Bestechung, Wahlmanipulation und Regeländerungen rund um die Abstimmung um OOXML

Chaos um Dokumentenstandard nimmt kein Ende

2. September 2007, 23:06 Uhr |

Der weltweite Abstimmungsprozess um die Anerkennung von Microsofts Dokumenten-Format Open Office XML (OOXML) als neuen Standard schlägt höchste Wellen. Zwar sollte am vergangenen Wochenende die Abstimmung erfolgen, aber es ist unklar, wann es ein Ergebnis geben wird - und vermutlich wird dieses ohnehin angefochten.

In der letzten Woche überstürzten sich die Ereignisse. Vor allem deshalb, weil Microsoft in letzter Minute versuchte die Entscheidungen der einzelnen nationalen Komitees zu beeinflussen. So hat in Schweden ein Microsoft-Mitarbeiter versucht, die Delegierten zu bestechen in dem er einem abstimmungsberechtigten Partner-Unternehmen im Austausch gemeinsame Marketing-Aktivitäten anbot. Dieser Bestechungsversuch löste heftige Proteste aus. Microsoft gab inzwischen zu, dass der Mitarbeiter besagte E-Mails geschrieben hat. Allerdings sei dies nicht im Einklang mit der Unternehmenspolitik geschehen und auch falsch verstanden worden. "Das war ein einmaliger Vorfall und wird die Abstimmung in Schweden sicher nicht beeinflussen", hieß es seitens Microsoft. Dennoch hat die Schwedische Standardisierungs-Gruppe SIS mittlerweile beschlossen die Abstimmung als ungültig zu erklären, nachdem bekannt wurde dass ein Teilnehmer mehrere Stimmen abgegeben hatte.

Auch in anderen Ländern herrschte Chaos und Unschlüssigkeit. Ungarn gab bekannt seine Stimme noch einmal überdenken zu wollen. Den Anstoß dazu gab der ungarische Wirtschaftsminister János Kóka, der in einer E-Mail an György Pónyai, Chef der Hungarian Standards Institution (HSI), darauf hinwies, dass IBMs ungarische Tochtergesellschaft Bedenken über den Abstimmungs-Ablauf geäußert hatte. Angeblich wurde dabei gegen mehrere Auflagen der HSI verstoßen. Beispielsweise wurden spontan die Regeln geändert, sodass 50 Prozent anstatt der sonst üblichen zwei Drittel-Mehrheit für eine Befürwortung ausreichten. Außerdem hätten viele Mitglieder gar nicht abstimmen können, nur deswegen sei für Ja gestimmt worden.

Zu all den Ungereimtheiten kam noch hinzu, dass die Standardisierungs-Institutionen weltweit plötzlich einen ungewöhnlichen Zuwachs verzeichneten. Laut des Software Foundation Europe (FSFE) Präsident Georg Greve hat sich in kürzester Zeit eine unbekannte Anzahl von Microsofts Partner-Unternehmen in mehreren Ländern den Standardisierungs-Organisationen angeschlossen, um somit möglicherweise die Abstimmungen zugunsten Microsofts zu beeinflussen. Laut Greve seien die Ergebnisse in der Schweiz, Schweden, Deutschland, Portugal, Niederlande sowie den USA von Microsoft verfälscht worden. "Die Mitgliederzahl insbesondere in der Schweiz und in Schweden nahm urplötzlich vor der Abstimmung unnormal zu. "Auf einmal war der Raum gefüllt mit Microsoft-Partnern", behauptet Greve. Alleine in Schweden zahlten einen Tag vor der Abstimmung mehr als 20 Unternehmen die Mitgliedsgebühr von 1.300 Dollar ein, die sie dazu berechtigte eine Stimme abzugeben. Microsoft hat in diesem Zusammenhang bereits zugegeben, seine Partner ermutigt zu haben für eine schnelle Standardisierung abzustimmen. "Open XML wird einer der am weitesten verbreiteten Standards, also ist die Abstimmung darüber von großer Bedeutung", gestand Tom Robertson, Manager für Standards bei Microsoft inzwischen ein. "Die Aufnahme von neuen Mitgliedern ist absolut rechtmäßig?, unterstützte ihn sein Kollege Jason Matusow, verantwortlich für Interoperabilität.

Besonders kritisiert die ISO, dass die neuen Stimmberechtigten sich keine objektive Meinung bilden konnten weil die Partner, die Microsoft in letzter Sekunde zur Abstimmung bewegt hat, keine Zeit hatten die 6.000-seitige Spezifizierung des OOXML Formats im Detail zu lesen. "Es ist unmöglich, dass jede Organisation die abstimmen wird die ISO-Spezifizierung wirklich gelesen hat. Mit dieser Spezifizierung macht sich Microsoft über den gesamten ISO Standardisierungs-Prozess lustig. Wenn OOXML ein Ja bekommt muss untersucht werden, ob die ISO überhaupt noch etwas wert ist", wetterte Greve.

Insgesamt hatten 123 Länder bis gestern Zeit ihre Stimmen bei der ISO einzureichen. Darunter hatten sich ganz spontan noch elf neue Länder angemeldet und entschieden, dass internationale Standards plötzlich absolut bedeutend für sie sind und ihre Mitgliedschaft in der ISO erweitert, um auch abstimmen zu dürfen. Generell hatten viele Organisationen noch große Bedenken über OOXML geäußert. So gab zum Beispiel Neuseeland bekannt vor allem wegen Patenthaftungs-Problemen für Nein zu stimmen. Und Dänemark soll sogar 64 Seiten mit Kommentaren bei der ISO eingereicht haben.

Harald Weiss/CZ/pk


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