Zugangsalternative via Web Access

Der Browser als E-Mail-Client

15. August 2005, 23:06 Uhr | Martin Kuppinger/pf

Webmail kennen die Anwender von - meist kostenlosen - Angeboten aus dem Internet. Doch auch bei den großen Messaging-Plattformen für Unternehmen ist der Browser als E-Mail-Client salonfähig geworden. So haben Microsoft, IBM Lotus und Novell inzwischen leistungsfähige Webclients für ihre Produkte entwickelt, die es mit den traditionellen Windows-Clients durchaus aufnehmen können. Der Beitrag untersucht Funktionalität und Einsatzaspekte dieser Client-Technik.

Durch die gestiegene Bedeutung von E-Mails für die Kommunikation sind auch die Erwartungen an
die Funktionalität von Mail-Clients gewachsen. Zu den wichtigsten Anforderungen, die heute an
Clients gestellt werden, zählen beispielsweise der Zugriff auf mehrere Postfächer von einem Client
aus, mobile Mail-Abfragen, die Einbindung von Nutzergruppen ohne eigene PCs in die
Unternehmenskommunikation über so genannte Kiosksysteme und der einfache Zugang von temporären
Mitarbeitern oder Dienstleistern. Neben der umfassenden Integration von E-Mail-Funktionalität in
Unternehmensportale spielen heute vor allem auch E-Mail-Sicherheit und eine einfache Handhabung
großer Mengen eingehender Mails eine wichtige Rolle.

Es ist offensichtlich, dass keine Technik all diese Anforderungen gleich gut erfüllen kann.
Einige dieser Erfordernisse sind aber die Ursache für die steigende Popularität von webbasierenden
E-Mail-Clients. Am Markt lassen sich heute vier Gruppen von Clients unterscheiden:

"Legacy"-Clients wie Microsoft Outlook, IBM Lotus Notes oder der
Groupwise-Client von Novell: Sie bieten neben E-Mail- und Kalenderfunktionen – in unterschiedlichem
Umfang – auch weitergehende Dienste an. Beispiele dafür sind die Groupware-Funktionen von Lotus
Notes oder die Dokumentenmanagementunterstützung von Groupwise.

Clients wie Microsoft Outlook Express oder Mozilla Thunderbird, die eine nicht
so umfassende Funktionalität bieten wie die genannten Produkte, aber ebenfalls als lokale
Anwendungen unter Windows oder anderen Betriebssystemen laufen.

Webbasierende Clients der großen Messaging-Plattformen – also die
entsprechenden Erweiterungen für Microsoft Exchange Server (Outlook Web Access), IBM Lotus Domino
(Domino Web Access) und Novell Groupwise (Groupwise Web Access).

Andere Webclients von Anbietern im Internet wie beispielsweise GMX oder Yahoo:
Diese Clients weisen allerdings typischerweise nur einen Basisfunktionsumfang auf.

Eine Zwischenstellung nimmt IBM Workplace Messaging ein. Dieses Produkt lässt sich sowohl über
den Webbrowser als auch über einen auf der Open-Source-Lösung Eclipse basierenden "Rich Client"
nutzen. Damit bietet es zwar mehr als ein einfacher webbasierender Client, ist aber dennoch nicht
mit Produkten wie Lotus Notes vergleichbar. Am ehesten lässt sich dieses Produkt von seiner
Leistungsfähigkeit her in die zweite Gruppe mit Programmen wie Outlook Express oder Thunderbird
einordnen.

Einsatzbereiche für Webclients

Der Einsatzbereich von Webclients unterscheidet sich nach den beiden entsprechenden Gruppen: Die
einfacheren Clients, wie sie Provider im Internet zur Verfügung stellen, werden insbesondere von
Privatanwendern oder als "Workaround" für den Mail-Zugriff genutzt, wenn andere Zugriffsmechanismen
wie POP3 temporär nicht funktionieren. Sie sind aber für die Bearbeitung größerer Mengen von Mails
meist wenig geeignet. Durch die typische Beschränkung auf reine E-Mail-Funktionalität, die fehlende
Unterstützung von Kalendern oder Task-Management und die relativ umständliche Bedienung kommen
diese Systeme sowohl für Kiosksysteme als auch für mobile Unternehmensmitarbeiter kaum in
Frage.

Die webbasierenden Clients der führenden Messaging-Systeme können dagegen inzwischen mit einem
sehr breiten Funktionsumfang aufwarten, der sich immer mehr dem der "Fat Clients" – also
beispielsweise Microsoft Outlook – annähert. Sie bieten sich damit in vielen Einsatzszenarien an.
Allerdings setzen diese Webclients immer eine eigene Messaging-Infrastruktur im Unternehmen voraus,
da sie Teil von Systemen wie Microsoft Exchange, Lotus Domino oder Novell Groupwise sind.

Einen typischen Einsatzbereich für solche Clients stellen Anwender dar, die umfassenden Zugriff
auf Mail-Funktionen benötigen, aber keinen lokalen Fat Client nutzen können. Bei webbasierende
Mail-Clients entfällt die lokale Installation, wenn auch – teilweise abhängig von der gewünschten
Funktionalität – meist noch lokale Komponenten zu installieren sind. Für Kiosksysteme und externe
Mitarbeiter, die sich beispielsweise mit eigenen Notebooks in das Firmennetz einklinken, sind
solche Clients eine sinnvolle Option. Aber auch für Benutzer mit anderen Betriebssystemen als
Windows können sie in Frage kommen, wobei jeweils zu prüfen ist, ob die dort eingesetzten Browser
unterstützt werden. Bei Lotus Domino Web Access existiert die Mozilla-Unterstützung – und damit
eine weitgehende Plattformunabhängigkeit – beispielsweise erst seit der Version 6.5.1.

Immer dann, wenn der Zugriff nicht über den eigenen PC oder das eigene Notebook erfolgen kann,
stellen die Webclients auf jeden Fall ein interessantes Angebot an den mobilen Benutzer dar. Dabei
bieten sie fast den gleichen Funktionsumfang wie die entsprechenden Windows-basierenden Clients –
nur eben über das Web. Falls der Mitarbeiter hingegen mit dem Notebook oder PC im Home Office
arbeitet, kann er durchaus die Standard-Clients wie Microsoft Outlook oder Lotus Notes verwenden.
Der Zugriff erfolgt in diesem Fall beispielsweise über POP3 (Post Office Protocol) oder IMAP
(Internet Mail Access Protocol) sowie über VPNs beziehungsweise proprietäre Protokolle wie NRPC
(Notes Remote Procedure Calls). Die Verwendung von Microsoft Outlook über POP3 ist beispielsweise
unter dem Lastaspekt deutlich effizienter als der Webclient-Zugriff, wenn zunächst nur die
Kopfzeilen der Mails heruntergeladen werden.

Die entfallende Softwareverteilung kann auch generell zu der Überlegung führen, auf derartige
Clients umzustellen. Vor solchen Entscheidungen ist allerdings ein genauer Blick auf die
Funktionalität der Systeme einerseits und die Sicherheit andererseits erforderlich.

Domino Web Access

Das ursprünglich als Inotes vermarktete Produkt heißt seit längerem DWA (Domino Web Access). Es
ist seit dem ersten Release mehrfach überarbeitet worden und in den aktuellen Versionen 6.5.x
inzwischen sehr ausgereift. Dies beginnt bei der Unterstützung von Mozilla als Browser – neben dem
Microsoft Internet Explorer – und geht über die Unterstützung von Verschlüsselungsfunktionen bis
hin zur Offline-Speicherung von Daten. Für Letztere kommt DOLS (Domino Offline Services) zum
Einsatz: Diese Technik synchronisiert die für die Offline-Nutzung erforderlichen Daten mithilfe der
Domino-Replikationsmechanismen.

Im Client lassen sich Funktionen wie E-Mail, Kalender und Aufgabenlisten nutzen. Viele
Konfigurationsparameter können sowohl lokal als auch zentral vorgegeben werden. Die Lösung
unterstützt Regeln für die Verarbeitung von Mails ebenso wie beispielsweise standardmäßige
Haftungsausschlussformeln für ausgehende Mails.

Besonders hervorzuheben ist die Unterstützung von "Notes-verschlüsselter E-Mail" – also
Nachrichten, die mit den proprietären Mechanismen von Lotus Notes/Domino gesichert sind. Dies ist
für die Integration des Clients in Domino-Infrastrukturen von zentraler Bedeutung. Ab dem Release 7
soll die Lösung zusätzlich auch S/MIME (Secure/Multipurpose Internet Mail Extension)
unterstützen.

Domino Web Access zählt damit zu den Browser-basierenden Mail-Clients, deren Verwendung keine
signifikanten Einschränkungen für die Benutzer bedeutet. Es stellt eine ausgereifte Ergänzung zu
Lotus Notes dar für diejenigen Einsatzbereiche, in denen Notes nicht optimal geeignet ist.

Microsoft Outlook Web Access

Ähnlich ausgereift präsentiert sich auch Microsoft Outlook Web Access (OWA): Der Webclient des
Microsoft Exchange Servers orientiert sich schon beim Layout stark an Microsoft Outlook 2003 –
zumindest bei Nutzung der "Premium"-Variante. Letztere setzt allerdings den Internet Explorer 6
voraus.

Microsoft unterstützt in dieser Version bereits S/MIME. Erwähnenswert ist auch die
Authentifizierung über NTLM (NT/LAN Manager) an Exchange-Servern, die sich zumindest im lokalen
Netzwerk und bei RAS-Verbindungen (Remote Access Service) nutzen lässt. Weitere wichtige Fea- tures
sind die integrierte Rechtschreibprüfung, leistungsstarke Editierfunktionen und recht umfassende
Regeln bis hin zu automatischen Abwesenheitsbenachrichtigungen.

Dass Outlook Web Access alle Kernfunktionen wie E-Mail, Kalender oder "Aufgaben" unterstützt,
versteht sich fast von selbst. Installiert wird die Anwendung standardmäßig bei der Einrichtung des
Microsoft-ExchangeServers. Der Administrator kann die OWA-Komponente bei der Installation jedoch
auch abwählen, wenn sie nicht benötigt wird. Eine Einschränkung im Vergleich mit Domino Web Access
ist die fehlende Möglichkeit zur Offline-Speicherung von Daten – Outlook Web Access benötigt immer
eine Verbindung zum Exchange-Server.

Groupwise Web Access

Zum aktuellen Zeitpunkt fällt Groupwise Web Access im Vergleich mit den beiden anderen Produkten
noch etwas ab. Dies wird sich erst demnächst mit der neuen Version 7 ändern (siehe Kasten auf Seite
37). So fehlen bislang Funktionen wie die Listen mit Kontakten oder Notizen, wobei die
Basisfunktionen Mail, Kalender und Aufgabenmanagement schon jetzt realisiert sind. Das Management
von Kontakten lässt sich im Novell-Umfeld allerdings auch über andere Schnittstellen wie
beispielsweise Eguide realisieren.

Ein Vorteil von Groupwise Web Access ist die breite Unterstützung unterschiedlicher Browser bis
hin zu älteren Netscape-Versionen und die Einsatzmöglichkeit sowohl in Verbindung mit den Microsoft
IIS (Internet Information Server) als auch mit dem Apache-Webserver. Hier macht sich Novells
Strategie, heterogene Umgebungen auf breiter Basis zu unterstützen, bemerkbar.

Sicherheit bei webbasierenden Mail-Clients

Ein kritischer Punkt bei webbasierenden Mail-Clients ist die Sicherheit. Im Umfeld von Exchange,
Domino oder Groupwise relativiert sich allerdings ein wichtiger Aspekt: Diese Mail-Server sind
typischerweise direkt im Unternehmen installiert und nicht bei externen Providern, sodass die
Speicherung der Mails unter eigener Kontrolle erfolgt. Für die Verbindung zwischen Webclient und
Server kommt in der Regel SSL (Secure Socket Layer) zum Einsatz, sodass die Daten beim Zugriff via
HTTPS verschlüsselt sind. Außerdem existiert zumindest teilweise auch die Unterstützung für die
End-to-End-Verschlüsselung von Mails beispielsweise über S/MIME. Mit diesen Funktionen stellen die
Webclients keine unkalkulierbaren Sicherheitsrisiken mehr dar – auch wenn ein detaillierter Blick
auf die Fähigkeiten der einzelnen Produkte in jedem Fall empfehlenswert ist.


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