Unified Communications (UC) - inzwischen oft durch den Zusatz "und Collaboration" (UCC) ergänzt - bleibt in vielen Unternehmen noch weit unter seinen Möglichkeiten zurück. Während schon die Integration der Kommunikation an sich noch Probleme aufwirft, wurde die Integration des gesamten UC-Themas mit den Zielen und Prozessen des Business zu lange vernachlässigt. Für eine erfolgreiche UC-/UCC-Implementation sind beide Aspekte aber gleichermaßen im Auge zu behalten. Nur so lässt sich auch eine passende Lösung finden.
Im Jahr 2009 wird der weltweite UCC-Markt 7,4 Milliarden Dollar erreichen, davon gehen zumindest
die Analysten von Gartner aus. Dies entspricht einem Wachstum von 22 Prozent gegenüber dem Jahr
2008. Doch auch einen signifikanten inhaltlichen Trend machen die Marktforscher aus: Bis zum Jahr
2013 sollen die einzelnen Komponenten von UCC wie Telefon, Messaging, Konferenzanwendungen, Instant
Messaging, Anwendungen, soziale Netzwerke und Tools für die Zusammenarbeit völlig miteinander
verschmelzen. "Anwender in Unternehmen behandeln die Komponenten von UCC typischerweise in Silos",
kommentiert Jeff Mann, Research Vice President bei Gartner. "Dies ist jetzt nicht mehr länger
möglich, weil UCC eine Fusion verschiedener Kommunikationskulturen und Arbeitsstile darstellt. Die
künstliche Trennung, an die die Anwender gewöhnt sind, wird bald der Vergangenheit angehören." Auf
Seiten der Anbieter erwartet Gartner, dass mehr als die Hälfte es nicht schaffen wird, alle
Kommunikationsbedürfnisse der Arbeitskräfte in einem auf Zusammenarbeit ausgelegten Umfeld zu
erfüllen.
Technische Entwicklungen tendieren bei ihren ersten Gehversuchen in der Praxis gerne zur "
Selbstverliebtheit": Erfolg ist, wenn etwas funktioniert – ob es auch etwas nützt, spielt in dieser
Phase eine untergeordnete Rolle. Dieser Entwicklungsprozess ist sicher gesund und auch nötig –
tragisch ist nur, wenn die Zielsetzung hier stehenbleibt. Genau dies unterstellen Analysten und
Integratoren gerne beim Thema UCC. Typische UCC-Funktionen wie Computer Presence (Mitarbeiter "am
Platz"), Multiparty Instant Messaging, Multiparty Voice and Video, Point-to-Point-Video,
Verbindungssteuerung, Presence-/Kalender-Integration, Rich Text Support, Bildschirm-Sharing,
Web-Konferenz und Dateiübertragung seien zwar wichtig, brächten aber als solche noch nicht den
großen Produktivitätsschub. Die angemahnte Vorgehensweise beim Start von UC-Projekten lautet:
Geschäftsprozesse genau analysieren und aufbrechen, um sie anschließend auf der Basis der neuen
Möglichkeiten mit den Kommunikationsprozessen zu synchronisieren und radikal neu zu definieren.
Erst so werde ein Schuh daraus. Beispiele sind etwa die Integration in das Customer Relationship
Management (CRM) oder das Enterprise Resource Planning (ERP).
Die Einführung von UC werde zudem häufig nur aus dem Blickwinkel der internen
Unternehmenskommunikation beleuchtet. Ebenso dramatisch seien aber auch die Veränderungen an der
Schnittstelle zum Kunden – denn eine ganzheitliche UC-Strategie bedeutet auch, die Kommunikation
mit Kunden kanalübergreifend zu managen. Die Abbildung einer kanalübergreifenden Historie zu
Kundeninteraktionen gehört damit zu den zentralen Punkten, auf die bei einer kundenorientierten
UC-Lösung zu achten sind.
UC ist eine Frage von Software
UC-Funktionen sind zunehmend als Software realisiert. Microsoft etwa bietet den "Office
Communications Server" (OCS), der in diesem Jahr weitgehend runderneuert wurde. Insbesondere in den
Bereichen Voice over IP (VoIP) und Mobility hat der Softwareriese kräftig nachgelegt. Außerdem
wächst die Zahl der Endgeräte, die mit OCS zusammenarbeiten. So hat beispielsweise Tandberg
kürzlich angekündigt, Nutzern des Microsoft Office Communicators visuelle Kommunikation in
HD-Qualität (High Definition) zu ermöglichen, wenn sie mit einem standardbasierenden
Videokonferenzsystem verbunden sind. Dazu konvertiert das Unternehmen Microsofts Real Time Video
(RTV) in den Standardvideo-Codec H.264. Der norwegische Videokonferenzspezialist wird aller
Voraussicht nach bald in die Arme von Cisco wandern. Der Netzwerkausrüster hatte bereits im Oktober
ein Übernahmeangebot abgegeben und nach heftigem Widerstand vor allem der Großaktionäre kürzlich
mit einer höheren Übernahmeofferte nochmals nachgelegt. Damit bliebe auf dem Gebiet der
Conferencing-Systeme mit Polycom nur noch ein einziger großer unabhängiger Anbieter übrig.
IBM Lotus hat mit "Sametime" ein bereits stark etabliertes Konkurrenzprodukt zum OCS auf dem
Markt. Es ist im Vergleich zu OCS erheblich offener. So lassen sich hier etwa Outlook und andere
Microsoft-Applikationen problemlos integrieren, während sich andersherum Lotus Sametime nicht in
OCS einbauen lässt. Sametime basiert auf dem Eclipse-Framework, einer offenen Softwareentwicklungs-
und Laufzeitumgebung, die auch Unternehmen wie Actuate, BEA, Intel, Motorola, Nokia und Oracle
unterstützen. Damit lassen sich UCC- Funktionen sehr flexibel und individuell in
Geschäftsanwendungen -integrieren.
Anbieter aus dem klassischen TK-Anlagenumfeld wie Alcatel-Lucent, Avaya, NEC, Nortel und
Siemens ebenso wie solche neuerer VoIP-Lösungen wie neben Cisco beispielsweise Mitel laufen beim
Thema UCC dem Mitbewerb aus dem reinen Softwarelager weit hinterher. Laut Gartner dominierten im
vergangenen Jahr Microsoft und IBM die Szene. Allein Cisco schaffte es in die Top-Drei. Alle drei
zusammen machen mehr als 30 Prozent des UCC-Gesamtmarkts aus. Technisch versierte Anwender können
sich auch ohne großes Budget brauchbare UC-Lösungen schmieden. Deren Marktanteil bleibt in solchen
Rankings unberücksichtigt. So gibt es im Web etwa detaillierte Instruktionen, wie sich die
Open-Source-IP-TK-Plattform Asterisk und Microsoft Exchange 2007 so miteinander verbinden lassen,
dass sie im Sinne einer Unified-Communications-Lösung Seite an Seite im selben Telefonsystem
arbeiten. Inwieweit dies allerdings der Business-Integration zuträglich ist, sei dahingestellt. Ein
weiterer Trend: Softwareanbieter wie SAP oder Oracle beginnen, UC-Komponenten in ihre bestehende
Applikationen zu integrieren.
Mobilität, Fixed Mobile Convergence (FMC) und UC
Die Arbeitswelt wird immer mobiler, daher gehört auch eine gute FMC-Integration ins
Pflichtenheft für UC-Lösungen. Kommunikationsabläufe, seien sie unternehmensintern oder mit Kunden,
lassen sich so deutlich vereinfachen und beschleunigen: Alle Mitarbeiter sind mit jedem Telefon
unter einer einheitlichen Telefonnummer zu erreichen. Mit dem Handy getätigte Rufe werden dem
Gesprächspartner dabei mit Durchwahl (Büronummer) angezeigt. Teamkollegen im Büro sehen durch die
Einbindung in das Presence-Management jederzeit, ob ein Mitarbeiter gerade mit seinem Handy
telefoniert. Umgekehrt kann ein mobiler Benutzer auf einen Blick erkennen, wie der Teamkollege im
Office im Augenblick am besten erreichbar ist. Benutzer können außerdem Rufumleitungen schnell
außerhalb des Büros aktivieren beziehungsweise deaktivieren, um eingehende Anrufe auf andere
Mitarbeiter oder auf die Voicemail umzuleiten.
Es existieren derzeit unterschiedliche Herangehensweisen, um FMC zu realisieren. Viele
Lösungen am Markt nutzen das GSM-Mobilfunknetzwerk als technische Basis für die Kommunikation
zwischen Mobilfunkgerät und einem Mobility-Server in der TK-Infrastruktur. Dies hat den Vorteil,
dass die FMC-Basisfunktionen mit nahezu jedem GSM-Handy funktionieren. Einfacher und bequemer für
den Nutzer ist es jedoch, wenn die speziell für FMC entwickelten Mobility-Clients auf dem Handy
installiert sind. Diese Clients gibt es meist für die mobilen Plattformen Symbian, Windows Mobile
und Blackberry. Swyx hat mit "Swyxmobile" dieses Jahr auch das Apple Iphone für UC fit gemacht.
Swyx ist einer der wenigen UCC-Anbieter aus Deutschland. Das Unternehmen adressiert
schwerpunktmäßig den Mittelstand. Für Anfang Dezember ist Version 7 seines UC-Pakets "Swyxware"
angekündigt. Sie soll unter anderem die nahtlose Integration von Telefoniefunktionen in IBM Lotus
Notes unterstützen. Dazu gehören unter anderem das direkte Wählen aus Lotus-Notes-Kontakten sowie
die schnelle Rufnummerauflösung bei eingehenden Anrufen. Sprachnachrichten können einfach im
Posteingang empfangen und weitergeleitet werden. Ein besonderes Highlight sind laut Hersteller
Rufumleitungen abhängig von Lotus-Notes-Kalender-informationen.
Kein Standard für Präsenz-informationen
Grundlegender Bestandteil jeder UCC-Lösung ist die Auswertung von Präsenzinformationen.
Gerade in diesem Punkt wäre eine lösungsübergreifende Herangehensweise besonders wichtig. Ein
gemeinsamer Standard scheint hier jedoch leider nicht in Sicht: So haben die Chat-Applikationen wie
Jabber und Google die Nutzung von XMPP (Extensible Messaging and Presence Protocol) vorangetrieben,
während sich die wichtigsten VoIP-Lösungsanbieter wie zum Beispiel Avaya, Nortel, Siemens und Cisco
auf SIMPLE (SIP for Instant Messaging and Presence Leveraging Extensions) stützen. Netzbetreiber
wiederum favorisieren mehrheitlich IMPS (Instant Messaging and Presence Service) und von den
Softwareanbietern kocht gar jeder sein eigenes Süppchen – mit Anlehnungen an eines der drei
Protokolle.
Einige Hersteller und Open-Source-Gruppierungen bauen inzwischen Gateways, um
Zusammenschlüsse zu ermöglichen. IBM beispielsweise bietet ein Sametime-Gateway, das
Präsenzinformationen und Instant Messages (IM) mit Yahoo, AOL, Google und XMPP austauscht.
Microsoft-Anwender bleiben allerdings außen vor. Microsoft kann mit MSN, AOL und Yahoo
zusammenarbeiten, aber nicht mit Google.