Vom DCIM zur IT-Fabrik

Das Datacenter als Business betreiben

28. August 2015, 6:00 Uhr | Eric Brabänder, Chief Marketing Officer bei FNT in Ellwangen, www.fntsoftware.com./wg

Unternehmenseigene Rechenzentren wie auch RZ-Dienstleister befinden sich in einem wettbewerbsintensiven Umfeld. Optimales Management von Strom, Kühlung und Fläche ist Grundvoraussetzung für den RZ-Betrieb, aber Commodity. Daher müssen sich RZ-Betreiber zum Komplettanbieter weiterentwickeln oder durch Mehrwertleistungen vom Wettbewerb differenzieren, zum Beispiel mit Angeboten wie integrierter Stromleistungsmessung oder nutzungsabhängiger Abrechnung.Auch die Leiter unternehmenseigener Rechenzentren müssen sich im Rahmen strategischer Überlegungen immer wieder fragen, welche Leistungen sie selbst erbringen sollten, welche sie über externe Anbieter einkaufen und wie sie diese mit dem eigenen Leistungsportfolio kombinieren. Somit entwickelt sich die IT immer mehr zum IT-Service-Broker: Neben dem Betrieb eigener Infrastrukturen steht vor allem das kostenoptimale Management hybrider IT-Umgebungen im Vordergrund. RZ-Verantwortliche müssen hier eine klare Vorstellung davon haben, welche Produkte und Leistungen sie ihren Kunden und Endverbrauchern auf Basis der vorhandenen Infrastruktur zu welchen Preisen liefern können. Dazu müssen sie ihre gesamte IT-Wertschöpfungskette im Griff haben und ihr Rechenzentrum Business-orientiert, also wie ein eigenständiges Geschäftsfeld, betreiben. Um die technischen Anforderungen bewerkstelligen und die richtigen Dienstleistungen bereitstellen zu können, ist einerseits eine genaue Planung der IT-, Netz- und Gebäudeinfrastruktur erforderlich, andererseits vollständige Transparenz über alle Assets im RZ. Hierzu gibt es am Markt DCIM-Software (Datacenter-Infrastructure-Management), mit der sich in erster Linie die Infrastrukturkomponenten im RZ verwalten lassen, von den IT-Systemen über die Stromversorgung und Klimatisierung bis hin zur Haustechnik. Doch im heutigen dynamischen Marktumfeld reicht die rein technische Verwaltung der Infrastrukturkomponenten nicht aus. Technologien wie Cloud Computing, Software-Defined Networking (SDN), Server-Virtualisierung, Network Functions Virtualization (NFV) und Triple Play (paralleles Bereitstellen von Daten-, Sprach- und Videodiensten über ein Netzwerk) erfordern eine hochflexible IT-Infrastruktur. Unverzichtbar sind deshalb kombinierte Management-Werkzeuge, mit denen sich sowohl die RZ-Infrastruktur als auch die darauf aufsetzenden Services verwalten lassen.   Business-Services vermarkten Vielerorts besteht die IT mittlerweile aus einem hybriden Mix aus klassischer IT, ausgelagerter IT und Cloud-Anwendungen. Deshalb liegt die Herausforderung nun darin, aus diesem "Gemischtwarenladen" sinnvolle und "verkaufbare" Business-Services für Anwender oder Endkunden zu entwerfen. Diese Services müssen einen Wertbeitrag zu den Geschäftsprozessen im Unternehmen selbst liefern oder diesen beim jeweiligen internen oder externen Kunden erzeugen. Dabei spielt es aus betriebswirtschaftlicher Sicht keine Rolle, wie diese Business-Services zusammengesetzt sind, solange die vertraglichen Rahmenbedingungen (Service Level Agreements, SLAs) eingehalten werden. Die SLAs umfassen neben Angaben über Leistungsumfang, Verfügbarkeiten und Sicherheitsklassen in der Regel auch Angaben zu Kosten und Preisen. Die Fragestellungen, mit denen sich sowohl die IT-Organisationen als auch zuliefernde Rechenzentren heute beschäftigen müssen, lauten daher: Wie lassen sich diese Business-Services im Rahmen gesteckter IT-Budgetziele erbringen? Welche externen Leistungen spielen dabei eine Rolle? Und wie kann man sicherstellen, dass die Leistungsversprechen eingehalten werden?   IT-Wertschöpfungskette Unabhängig davon, welcher Art ein IT-Service ist, seine Grundlage und Produktionsstätte ist und bleibt das Rechenzentrum. Betrachtet man die typische Lieferkette eines IT-Services am Beispiel der Bereitstellung einer CRM-Applika-tion (Customer-Relationship-Management), so liefert ein Application-Team die CRM-Anwendung als Managed Service an den Endanwender. Dieses Application-Team benötigt jedoch als Grundlage für das CRM-System eine vorkonfigurierte Datenbank, die sie in der Regel wiederum als interner Kunde vom Database-Team als Managed Database bezieht. Das Database-Team bezieht seinerseits zur Installation der Datenbank einen vorkonfigurierten Server als Managed-OS-Service vom Server-Team. Die dafür notwendige physische Server-Infrastruktur kann das Server-Team entweder als externen Service von einem RZ-Anbieter einkaufen oder vom unternehmenseigenen RZ als Managed Server beziehen. Zwischen allen Beteiligten der Zulieferkette besteht also ein Kunden-Lieferanten-Verhältnis mit entsprechenden SLAs oder OLAs (Operational Level Agreements), Kostenkalkulationen und Preisdefinitionen für ihre Leistungen. Entscheidend für das Endprodukt eines IT- oder Infrastruktur-Service-Providers ist also nicht nur der Business-Service selbst, sondern das optimale Management der kompletten Service-Erbringungskette (Service Delivery Chain) mit den entsprechenden Teilprodukten aus unterschiedlichen Bereichen der eigenen IT oder zuliefernder Anbieter. Im Aufbau, der Transparenz und dem Management dieser Kette liegen die Potenziale für Effizienzsteigerungen, Agilität und Qualität. Dabei repräsentiert die Service Delivery Chain letztendlich die Wertschöpfungskette innerhalb der IT-Organisation. Lösungsansätze zu einem wertgetriebenen Service-Management sind in Branchen wie beispielsweise der Automobilindustrie zu finden. Dort arbeitet man bereits seit vielen Jahren an kosteneffizienten Lösungen für eine industrialisierte Fertigung mit beherrschbarer Komplexität, die heute mit hohen Reifegraden und großen Erfolgen Anwendung finden. Die Industrialisierung der IT hin zur IT-Fabrik zielt darauf ab, Grundprinzipien der industrialisierten Fertigung zu übertragen und anzuwenden. Die wichtigsten Prinzipien sind hierbei die Standardisierung von Prozessen und Produkten, die Modularisierung von Leistungen innerhalb der Zulieferkette und die Verringerung von Fertigungstiefen zur Konzentration auf Kernkompetenzen. Technologieanalysten von Gartner, 451 Research und Forrester haben diesen Trend erkannt und sprechen bei den Softwarewerkzeugen, die diesen Trend unterstützen, von einer Kombination aus DCIM-Software und ITSM-Systemen (IT-Service-Management). Laut den Analysten wird die Fähigkeit, ein DCIM-System um Change-Management-Fähigkeiten zu erweitern oder mit ITSM-Software zu integrieren, zukünftig eine wichtige Anforderung von RZ-Verantwortlichen sein. Der Mehrwert entstehe insbesondere durch die Möglichkeit, Arbeitsaufträge und teilautomatisierte Workflows aus der Software heraus zu generieren und somit die kompletten Prozesse im RZ zu unterstützen. Dies geht von der Festlegung des Racks, der Rack-Position, in der ein Gerät zu installieren ist, über die zu verbindenden Geräte und Ports bis hin zur Verknüpfung mit den Applikationen oder Services, die beispielsweise ein Server im Rechenzentrum liefert. 451 Research sieht sogar den Trend hin zu integrierten Datacenter-Service-Optimization- oder kurz DCSO-Systemen. Diese umspannen DCIM-Funktionalität über die Ebene physischer Infrastrukturelemente hinaus bis zum Management logischer und virtueller Ressourcen und den resultierenden Business-Services. Ziel ist es, Ende-zu-Ende-Management-Prozesse im RZ zu unterstützen, die auch Ertrags- und Kostenanalysen sowie die Planung von RZ-Services umfassen.   Auswertungen mit Blick auf die Service-Erbringung Softwareanbieter werden daher künftig mehr Werkzeuge und Analysemöglichkeiten anbieten, um RZ-Daten im Hinblick auf die Service-Erbringung auszuwerten und integriert zu verwalten. Die Kombination von DCIM-Daten mit IT-Service-Informationen kann die Performance und die Verfügbarkeit über das gesamte Rechenzentrum verbessern und neue Informationen in einer ausführlichen Art und Weise auswertbar machen, sodass beispielsweise die "echten" Kosten für den Betrieb eines IT-Service kalkulierbar werden. Dadurch können IT-Verantwortliche entscheiden, wo ein IT-Service zu betreiben ist: in welchem Rechenzentrum, Raum oder sogar Rack. Ebenso können sie bewerten, wann der Service basierend auf den Geschäftsanforderungen bereitzustellen ist und ob er in Bezug auf seine Kritikalität innerhalb der eigenen Infrastruktur oder in externen Rechenzentren betrieben werden soll. Mit diesen und weiteren Informationen, die sich nur aus einem integrierten und ganzheitlichen Datenmodell ergeben, kann man die geplanten und anfallenden Kosten kalkulieren, aber auch Preise und Service-Levels für jeden IT-Service definieren. DCIM- und ITSM-Lösungen weisen gemeinsame Grundfunktionalitäten auf, darunter Asset-Configuration- und Change-Management, Port- und Connectivity-Analysen, die Dokumentation der Wartungshistorie, Alarme und Monitoring etc. Doch die beiden Lösungsgattungen haben noch weitere spezifische Funktionalitäten und liefern auch unterschiedliche Arten von Daten. So sammeln DCIM-Systeme primär Daten über die physische RZ-Infrastruktur (genutzte Flächen und Kapazitäten, Stromverbrauchswerte, Klimadaten etc.). ITSM-Tools hingegen verwalten primär die Informationen, die zum Management der gelieferten IT-Services erforderlich sind, beispielsweise Anwendungsinformationen, die Übersicht über VM-Systeme (Virtual Machine) und andere IT-Asstes inklusive der Nutzung, Auslastung und Performance von Servern. ITSM-Werkzeuge liefern auch die Informationen darüber, welche Software auf welchen Servern in welcher Konfiguration installiert ist. Zusätzlich verfügen ITSM-Lösungen häufig über teilautomatisierte Workflows und Werkzeuge für die automatisierte Service-Bereitstellung und das Problem-Management. Um dennoch die gesamte Lieferkette der IT abzubilden, ist ein zentrales Daten-Management aller IT-Komponenten und deren Zusammenwirken von der physischen RZ-Infrastruktur über die Anwendungen bis zu den IT-Services unabdingbar. Zahlreiche DCIM-fokussierte Anbieter kooperieren dazu mit Anbietern aus dem ITSM-Umfeld. Damit liegen die jeweiligen Daten jedoch immer noch in unterschiedlichen Datentöpfen und lassen sich nur schwer integrieren und auswerten. Deshalb verfolgen fortschrittliche Anbieter eine ganzheitliche Lösungsstrategie: Sie bieten sowohl DCIM- als ITSM-Funktionalität in einem zentralen integrierten Datenmodell an, das sich über Schnittstellen an vorhandene ITSM-Lösungen problemlos anbinden lässt.   ITSM im Einklang mit DCIM Erst durch die Integration von DCIM und ITSM in einem zentralen Datenmodell lässt sich der Bedarf und die Nachfrage von IT-Services mit der Lieferung von RZ-Ressourcen (Energie, Fläche, Kühlung) durchgängig harmonisieren und aus betriebswirtschaftlicher Sicht steuern. Das Ziel ist es, ITSM und DCIM zu verbinden, um auch die automatisierte Bereitstellung von IT-Services bis in die Infrastrukturschicht zu erweitern. Dies bedeutet, dass beispielsweise künftig IT-Manager in der Lage sind, Anwendungen und IT-Services bei optimaler Auslastung zumindest teilautomatisiert bereitzustellen - und zwar unter Berücksichtigung des Energieverbrauchs und der bereitzustellenden Kühlung, inklusive der Verfügbarkeit und der genauen Position der benötigten Ressourcen im Rack. Sobald alle diese Daten zentral und durchgängig verfügbar sind, kann das Management über ein sogenanntes "Data Center Business Value Dashboard" wichtige Kennzahlen auch für spezifische betriebswirtschaftliche Entscheidungsszenarien erhalten. Erst dies ermöglicht ein "Datacenter as a Business", also das Rechenzentrum als eigenständiges und wertschöpfendes Geschäftsfeld zu steuern. IT-Analysten und ITSM-Experten sind sich einig, dass die Kombination aus IT-Service-Management und Datacen-ter-Infrastructure-Management künftig zur Schlüsseldisziplin für IT- und RZ-Verantwortliche wird, um die IT nachhaltig und agil am Geschäft auszurichten. Die Chancen auf Verbesserung von Effizienz, Flexibilität und Kostenkontrolle liegen in der Service-Erbringungskette unter der Spitze des Eisbergs. Wer die verschiedenen Disziplinen wie DCIM und ITSM integriert betrachtet, reduziert Reibungsverluste in der Lieferkette der IT und ist auf dem Weg zur IT-Fabrik im Rechenzentrum.

Die Kapazitätsanalyse eines Rechenzentrums mit 3D-Visualisierung des Footprints bildet die Basis für die Service-Angebote einer IT-Fabrik. Bild: FNT Software

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