ist ihm egal". Im Lichte der Televersa-Strategie scheint diese Auffassung in der Tat sehr gut vertretbar. Televersa betrachtet nämlich seine Funklösung zunächst rein als Alternative zu einem stationären DSL-Anschluss (Wireless Local Loop - kurz WLL) und nicht wie viele der Wimax-Aspiranten auch als mobilen DSL-Anschluss beziehungsweise sogar Konkurrenz zum Mobilfunk. Genau wie bei einem DSL-, oder Kabelanschluss bekommt der Anwender eine Box, an die er über ein Standard-Ethernet-Kabel seinen PC oder gegebenenfalls Router anschließt. Eine direkte Verbindung zwischen Basisstation und Endgerät ist hier nicht vorgesehen. Nur in diesem Falle aber wäre der Wimax-Standard für den Nutzer relevant. Bis zum Servicestart Mitte Juli sollen 35 Basisstationen im 5,4 GHz-Band in Betrieb sein. In der bis September projektierten Phase II will Televersa weitere 35 Basisstationen ans Netz bringen.

"Natürlich würden wir uns sehr freuen, wenn wir für unser Gebiet Wimax-Lizenzen bekommen", so Pfitzner. "Für diesen Fall planen wir, sofort mit Phase III unseres Breitbandnetzes zu starten und 35 Basisstationen im 3,5 GHz-Band für Wimax nachzurüsten." Verlassen will er sich darauf jedoch nicht, schon gar nicht als primäre Umsatzquelle. "Selbst wenn wir für unser Gebiet - und nur hier haben wir uns umr Wimax-Lizenzen beworben - als einziger Lizenzen zugesprochen bekämen, wäre das zur Verfügung stehende Frequenzband für einen Massendienst viel zu schmal", erläutert der Televersa-Chef. "Nun müssen wir aber damit rechnen, unser Gebiet mit bis zu zwei weiteren Anbietern zu teilen, wie es von der Bundesnetzagentur im Fall von Überschneidungen bei den Bewerbern vorgesehen ist. Damit ist für einen reinen Wimax-Anbieter im Grunde kein gewinnbringendes Geschäftsmodell aufzusetzen", so Pfitzners Wimax-Fazit. Neun Organisationen haben bundesweit Wimax-Lizenzen beantragt (darunter die T-Com, die Deutsche Breitband Dienste - kurz DBD - und Wibeg Communications). Mindestens diese sind damit auch potenzielle Player im Televersa-Gebiet. Pfitzners Befürchtungen sind also mehr als berechtigt. Und er steht mit seiner Auffassung zum Thema Wimax keineswegs alleine da: "Wer mit Wimax im Rahmen der aktuellen Frequenzbänder Übertragungsraten haben will, die mit DSL konkurrieren können, der muss die Basisstationen so engmaschig bauen, dass man gleich Kupferkabel legen kann", bringt es beispielsweise Arcor-Chef Harald Stöber auf den Punkt.

Die Probleme mit der Breitbandunterversorgung, wie sie in Südostbayern besonders großflächig auftreten, sind auch aus vielen anderen Gebieten Deutschlands bekannt. Insgesamt sind derzeit etwa zehn Prozent der deutschen Haushalte außerhalb der DSL-Versorgungsgebiete angesiedelt - eine Klientel, um die sich derzeit auch die Kabelnetzbetreiber eifrig bemühen. Sie dürften die stärksten Mitbewerber der künftigen Wimax-Provider sein, denn auch sie rüsten ihre Netze mit Nachdruck für den Gebrauch als Internet- und Telefonleitung. Zu dieser starken Wettbewerbssituation und den Engpässen im Frequenzband kommen bei Wimax auch noch unkalkulierbare zeitliche Verzögerungen. Auf technischer Seite betreffen diese Produkte nach dem jüngsten Wimax-Standard 802.16e, der erstmals bei Wimax auch Roaming und damit bewegte Endgeräte (zum Beispiel künftige Wimax-Mobiltelefone) unterstützt. Da dieser Standard wegen eines neuen Modulationsverfahrens jedoch einen Bruch mit den früheren Wimax-Standards bedeutet, wollen viele Provider erst gar nicht mit älterer Technik anfangen, obwohl es hierfür von zahlreichen Herstellern Produkte gibt. Zertifizierte 802.16e-Produkte soll es hingegen frühestens im ersten Quartal 2007 geben.

Mindestens bis dahin wird sich nach Einschätzung von Beobachtern auch die Lizenzverteilung in Deutschland hinziehen, auch wenn die Bundesnetzagentur offiziell nach wie vor den Herbst dieses Jahres dafür angibt. Grund ist, dass die Sache mit dem "Licensing Light", wie es ursprünglich von der Behörde geplant war, offensichtlich nicht wie gewünscht funktioniert. So ist man von dem Ansatz, dass konkurrierende Bewerber untereinander Lizenzen für Gebiete aushandeln sollen, bereits sehr früh nach Auswertung der Bewerbungseingänge wieder abgerückt. Anfang Juli gab die Agentur bekannt, nun doch ein Versteigerungsverfahren durchzuführen, das aber erst entworfen und allen Beteiligten zur Kommentierung vorgelegt werden muss. Erfahrungsgemäß gehen dabei schon leicht mal eben ein paar Monate ins Land.

Vor diesem Hintergrund scheint der Televersa-Ansatz umso interessanter, denn der Kern des Geschäfts liegt zunächst auf einer lizenzfreien Technik im ISM-Band. Wimax fließt nach und nach entsprechend der in Deutschland gegebenen Frequenzsituation ein. Nicht nur Stöber und Pfitzner geben rein auf Wimax fokussierten Providern kaum eine Überlebenschance. Die DBD hatte ursprünglich ähnliche Ideen wie Televersa - dieser Provider hat bereits an 28 deutschen Orten eine nicht Wimax-konforme WLL-Lösung in Betrieb. Durch eine Beteiligung (in nicht genannter Höhe) von Intel Capital hat DBD zwar jetzt wahrscheinlich die Mittel, um mit Wimax eine Durststrecke durchzustehen - hat sich damit auf der anderen Seite aber im Interesse Intels eben auf Wimax eingeschworen. Den unabhängigen Providern bleibt es indes unbenommen, ihre Breitbandstrategie noch einmal zu überdenken. Televersa ist hier sicher nicht das schlechteste Vorbild.

Durch ein attraktives Preismodell will Televersa auch DSL-Bestandskunden im Zielgebiet einen Wechsel schmackhaft machen. "Unsere Preise für vergleichbare Leistungen werden etwa 20 Prozent unter dem T-Com-Preis liegen", verspricht Pfitzner dazu. Um auch einem härteren Preiskampf mit der T-Com standhalten zu können, will Pfitzner die Betriebskosten für die Netze und Services von Televersa möglichst gering halten. Schlüssel sei eine extrem schlanke Verwaltung auf Basis von Netzen, Produkten und Diensten, die sich weit gehend automatisch steuern. Kunden sollen die gewünschten Dienste via Internetportal bestellen und konfigurieren. Auch Änderungen bei den gewünschten Bandbreiten seien auf diese Weise jederzeit adhoc realisierbar. Datenraten bis zu 400 MBit/s werden so standardmäßig angeboten, auf besonderen Kundenwunsch sollen auch noch höhere Raten machbar sein. Wer beispielsweise 1 MBit/s gebucht hat, kann sich so etwa für den Download einer größeren Videodatei ohne Zeitverzug Bandbreite "nachlegen". Neben Daten- bietet Televersa über sein Breitbandnetz auch Sprachdienste inklusive Übernahme eines bestehenden Telefonanschlusses unter Beibehaltung der bisherigen Rufnummer an. Für Geschäftskunden gibt es auf Wunsch weitere Services, etwa IP-VPNs und IP-Centrex-Dienste.


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