Es vergeht kaum ein Tag, ohne dass ein Carrier oder Service-Provider ein neues Cloud-Computing-Angebot vorstellt. Diese Angebote umfassen Leistungen wie Infrastruktur, Plattformen oder Software "as a Service" (IaaS, PaaS, SaaS). Bislang bestehen bei Clouds aber noch Bedenken bezüglich Sicherheit und Hochverfügbarkeit.
Ist IaaS einfach Outsourcing, PaaS einfach dediziertes Hosting und SaaS einfach ein Application-Service-Provider im neuen Gewand? Klare Antwort, wie so oft in der IT: jein. Die Spielarten des Cloud-Computings bauen natürlich auf bewährten Outsourcing- und Managed-Service-Modellen auf, treiben sie aber technisch ein gutes Stück weiter.
Eine waschechte Cloud-Lösung umfasst ein Web-basiertes Self-Service-Portal, nutzt eine Virtualisierungsinfrastruktur mit voll automatisiertem Provisioning, bietet echtzeitnahes Monitoring und Management sowie Mandantenfähigkeit, erlaubt in manchen Varianten individuelle Anpassungen und liefert - ein wichtiger Fortschritt - nutzungsabhängige Abrechnung (Pay-per-Use Billing). Keiner dieser Aspekte ist für sich genommen neu; im Zusammenspiel jedoch ergeben sie eine flexibel nutzbare, netzbasierte (also in der WAN-"Wolke" gehostete) Infrastruktur. Clouds bringen das schon längst versprochene Utility Computing - also Rechenleistung "aus der Steckdose" - wieder einen großen Schritt näher. "Eine Cloud-Computing-Plattform ist eine fortschrittliche Implementierung von Automation - eine, die ein gutes Stück über das Automationsniveau hinausgeht, das Unternehmen heute einsetzen", so James Staten, Analyst bei Forrester.
Motoren dieser Reise in die Wolken sind erstens die großen IT-Ausrüster mit ihren angeschlossenen Service-Organisationen, darunter IBM, HP und Siemens IT Solution and Services, zweitens die etablierten Carrier und Service-Provider sowie drittens auf Clouds spezialisierte Player wie Amazon, Google oder Rackspace.
IBM und HP mussten auf Ciscos Vorstellung des Unified Computing Systems (
www.lanline.de/kn31880786) reagieren. Nachdem IBM schon 2008 das "Projekt Blue Cloud" ins Leben gerufen hatte, um mit Clouds Erfahrungen zu sammeln, hat man Mitte Juni mehrere Angebote offiziell vorgestellt. "Es bereitet vielen Unternehmen Probleme, die Vorteile öffentlicher Cloud-Computing-Services wie Amazon Web Services oder sogar die Rackspace Cloud (vormals Mosso) zu nutzen, da deren öffentliche Shared-Struktur Sicherheitsbedenken hervorruft - ob begründet oder nicht", so Staten von Forrester. Diesen Unternehmen biete IBMs Lösungsportfolio mit internen und gehosteten Clouds die Option einer "privateren" Implementierung.
IBM tritt im Cloud-Markt mit mehreren "Smart Business"-Angeboten an: Zunächst offeriert der IT-Gigant standardisierte Services auf der Basis einer selbst gehosteten Cloud-Infrastruktur. Dazu zählen IaaS, Hosted Virtual Desktops as a Service sowie Lotus Live, die Lotus-Suite im SaaS-Modell. Für sicherheitsbewusstere Unternehmen bietet Big Blue zudem interne Cloud-Lösungen: Dabei setzt IBM beim Kunden vor Ort eine Cloud-Infrastruktur auf und konfiguriert sie nach Maß. Dazu gesellen sich Cloud-in-a-Box-Angebote: Cloudburst ist eine integrierte IaaS-Lösung, bei der alle Komponenten von der Server- und Storage-Hardware über die Virtualisierungsplattform (VMware), die Verwaltungssoftware (IBM Service Management System als, so Big Blue, "Flugsicherungskontrollsystem") bis zum Self-Service-Portal (Tivoli Service Automation Manager) aufeinander abgestimmt und vorab getestet sind. Ein Einsatzfall sind schnell aufsetzbare Kapazitäten für Tests. Forrester-Analyst Staten bemängelt, dass bislang die Messung der Ressourcennutzung sowie Billing-Funktionalität fehlt. Diese habe IBM zwar für Oktober in Aussicht gestellt, doch auch die im Namen "Cloudburst" versprochene Burst-Funktionalität stehe noch aus, moniert Staten.
"Cloud Bursting" nennt man Verfahren, um beim Erreichen des Kapazitätslimits einer internen Cloud automatisch externe Ressourcen zuzuschalten. Bezöge man diese Zusatzressourcen aus einer öffentlichen (Public Shared) Cloud, dann wäre die Pointe einer internen Cloud im Burst-Fall ruiniert. Laut Staten arbeitet IBM hier an einer Lösung, die das Sicherheitsniveau auch in Burst-Szenarien aufrechterhalten soll. Eine ähnliche Problematik gibt sich beim Modell der "Overflow Cloud", also der Nutzung externer Cloud-Services als Skalierungsmechanismus für eine wie auch immer geartete interne IT-Landschaft.
HP bietet seit April mit Cloud Assure Software und Services für den sicheren Cloud-Betrieb (für IaaS, PaaS und SaaS). Das Angebot besteht aus den Modulen Application Security Center, Performance Center und Business Availability Center. Expertenteams führen dabei Sicherheits- und Performance-Tests durch und kontrollieren die Service-Verfügbarkeit.
"Unternehmen sollten die Vorteile von Cloud Computing genauso gut kennen wie die Risiken", so Frank Gens, Senior Vice President und Chief Analyst bei IDC. "IDC sieht als die drei kritischsten Faktoren bei Cloud Computing für Unternehmen: Sicherheit, Performance und Verfügbarkeit - HPs neues Angebot zielt darauf ab, genau diese Punkte zu berücksichtigen." Für hohe Ansprüche an die Ausfallsicherheit bietet HP eine "Mission Critical Partnership".
HPs Konkurrenzangebot zu Cloudburst, vorgestellt im April dieses Jahres, nennt sich Blade System Matrix. Die Lösung basiert auf einem Blade-System-c7000-Chassis und HP-Proliant-Blades und verwendet ebenfalls VMwares Virtualisierungsplattform. Für die Verwaltung kommen Insight Orchestration (vormals Opsware) sowie Virtual Connect Enterprise Manager zum Einsatz. Rund um den Inhouse-Cloud-Betrieb bietet HP Technik- und Finanzierungsdienste an.
Die Cloud-Computing-Dienstleistungen von Siemens IT Solutions and Services (SIS) decken ebenfalls alle drei "aaS"-Spielarten ab. "IaaS ermöglicht dank höherer Automatisierung deutlich kürzere Einsatzzyklen des IT-Equipments", so Peter Arbitter, Chief Technology Officer bei SIS, gegenüber LANline. Damit erhalte die IT "nach oben und unten Raum zum Atmen". SIS zielt mit seinen Cloud-Angeboten nicht auf ein B2C-Portal (Business-to-Consumer) wie Amazons EC2 (Elastic Compute Cloud), so Arbitter, sondern auf Outsourcing- und Individualprojekte. Schließlich liegt die Kompetenz des Unternehmens in der Beratungskompetenz für Systemintegration und im Branchen-Know-how. Als großen Vorteil von SIS sieht Arbitter die Neutralität dieser Leistungen, da SIS anders als mancher Mitbewerber kein eigenes Cloud-Equipment zu vermarkten habe.
Zu Cloud-Vorreitern wie Google (mit Google App Engine), Amazon (mit EC2), Microsoft (mit Azure) und Rackspace (mit Mosso, jetzt The Rackspace Cloud) gesellen sich dieser Tage immer mehr etablierte Carrier und Service-Provider, die nun in das vielversprechende Geschäft einsteigen. So haben in den letzten Wochen Verizon Business, BT und Colt eigene Angebote vorgestellt. Um die Carrier-Kundschaft konkurriert derzeit vor allem Virtualisierungsspezialist Citrix (mit C3) heftig mit Marktführer VMware (mit Vcloud).
Die von Verizon Anfang Juni vorgestellte, laut eigenen Angaben "branchenweit umfassendste" CaaS-Lösung (Computing as a Service) zielt auf mittlere und große Unternehmen in den USA und Europa, die für einen frei definierbaren Zeitraum individuell abgestimmte Ressourcen beziehen wollen. Anwender haben über das öffentliche IP- oder Verizons MPLS-Netz Echtzeitzugriff auf das Self-Service-Portal "Enterprise Center", über das sie physische und virtuelle Server, Storage, Netzwerkgeräte sowie Backup-Services dynamisch bereitstellen und managen können. Ein mehrstufiger Security-Ansatz sorge für Sicherheit, verspricht der Netzbetreiber.
BT Virtual Data Centre (VDC) soll laut BT "in den kommenden Monaten starten". VDC werde in RZs gleich mehrerer Länder in der EMEA-Region eingeführt. Wie Verizon, so will auch BT Ressourcen, die der Anwender über ein Web-Portal in Echtzeit nach Bedarf koordiniert, automatisch provisioniert und ändert, mit Sicherheitsdiensten kombinieren. Neben dieser IaaS-Lösung will BT dieses Jahr diverse weitere SaaS-Angebote lancieren oder ausbauen, darunter das UCC-Angebot (Unified Communcations and Collaboration) BT Unite, für das der Carrier Elemente von Cisco, Microsoft und IBM zu einer integrierten Lösung kombiniert.
Colt Telecom wiederum hat die Erweiterung seines Managed-Services-Portfolios um die "Enterprise Cloud Platform" angekündigt. Diese besteht aus einer Reihe von Diensten, die der Provider im Laufe des Jahres einführen will. Den Anfang macht Colt Managed Workspace für den On-Demand-Fernzugriff auf Desktop-Applikationen wie Office, Sharepoint, Visio, Project, Messaging und Blackberry.
Cloud Computing gewinnt also deutlich an Fahrt, weitere Service-Provider werden auf den Zug aufspringen. Datenschützer und Security-Experten können dabei nur hoffen, dass der große Durchbruch von Cloud Computing nicht allzu viele "Wolkenbrüche" hervorruft.