Server-based Computing gewinnt weiter an Fahrt

"Citrix Light" und TC-Schwergewichte

2. November 2005, 0:06 Uhr | Dr. Wilhelm Greiner

Im Server-based-Computing-(SBC-)Markt richtet sich das Augenmerk zunehmend auf das Einsteigersegment: Marktführer Citrix stellte jüngst die Citrix Access Essentials vor, eine Version des Presentation Servers für Kleinbetriebe. In diesem Segment bestehen aber durchaus auch Alternativen. Die laut IDC-Zahlen zunehmend erfolgreichen Thin-Client-Hersteller begleiten diese Entwicklung mit innovativen Managementlösungen und neuen Modellen.

Mit dem Presentation Server 4.0 hat Citrix im Sommer die neueste Version seines
Enterprise-Flaggschiffs für die serverbasierte Anwendungsbereitstellung auf den Markt gebracht.
LANline legte dar, dass der PS4 aufgrund seiner zahlreichen Funktionen im unteren Marktsegment
Spielräume für kleinere, leichter verwaltbare Lösungen lässt (LANline 8/2005, S. 31). Dies war
offenbar auch Citrix bewusst: Der SBC-Marktführer ergänzt nun sein Portfolio um ein Angebot für
kleine und mittelständische Unternehmen (SMB): "Citrix Access Essentials" bietet Hilfsmittel, um
kleineren Betrieben ohne SBC-Administrator den Sprung zur Citrix-Plattform zu erleichtern.

Einstiegslösungen

Citrix Access Essentials basiert auf dem PS4 und bietet diverse Features der neuen Version,
darunter das Speicher- und CPU-Auslastungsmanagement, Speedscreen 3 für ruckfreies Scrollen und den
neuen Universal Printer Driver. Der Assistent "Quickstart Essentials" (Bild rechts) soll bei
Installation und Betrieb den Aufwand senken. Die Einstiegslösung ist auf einen
Standalone-Windows-2003-Server und 75 Einzelanwender (Named Users) limitiert. Der PS4-Ableger setzt
wie das gesamte Windows-SBC auf Microsofts Terminal Services auf. Die erforderlichen Lizenzen (TS
CALs) sind in der auf Deutsch verfügbaren Lösung enthalten. Nützlich wäre eine Zwei-Server-Lizenz,
da mitunter auch Kleinbetriebe Hochverfügbarkeit benötigen. Dies würde jedoch die Verwaltung durch
Fragen wie Load Balancing erschweren.

Auf SMBs zielt auch Thinprints "Remote Desktop Suite". Der Berliner SBC-Druckspezialist setzt
direkt auf Microsoft auf und nutzt deren Zugriffsprotokoll RDP, das XP-Rechner ab Werk
unterstützen. Laut Thinprint ist die Suite einfach zu administrieren, ihr Straßenpreis soll für 20
Anwender unter 3000 Euro liegen. Ein Starter Pack bietet den Einstieg bereits ab fünf Benutzern
oder Endgeräten, die Erweiterung erfolgt in Fünferschritten. Ein Plus ist sicher das hauseigene
Print-Management, ist Drucken doch häufig eine Hürde im SBC. Ebenfalls im SMB-Markt tätig sind
Tricerat mit der Simplify Suite v4, die den Windows Terminal Server um nützliche Management-Tools
ergänzt, oder auch der Startup 2X mit SBC-Lösungen für Linux und Windows.

64-Bit-Computing

Als Technology Preview stellt Citrix seit Juli eine PS-Version für x64-Prozessoren bereit. Die
x64-Architektur bietet 64-Bit-Computing bei effizientem Betrieb von 32-Bit-Applikationen. Die
Kernfunktionen der x64-Variante sind laut Citrix als 64-Bit-Code geschrieben. Komponenten wie Web
Interface, Secure Gateway und Conferencing Manager docken als 32-Bit-Applikationen an den x64-Kern
an. Die x64-Version soll als eigenständiges Produkt auf den Markt kommen. Laut Citrix bietet sie
auf Dual-Core-Maschinen kaum Performance-Gewinn, dafür auf Vierfach-Maschinen über 60 Prozent.

Für das Druckmanagement hat Thinprint eine 64-Bit-Version seiner gleichnamigen Lösung
angekündigt. So können Unternehmen weiterhin 32-Bit-Druckertreiber und somit 64-Bit-inkompatible
Drucker nutzen. Volle Unterstützung für die 64-Bit-Technik gab im Sommer zudem der SBC- und
Security-Spezialist HOB für seine Produktfamilie Hoblink JWT bekannt. Nebenbei hat Citrix den
WAN-Optimierer Netscaler übernommen. Netscaler verbessert den WAN-Leitungsdurchsatz durch
Traffic-Management und TCP-Beschleunigung. Citrix‘ ICA-Protokoll selbst ist sehr schlank und
profitiert hier recht wenig. Da aber viele Unternehmen SBC zusammen mit webbasiertem Arbeiten und
File-Transfers einsetzen, passt dieser Zukauf gut zum Citrix-Portfolio. Selbst Gegenstand einer
Akquisition wurde Citrix‘ kleinerer Gegenspieler Tarantella: Der Anbieter für SBC im heterogenen
Umfeld gehört jetzt zu Sun. Die Tarantella-Lösungen sollen als "Sun Secure Global Desktop Software"
weiterhin verfügbar bleiben. Sun wird Tarantella mit seiner hauseigenen Ultra-Thin-Client-Lösung "
Sun Ray Server" kombinieren und bei der Weiterentwicklung starkes Augenmerk auf dieses
Zusammenspiel legen.

Thin Clients legen deutlich zu

Der SBC-Zugriff erfolgt von PCs oder speziell dafür konzipierten Thin Clients (TCs) aus. Die
TC-Hersteller glänzen mit Innovations- und Umsatzsprüngen: Laut den Martkforschern von IDC stieg
die Zahl europaweit ausgelieferter TCs im ersten Halbjahr um stolze 39 Prozent. IDC erwartet, dass
die Hersteller wie Wyse, Neoware, Igel, Hewlett-Packard und Co. dieses Jahr in EMEA eine Million
TCs absetzen werden. Die Anbieter sind sich einig, dass neben zentraler Verwaltbarkeit und
Kosteneinsparung vor allem der Wunsch nach mehr Sicherheit dies vorantreibt.

Nach wie vor ist Wyse klarer Marktführer. Neben der neuen Gerätegeneration der S- und V-Klasse
brachte Wyse dieses Jahr auch den Impari 550 Video Client heraus. Mit 80-GByte-Festplatte zielt das
Hybrid aus PC und TC auf den Einsatz zum Beispiel als Wiedergabegerät im Einzelhandel oder für
Video-on-Demand-Lösungen in Hotels oder Krankenhäusern.

Streaming zu Stateless-TCs

Sehr interessant ist die softwareseitige Entwicklung: Wyse arbeitet an einer Lösung, um TCs als
zustandslose Geräte (Stateless Devices) mit PC-Funktionalität zu nutzen. Das soll die
Gesamtbetriebskosten (TCO) erneut senken. Der "Wyse Streaming Manager" soll – ähnlich dem Sun Ray
Server – TCs von zentraler Stelle mit Software versorgen. Wyse betont jedoch, dass der Streaming
Manager Betriebssystem und Applikationen voneinander entkoppelt verwalten und streamen kann. Dies
erhöhe die Flexibilität. Im Bundle mit dem Streaming Manager will Wyse bestimmte TCs ohne Flash und
somit günstiger anbieten und so die oft geringe Preisschere zwischen PC und TC vergrößern. Die
Lösung soll ungefähr zum Jahreswechsel auf den Markt kommen. In einem zweiten Schritt ist 2006 eine
solche Lösung für PCs geplant. Wyse will spezielle Professional Services aufsetzen, um Unternehmen
bei Problemen mit heterogener PC-Hardware zu unterstützen.

Im Augenblick hat allerdings Wyses Konkurrent Neoware nach dem Zukauf von Qualystem mit einer
ähnlichen Lösung die Nase vorn: Der im Juli vorgestellte "Neoware Image Manager" streamt
Windows-Betriebssysteme und Applikationen von einem Linux- oder Windows-Server an PCs und TCs, auch
hier ohne Festplatten und Flashes. Der Unterschied: Neoware streamt ganze Images. Sie umfassen das
Betriebssystem, die Applikationen sowie Treiber für diverse Hardwareplattformen. Dies soll das
klassische Imaging-Problem vermeiden, dass schon bei minimal abweichenden Client-Beständen ein
Image pro Konfiguration zu verwalten ist. Die Lösung benötigt 10 MBit/s und eignet sich somit nur
für das LAN. Der Hersteller liefert dazu ab sofort TCs ohne Flash – also ohne die zweitteuerste
TC-Komponente nach der CPU.

Neoware konsolidiert Portfolio

Neoware hatte dieses Jahr durch mehrere Akquisitionen von sich reden gemacht: neben Qualystem
auch Mangrove sowie die TC-Marke Thintune des deutschen Distributoren Esesix. "Mit den
Akquisitionen haben wir vor allem Entwickler hinzugewonnen", so Neowares CEO Michael Kantrowitz. "
Wir mussten ein europäischeres Unternehmen werden. Heute sind wir ein Thin-Client-Anbieter mit
globaler Präsenz und globalen Entwicklungsressourcen." Die Zukäufe haben Neoware den Platz zwei
unter den TC-Playern, aber auch ein heterogenes Portfolio beschert. Kantrowitz betont jedoch die
Ähnlichkeit der Plattformen. So laufe bereits heute das Thintune-Linux auf Neowares E100 (Bild
links). Der Hersteller arbeitet allerdings an einem einheitlichen Linux, das innerhalb eines Jahres
für alle Neoware-TCs sowie für PCs erhältlich sein soll. Eine Produktlinien übergreifende
Managementkonsole wäre sicher von Vorteil. Kantrowitz betont jedoch, Neowares Lösung "EZ Remote
Manager" nutze offene Standards und integriere sich in Altiris, IBM Tivoli und Microsoft SMS. HP
Openview fehlt hier noch.

Der auch international zunehmend erfolgreiche deutsche Mitbewerber Igel hat sich im Sommer auf
das hart umkämpfte Einstiegssegment gestürzt: Der Multisession-fähige Igel-132 CE Smart kostet
unter 200 Euro.

Zur Systems in München wollen die Bremer ihr Portfolio am Highend ausbauen: Igel wird dann – wie
Wyse und Neoware – neben Windows-CE- und Linux- auch XPe-Geräte (Windows XP Embedded) anbieten. Die
Geräte der Premium-Produktlinie sollen zwischen 600 und 650 Euro kosten.

Auch kleinere Anbieter wie Affirmative, Chip PC, Rangee und Thinner haben ihre Produktpaletten
um neue Geräte ergänzt. Affirmative betont, die noch dieses Jahr verfügbaren "Cool Clients" werden
bereits der EU-Schadstoffrichtlinie ROHS entsprechen, die ab Sommer 2006 gelten wird. Chip PC hat
ein sehr interessantes Produkt im Format einer Ethernet-Anschlussbuchse vorgestellt. Auch Wyse
arbeitet an einem hoch integrierten TC, der auf einem Chip alles inklusive VoIP- und
Multimedia-Support unterbringen soll. Vorrangiges Ziel sei auch hier die Kostensenkung, heißt es
seitens des Herstellers.


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