Analysten unbeeindruckt von Ballmers Kritik

Debatte um Prognose für Vista-Absatzzahlen

19. Februar 2007, 23:55 Uhr |

Microsoft-CEO Steve Ballmer hat die Analysten aufgefordert, ihre Vista-Prognosen zurückzufahren: "Einige Umsatzprognosen für unser Geschäftsjahr 2008 sind übertrieben aggressiv", sagte er an die Adresse der Finanzanalysten gerichtet, die das neue System als Umsatzrenner eingestuft haben. Im Durchschnitt gehen die Prognosen der New Yorker Analysten von einer Umsatzzunahme von neun Prozent im nächsten Microsoft-Geschäftsjahr aus, das am 1. Juli beginnt. Allerdings liegen einige Analysteneinschätzungen weit darüber. So meinte Heather Bellini von UBS, dass Microsofts Windows-Umsatz um 15 Prozent zulegen werde. Charles DiBona von Sanford Bernstein geht von 14 Prozent aus.

Doch laut Ballmer entstammt der größte Teil des Vista-Umsatzes dem Neuverkauf von PCs, was jede Prognose oberhalb des PC-Marktes als absurd darstellt: "Ich habe den Eindruck, dass viele Analysten nicht wissen, wie sich unsere Erlösstruktur zusammensetzt", kritisierte er die offensichtliche Diskrepanz zwischen den PC-Markt- und den Vista-Prognosen. Denn laut IDC wird der weltweite PC-Markt in diesem Jahr nur um 11,3 Prozent zulegen – in den USA nur um sieben Prozent.

Der Joker in dieser Diskussion sind stand-alone verkaufte Upgrade-Versionen. Doch auch hier sind die bisherigen Werte weniger ermutigend. Laut Microsoft gibt es zwar derzeit einen Umsatzsprung bei den Vista-Upgrade-Versionen, doch sei dieser Anstieg geringer als kurz nach der Einführung von Windows XP. Ballmer meint sogar, dass Vista nur "geringfügig" besser verkauft werden wird, als sich PCs in den Industrienationen absetzen lassen. Damit bestätigt er indirekt, dass Vista in den Entwicklungsländern kaum zum Einsatz kommt. Dieses kann entweder daran liegen, dass dort Linux beliebter ist, oder dass verstärkt Raubkopien zum Einsatz kommen. "Eine Verbesserung des Copyright-Schutzes in vielen Ländern würde uns im nächsten Jahr sicherlich sehr helfen", räumte Ballmer ein.

Im Übrigen meint er, dass Vista gar kein so spektakulärer Business-Generator sei, wie viele glauben: "Ein neues Betriebssystem wie jetzt Vista bedeutet für uns keine besondere Umsatzsteigerung, sondern nur die Erhaltung unseres Umsatzes, andernfalls würden wir massive Umsatzanteile an Linux und Apple verlieren." Hinzu käme die Situation im professionellen Bereich, wo sich durch die langfristigen flachen Upgrade-Erlöse ohnehin kaum Umsatzspitzen ergeben würden.

Trotz dieser Hinweise und Ballmers deutlicher Kritik haben die meisten Analysten ihre Prognosen aufrechterhalten. "Ballmer ist einfach zu konservativ; er will am Ende die Prognosen übertreffen und dann als Strahlemann dastehen", sagt Ken Allen, Analyst bei T. Rowe Price Associates. Dieser Ansicht ist auch Rick Sherlund von Goldman-Sachs: "Er will alles nur herunterspielen, um später auf der sicheren Seite zu sein."

Nur einige der Spitzenprognosen wurden etwas gestutzt. So reduzierte beispielsweise Heather Bellini ihre Vorhersage von 15 auf 13 Prozent, obwohl sie ebenfalls auf Ballmers Warnung skeptisch reagierte: "Als er uns vor drei Wochen voller Begeisterung das neue Vista präsentierte, hieß es noch, dass das System den PC-Absatz gewaltig beflügeln wird, doch jetzt greift er auf uralte PC-Marktprognosen zurück – was stimmt denn nun?"

Harald Weiss/wg


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