Die noch recht junge Gattung der Social Software kennt man heute vor allem als Privatanwender aus sozialen Netzen wie Facebook und Co. Doch auch in Unternehmen findet Social Software bereits Anwendung, zum Beispiel, um besser mit der Kunden- oder Partner-Community in Kontakt zu bleiben. Will ein Unternehmen die hausinterne Kommunikation mit Web-2.0-Technik "sozialisieren", stellt dies einige besondere Anforderungen an die Plattform.
Social Software bietet auf Web-2.0-Basis zahlreiche Werkzeuge der flexiblen, echtzeitnahen
Kommunikation, wie man sie aus Community-Plattformen wie Facebook, Xing oder Linkedin her kennt
(siehe dazu "Vom Web 2.0 zum Intranet 2.0" in LANline 09/2009, Seite 10–12). Zum
Social-Software-Instrumentarium zählen Blogs, Wikis, Chat, Instant Messaging und Microblogging (à
la Twitter), zudem Organisations-Tools wie Tagging (Verschlagwortung), Rating (Bewertung) und
Ranking (hierarchische Auflistung) von Beiträgen, RSS-Feeds und Gruppenbildung. Hinzu kommen
Orientierungshilfen wie Social Profiles (selbst definierte oder automatisch erstellte Profile von
Anwendern) oder Lokations- und Präsenzinformationen.
Der Unternehmenseinsatz unterteilt sich in Lösungen, die vorrangig auf interne
Benutzergruppen zielen, und solche, die den Dialog mit externen Communities optimieren sollen.
Letzteren Fall findet man oft für Marketing und Vertrieb implementiert, aber auch für Kundenbindung
oder Support. So konnte Cisco, wie eine Case Study des Analystenhauses Forrester beschrieb, für die
Consumer-Produkte seiner Linksys-Familie eine gut funktionierende Anwender-Community etablieren.
First-Level-Support-Fragen klärt der Anwender hier mittels Knowledge-Base oder per Chat in der
Community; Cisco spart sich so laut Forrester den First-Level-Support per EMail (eine Hotline gibt
es aber weiterhin).
Einige für den Aufbau großer Consumer-Communities wichtige Features – massive Skalierung oder
der Ausschluss von Spam-Robotern durch Captchas – spielen für den Unternehmenseinsatz keine Rolle.
Gefragt ist hier vielmehr möglichst umfassende Funktionalität rund um Aspekte wie Collaboration,
Wissens-Management und Prozessunterstützung.
Basisanforderungen
Die Kernanforderungen an Social Software betreffen die Aufbereitung von Informationen sowie
den Umgang mit Benutzern und Benutzergruppen. Die Aggregation von und gemeinschaftliche Arbeit mit
Informationen steht laut Nikos Drakos, Research Director bei Gartner, häufig im Mittelpunkt von
Social-Software-Projekten: "Deshalb beobachten wir, dass häufig ein Wiki einen zentralen Baustein
in solchen Projekten darstellt." Denn Wikis erfüllen als schnell editierbare Repositories für
Wissen inklusive Nachverfolgung von Änderungen und Verlinkungsmöglichkeit auf andere relevante
Inhalte ein Kernanforderung: "Social Software muss einfacher und bequemer zu bedienen sein als
EMail, um von den Anwendern akzeptiert zu werden", so Drakos im LANline-Interview.
Aus ähnlichen Gründen sind Blogs so beliebt: Sie bieten dem Anwender ein einfach zu
bedienendes Tool für das Self-Service-Publishing. Die automatische Ordnung der Beiträge – der
aktuellste Beitrag stets an oberster Stelle – ist zwar ein sehr schlichtes, aber für zahlreiche
Zwecke das bestmögliche Verfahren. Ebenso einfach wie das Posting neuer Inhalte ist es, Beiträge
mit Kommentaren zu versehen – oder aber die Kommentare selbst wieder zu kommentieren und so den
Dialog weiterzutreiben.
Eine dem Blog verwandte, aber stärker formalisierte Basis für den Dialog sind
Diskussionsforen, wie sie ebenfalls zum Standardrepertoire von Social-Software-Plattformen gehören.
Hier können die Anwender in einer mehr oder weniger strukturierten Umgebung Fragen stellen,
Antworten geben oder Themen und Sachverhalte diskutieren. Foren erlauben die Organisation von
Beiträgen in Themenbereichen und Threads sowie deren Moderation.
Neben Wikis, Blogs und Foren tritt als vierte inhaltsbezogene Kernanforderung das Information
Sharing: Anwender müssen Inhalte, Dokumente und bei Bedarf auch Bilder oder Multimedia-Dateien
hochladen, zweckmäßig zuordnen und gemeinsam nutzen können. Besonders bei internen Projekten ist
hier eine Verzahnung mit bestehender Kommunikationsinfrastruktur gefordert: "Leichter zu bedienen
als EMail" heißt nicht, gänzlich auf EMail zu verzichten; im Gegenteil kann die Option, Inhalte per
EMail zu importieren, Akzeptanzhürden abbauen helfen.
Firmeninterne Social Networks müssen zwar nicht so hoch skalieren können wie
Consumer-Communities, aber die Anforderungen an das Benutzer-Management sind dennoch ähnlich hoch:
Gefordert ist die umfassende Kontrolle des Account-Lifecycles und die granulare Rechtevergabe für
Teilnehmer und Management. Dazu muss die Plattform eine rollenbasierte Zugangskontrolle
ermöglichen: Den Anwendern müssen Rollen wie Community-Manager, Moderator oder Autor zuzuweisen
sein, was dann wiederum zur automatischen Vergabe von Rechten beim Login führt. Anwender mit
entsprechenden Rechten sollten zudem in der Lage sein, neue Gruppen – zum Beispiel Diskussions,
Projekt- oder Community-Gruppen – einzurichten, Teilnehmer einzuladen oder den Zugang zu Gruppen
anderweitig – etwa nach Zugehörigkeit zu einem Unternehmensbereich – zu limitieren.
Eine ebenso wichtige Funktionalität ist das User-Profile-Management: Anwender müssen eine
Beschreibung ihrer Person als Benutzerprofil hinterlegen können. Dies hilft zum Beispiel beim
Auffinden von Expertenwissen. Angaben zu eigenen Interessen – und das können je nach
Unternehmenskultur durchaus auch private sein – helfen, neue Anknüpfungspunkte zu schaffen.
Neben der eigenhändigen Informationsangabe sammeln Social-Software-Plattformen in teils
intensivem Maße automatisiert Daten über den Anwender aufgrund seines Benutzerverhaltens, seiner
Beziehungen in der Community und seiner Beiträge. Besonders für externe Consumer-Communities wird
dabei eine möglichst intensive Auswertbarkeit dieser Daten angestrebt (Social Analysis, Social
Intelligence). Im Unternehmen hingegen ist eine möglichst granulare Regelung und Beschränkung
solcher Auswertungen von Vorteil, will man sich nicht mit dem Betriebsrat und dem
Datenschutzbeauftragten anlegen. Vielmehr sollte man schon im Vorfeld eines solchen Projekts
Betriebsräte und Datenschützer mit einbeziehen, die Möglichkeiten wie auch Vor- und Nachteile der
Auswertbarkeit von Social-Software-Daten erörtern und die endgültige Vorgehensweise gemeinsam
definieren.
Anbieter aus verschiedenen Lagern
Hat man die grundlegenden Anforderungen geklärt, steht für die Produktauswahl eine große,
heterogene Anbieterschar bereit: So gibt es erstens Hersteller aus dem Collaboration-Markt,
darunter IBM mit Lotus und Microsoft mit Sharepoint (beide von Gartner im Magic Quadrant "Social
Software in the Workplace" vom Oktober 2009 als Leaders eingestuft) oder auch Novell (per
Sitescape-Akquisition von 2008); zweitens ECM-Anbieter (Enterprise-Content-Management) wie Open
Text mit seiner ECM-Suite und der jüngst akquirierten Lösung Vignette Collaboration sowie EMC mit
Centerstage; und drittens gibt es zahlreiche neuere Web-2.0-Anbieter, zum Beispiel Jive Software
(der dritte Leader in Gartners Magic Quadrant), zudem so unterschiedliche Player wie Atlassian,
Bluekiwi, Drupal, Google, Leverage Software, Mzinga, Siteforum, Socialtext oder Telligent.
IBMs kürzlich aktualisierte Lösung Lotus Connections 2.5 verbindet auf umfassende Weise
klassische Collaboration und Social Networking. IBMs Lotus-Truppe hat Microblogging ebenso
hinzugefügt wie Unterstützung für mobile Clients. Mitarbeiter können Wissen in Wikis
zusammentragen, im Diskussionsforum nach Threads gegliedert diskutieren und sich über Neues
benachrichtigen lassen. Dokumente können per Tagging organisiert, per Sharing zugänglich gemacht
und bewertet werden. Die Integration in andere Lotus-Lösungen umfasst laut IBM auch die
übergreifende Suche.
Gartner stuft auch Microsoft als Leader ein, da der Sharepoint Server in zahlreichen
Unternehmen als Dreh- und Angelpunkt der Zusammenarbeit diene und Sharepoint inzwischen um
zahlreiche grundlegende Social-Software-Funktionen erweitert sei: Sharepoint bietet neben Blogs,
Wikis und Diskussionsgruppen auch Podcasting, eine Personensuche auf der Basis von
Social-Network-Analyse sowie Portal- und Workflow-Funktionalität. Die Integration in Redmonds
allgegenwärtige Office-Produkte sei eng, zudem bestehe steigende Nachfrage nach Personalisierung
der Arbeitsumgebung per "My Sites"-Funktionalität von Sharepoint 2007. Konkurrent Novell wiederum
bietet mit Groupwise 8.0 ebenfalls eine Kiste voller Web-2.0-Werkzeuge für Team-Collaboration,
Dokumenten-Sharing, individuelle Dashboards, RSS-Feeds und Diskussionsforen – dies alles für
Windows, Web- und Linux-Clients.
Die Wurzeln von Open Texts ECM-Suite liegen im strukturierten Content-Management, aber auch
Blogs, Tags und Social Search umfasst die Lösung heute. Ende Oktober, drei Monate nach der
Vignette-Übernahme, präsentierte der kanadische Konzern die Software Vignette Portal 8.0, das für
das erste Quartal 2010 angekündigte Vignette Community Applications soll dann bereits in das
Content-Management von Open Text integriert sein. Open Text Social Media (OTSM) ist das Pendant für
den Einsatz "out of the box" und bringt umfassende Social-Software-Funktionen mit. Open Text Social
Media 1.1 soll noch im ersten Halbjahr folgen und Instant Messaging ebenso wie Microblogging
mitbringen. Konkurrent EMC hat im November mit Centerstage Essentials eine Web-2.0-Lösung für
Content-Management, Document-Sharing und Team-Zusammenarbeit vorgestellt. My Documentum soll mit
Sharepoint-Integration punkten.
Spezialisten für Social Networking
Den Referenzwert für Social Software setzt Jive mit der kürzlich in Version 4.0 vorgestellten
Social Business Software. SBS bietet eine sehr umfassende Funktionalität für interne und externe
Communities, zudem gibt es Module für die Integration in Sharepoint und Microsoft Office, für die
Kopplung interner und öffentlicher Communities sowie für die Anbindung von Iphone und Blackberry.
Mit Version 4.0, verfügbar seit Ende Oktober, kann der Anwender selbst Zugriffsrechte auf
Dokumentenebene vergeben, zu privaten Diskussionsgruppen einladen, Widgets vor dem Einbinden ins
Dashboard im Preview-Modus betrachten und sich seine Community-Präsenz (Avatar) selbst erstellen
oder aus einer Bildergalerie aussuchen. SBS 4.0 bietet nun eine mehrsprachige Suche und verbesserte
Activity-Streams mit Content-Statistiken und -Snapshots.
Wie Jive, so ist auch Leverage Software im Markt für interne und externe Communities
vertreten. Leverage bietet ausgereifte Social-Software-Funktionalität mit Cross-Media-Einsatz von
Inhalten, Social-Intelligence-Werkzeugen, Social Search und Social-Network-Visualisierung. Die im
Sommer vorgestellte Enterprise-Lösung Leverage 7.0 verbindet Profilabgleiche mit Geografiedaten und
erleichtert damit zum Beispiel die Expertensuche. Leverage bietet seine Lösung ausschließlich im
SaaS-Modell (Software as a Service) an und verspricht eine einfache Integration in Sharepoint,
HR-Lösungen, Intranets und Salesforce.com. Konkurrent Telligent führt ebenfalls Lösungen für beide
Einsatzfelder (mit Telligent Community und Telligent Enterprise) sowie Analysewerkzeuge, die als
Telligent Analysis separat vermarktet werden. Telligent Enterprise liegt in Version 2.0 vor und
bietet EMail, Sharepoint- sowie LDAP- und Active-Directory-Integration.
Google arbeitet weiter eifrig daran, Microsoft als omnipräsente Software-Plattform abzulösen,
unter anderem mit den Google Apps Premier Edition (GAPE) für Team-Collaboration und
Document-Sharing sowie mit der Social-Collaboration-Plattform Wave (derzeit Technical Preview). So
allgegenwärtig Google heute nicht nur durch seine Suchmaschine bei der Anwenderschaft ist,
konstatiert Gartner dennoch im Magic Quadrant lapidar: "Google muss mehr tun, um
Enterprise-Anforderungen zu genügen."
Einen interessanten Sonderfall stellt Site-forum dar – nicht nur weil das Unternehmen mit
Sitz in Erfurt ein deutscher Anbieter ist: Siteforum zielt mit seinem Fokus auf Social CRM zwar
vorrangig auf externe Communities, bringt aber dennoch auch für den internen Einsatz ein
umfangreiches Feature-Set mit. Die hochgradig modular aufgebaute Suite der Erfurter umfasst
Bausteine für Web-Content-Management, Zugriffssteuerung, Personalisierung, CRM und Web-Shop,
Helpdesk und Vertrags-Management bis hin zum Social Networking für Mitarbeiter und Kunden. Die
Lösung auf Java-Basis bietet Logging und Analyse, eine Web-Services-API und Anbindung an Exchange
und Lotus Notes sowie Reports mit laut Hersteller über 50 auswertbaren Parametern.
Socialtext ist ein Social-Software-Pionier mit breitem Funktionsspektrum von Activity Streams
über Dashboard-Ansichten und Microblogging bis hin zu Wiki-basierter Tabellenkalkulation. Drupal
wiederum ist ein Open-Source-Projekt, dessen Content-Management-System, derzeit aktuell in Version
6.14, nicht zuletzt dank zahlreicher verfügbarer Plug-ins auch umfangreiche
Community-Funktionalität bietet. Der kleine Anbieter Mzinga ist eher auf externe Communities
ausgerichtet, bietet mit Omnisocial aber auch eine Lösung für Weiterbildung im Unternehmen und kann
deshalb für HR-Projekte das Mittel der Wahl darstellen.
Der australische Spezialist Atlassian bietet mit Confluence Wiki-basierte Collaboration, in
der aktuellen Version 3.0 ergänzt um Funktionen wie Macro-Einbindung, Status-Updates und Activity
Streams. Der französische Anbieter Bluekiwi liefert mit Social Business Hub Fall 09 Features für
Management und Analyse mehrerer Communities, eine virtuelle -Assistentin namens Alice sowie
Prozesse für die Ideen-findung.
Ausblick
Social Software hat das Potenzial, die Zusammenarbeit im Unternehmen sowie die Kontaktpflege
mit Partnern und Kunden auf eine neue, besser bedienbare und damit nützlichere Basis zu stellen. "
Social Software unterstützt die Transformation von Communities und öffnet diese für Innovation, bis
hin zum Crowdsourcing", so Gartner-Analyst Nikos Drakos. Am besten eigne sich Social Software für
Unternehmen mit intensiver Wissensarbeit und/oder rasch wechselnder Teambildung.
Generell, so Drakos, haben Wikis das Potenzial, die Office-Umgebung der Zukunft zu werden, da
sie die Zusammenarbeit und das Knowledge-Management stark erleichtern. Projekte kommen laut Drakos
sowohl aus der IT, wenn es etwa um die gemeinsame Dokumentation geht, wie auch aus Fachabteilungen,
zum Beispiel dem Personalwesen mit Fokus auf Trainings oder das Einarbeiten neuer Mitarbeiter. Als
übergreifende Projekte böten sich Portale, Collaboration und Wissens-Management an.
Die Crux bei Social Software: Ihr Erfolg hängt stark von der freiwilligen Teilnahme und der
Motivation der Mitarbeiter ab – dies trifft auf gemeinnützige Community-Projekte wie Wikipedia
ebenso zu wie auf Unternehmensnetze. Da ein Unternehmen Motivation nicht erzwingen oder per
Richtlinie vorschreiben kann, macht die Teilhabe an der Community dem Mitarbeiter bestenfalls
einfach Spaß (Communitainment). "Social Networks müssen so designt sein, dass die zur Mitarbeit
motivieren", mahnt Drakos. Als wesentlichen Anreiz nennt er Reziprozität, also den gegenseitigen
Nutzen: Der Anwender muss durch seine Mitarbeit direkt profitieren- sei es durch namentliche
Hervorhebung, soziale Anerkennung per hohem Status im Rating-System der Social-Plattform oder
direkt durch Bonus-Zuteilung. Um diese Mechanismen der Reziprozität in Gang zu setzen, müsse ein
Unternehmen oft erst einmal in Vorleistung gehen. Wenn eine Community funktioniert, entwickelt sie
eine Eigendynamik.