Neue Zugangstechniken wie VDSL und Dienste wie Internettelefonie oder IPTV stellen existierende Netzwerklösungen vor große Herausforderungen. Die bestehende Infrastruktur - meistens PDH- und SDH-Systeme - bietet zwar per Definition Carrier-Class-Dienstgüte. Andererseits drängt die kostengünstigere Ethernet-Technik immer weiter in den Bereich der Telekommunikation vor. Der Beitrag beschreibt, wie sich Ethernet und SDH-basierende optische Netzwerke kombinieren lassen und dabei auch Quality of Service für Triple-Play-Anwendungen realisierbar ist.
Die dramatischen Veränderungen in der Internetzugangstechnik, in den Diensten und im
Benutzerverhalten, hatten in den letzten Jahren deutliche Auswirkungen auf die
Telekommunikationsnetze. Für eine höhere Leistungsfähigkeit stehen in den Zugangsnetzwerken heute
neue Konzepte zur Verfügung: Diese sind üblicherweise unter dem Begriff "Next Generation SDH/Sonet"
(SDH: Synchronous Digital Hierarchy, Sonet: Synchronous Optical Network) zusammengefasst. Das
Zusammenspiel von GFP (Generic Framing Procedure), VCAT (Virtual Concatenation) und LCAS (Link
Capacity Adjustment Scheme) ermöglicht dabei verschiedenen Anwenderschnittstellen (zum Beispiel PDH
– Plesiochronous Digital Hierarchy – oder Ethernet), eine bestmögliche Ausnutzung der verfügbaren
Bandbreite ohne Qualitätsabstriche sowie eine flexible Nutzung vorhandener Netzwerkressourcen.
GFP (ITU-T-Standard G.7041) wandelt ein Anwendersignal – zum Beispiel 10-MBit/s-Ethernet – von
einer variablen Datenrate ("bursty") von bis zu 10 MBit/s in ein Signal mit konstanter Bitrate
(Constant Bit Rate – CBR) von 10 MBit/s um. Damit ist der Übergang zu einem konstanten synchronen
Datenstrom, wie er für die weitere Verarbeitung in Telekommunikationssystemen erforderlich ist,
geschaffen (Bild 1). Das GFP-Protokoll verpackt hierbei empfangene, nicht "TDM-kompatible" Daten
wie Ethernet, Fibre Channel, Escon, etc.) in kompatible GFP-Rahmen. Die möglicherweise entstehenden
Lücken beim Wandeln der stoßweise empfangenen Ethernet-Pakete füllen "Idle Frames" auf.
SDH/Sonet basiert auf einer festen synchronen Hierarchie von Signalströmen, die sich durch
Multiplexen zu immer höheren Datenraten aggregieren lassen. Dabei werden Daten in virtuelle
Container (VC) fester Größe gepackt. Meist kommen VC-12- (2,24 MBit/s) und VC-3-Container (48,96
MBit/s) zum Einsatz. Zur Übertragung eines 10-MBit/s-Ethernet-Signals war dieses bei "alten"
SDH-Systemen in einen VC-3-Container verpackt. Damit blieben 80 Prozent der verfügbaren Bandbreite
eines VC-3-Containers durch das Mapping ungenutzt. Diese Verschwendung verhindert die Einführung
von VCAT (ITU-T-Standard G.707 2000). Die virtuelle Verknüpfung gleicher Container führt zu einer
feineren Granularität der SDH-Struktur: So lässt sich ein 10-MBit/s-Ethernet-Signal in fünf
VC-12-Container packen und die Effizienz des Mappings von 20 auf 90 Prozent steigern. Ein weiterer
Vorteil ergibt sich aus der Eigenschaft, dass die fünf entstehenden Container über verschiedene
Kanäle laufen können. Damit lassen sie sich mit anderen Datenströmen in einem
Telekommunikationsnetzwerk besser verbinden, und auch kleinere noch verfügbare Kapazitäten in einem
Kanal nutzen (Bild 2).
Die neuen Funktionen von SDH-Systemen rundet das Link Capacity Adjustment Scheme (LCAS,
ITU-T-Standard G.7042) ab. Alle bisher vorgestellten Optimierungen waren statisch: Eine einmal
eingestellte Konfiguration lässt sich nur unter kurzzeitigem Verlust von Daten ändern. Wer
beispielsweise die Verteilung der fünf VC-12-Container auf die beiden physikalischen Verbindungen
wechseln will, muss dazu den Cross Connect ändern und verliert in dieser Zeit alle Daten in den
entsprechenden Kanälen. LCAS erlaubt einen solchen Tausch ohne Datenverlust. Das damit verbundene
Protokoll erkennt Änderungen in der verfügbaren Bandbreite – zum Beispiel Abschalten von zwei
VC-12-Containern im oberen Kanal in Bild 1 – und "informiert" VCAT darüber. Dieses wiederum wird
über die GFP-Funktion die einkommenden Ethernet-Daten auf 6 MBit/s limitieren, bis die volle
Bandbreite wieder zur Verfügung steht.
Die beschriebenen Techniken haben die Effizienz bestehender Netze gesteigert und damit auch die
Kosten reduziert. Dabei ist zu beachten, dass keine dieser Maßnahmen die Qualität der
Datenübertragung reduziert. Die vor Verbindungsaufbau zugesagte Datenrate bleibt permanent
zugesichert. Es gehen keine Daten verloren, kein Datenstrom kann einen anderen blockieren. Kurz
gesagt: Die Carrier-Grade-Dienstequalität bleibt gesichert. Diese garantierte Verfügbarkeit ist vor
allem für Firmenkunden, aber auch für Dienste wie Notrufe unerlässlich. Aus Kostengründen ist es
jedoch nicht sinnvoll, diese Qualität für alle Dienste bereitzuhalten.
Durch die flächendeckende Verfügbarkeit von schnellen DSL-Verbindungen steigt vor allem die
physikalische Bandbreite zum Endanwender. Diese ermöglicht neue Dienste wie Video on Demand und
IPTV. Bild 3 zeigt die grobe Struktur heutiger Zugriffsnetzwerke. Mehrere Endanwender sind über
schnelle DSL-Verbindungen an einen DSL-Add/Drop-Multiplexer angeschlossen (DSLAM – DSL Access
Multiplexer). Hier werden die Daten der Benutzer zusammengefasst und per Ethernet gebündelt an eine
"Multi-Service Provisioning Platform" (MSPP) weitergeleitet. Dort erfolgen die bereits
beschriebenen Schritte (GFP, VCAT und LCAS) beim Übergang zum optischen Metronetzwerk.
Der entscheidende Punkt in der gezeigten Architektur ist, dass über das gleiche physikalische
Medium – in diesem Fall DSL vom Endanwender zum DSLAM beziehungsweise Ethernet vom DSLAM zum
Metronetzwerk – sehr verschiedene Dienste laufen: Ein einziger Ethernet-Strom beinhaltet derart
unterschiedliche Daten wie Internettelefonie und E-Mail. Da das Mapping von Ethernet nach SDH
transparent erfolgt, also keine eingehenden Daten ausgewertet oder verändert werden dürfen, ist es
mit diesen Methoden nicht möglich, etwa zwischen einer E-Mail und einem Telefonat zu unterscheiden.
Dies ist auch nicht nötig, da der Betreiber als "goldene" Prämisse immer die zugesicherte, sprich
maximal erforderliche Bandbreite, permanent bereithält. Wollte man allerdings für jeden Endanwender
für alle möglichen Dienste, die maximale Bandbreite permanent zur Verfügung stellen, würden die
Anforderungen an das Netzwerk explodieren: Für eine 8-MBit/s-DSL-Verbindung wären ein permanenter
8-MBit/s-Kanal zum Internetservice-Provider, für E-Mails und Webbrowsing ein 64-kBit/s-Kanal zum
Telefonservice-Provider, ferner ein 8-MBit/s-Kanal zum IPTV-Provider etc. zu schalten.
Die Lösung dieses Problems liegt auf der Ethernet-Ebene. Nur hier ist noch zwischen
verschiedenen Diensten zu unterscheiden. Ein einfacher Ansatz war in der Vergangenheit die feste
Zuweisung einer speziellen Bandbreite für kritische Dienste direkt beim Endanwender. So ist in
vielen VoIP-Telefonanlagen ein fester Teil der Ethernet-Kapazität für VoIP reserviert: Damit lässt
sich die entsprechende Qualität erzielen. Eine eingehende E-Mail kann die Telefonverbindung nicht
stören, der Anwender verliert aber auch die Flexibilität, bei großen Downloads die maximale
Datenrate zu erreichen. Diese Funktion ist meist im Ethernet-Switch auf der Anwenderseite – vor
allem bei Geschäftskunden – implementiert. Bei Anwendungen wie IPTV ist diese Methode allerdings
nicht mehr möglich: Eine feste Allokation von mehreren MBit/s für eine Anwendung wäre nicht
hinnehmbar. Die einzig akzeptable Lösung bietet die Prioritätsauswahl basierend auf speziellen
Ethernet-Tags – IEEE hat diese Methode im Standard 802.1Q festgelegt.
Die Idee hierbei ist, durch ein zusätzliches VLAN-Tag zwischen Diensten zu unterscheiden. Der
entstehende Ethernet-Rahmen ist in Bild 4 dargestellt. Zusätzlich zu den bestehenden Feldern "
Destination MAC Address" (DA) und "Source MAC Address" (SA) wird noch ein VLAN-Tag, bestehend aus
dem "Tag Protocol Identifier" (TPID), einer 3-Bit-Benutzerpriorität, sowie einer 12-Bit-VLAN-ID
(VID) hinzugefügt. Hiermit lassen sich nun 4094 verschiedenen VLANs beziehungsweise Dienste
unterscheiden.
Heutige Ethernet-Switch-Bausteine können Daten abhängig von VLAN-Tags mit verschiedenen
Prioritäten behandeln. Abhängig von der zugewiesenen Priorität und der verfügbaren Bandbreite im
Netzwerk werden eingehende Daten in drei Gruppen klassifiziert: "Rot", "Gelb" und "Grün". Daten der
Klasse Grün erhalten die höchste Priorität – zum Beispiel Telefondaten, da hier auch kleine
Verzögerungen leicht hörbar sind. Daten der Klasse Gelb werden möglicherweise kurz gepuffert, bevor
sie zur Übertragung kommen: Ein Beispiel ist IPTV, da hier eine leichte Verzögerung nicht stört,
solange keine Information verloren geht. Daten der Klasse Rot kann das System bei Bedarf sofort
verwerfen: Dies sind in Überlastsituationen zum Beispiel E-Mail- und HTTP-Daten. Ein Verlust ist
hier akzeptabel, da die höheren Übertragungsprotokolle wie TCP/IP einen erneuten Versand
sicherstellen.
Durch den Einsatz von VLAN-Tags ist diese Klassifizierung und Prioritätsentscheidung an jedem
Punkt des Netzwerks auf der Ethernet-Ebene realisierbar – somit auch in einer "Multi-Service
Provisioning Platform" (MSPP). Hier lässt sich nun auch zwischen den Diensten verschiedener
Anwender unterscheiden. Damit kann der Betreiber zum Beispiel den Daten eines Firmenkunden, der
eine zugesicherte Qualität verlangt und auch bezahlt, eine höhere Priorität einräumen als einem
Privatanwender mit einer Standard-DSL-Anbindung. In Zeiten niedrigerer Anforderungen durch
Firmenkunden – zum Beispiel abends – kann die freigewordene Bandbreite den Privatanwendern zugute
kommen.
Damit ergibt sich als ideale Architektur einer MSPP, als Schnittstelle zum Metro- und
Kernnetzwerk, ein System wie es Bild 5 zeigt. Anwenderseitig stehen verschiedene Schnittstellen
(Dienste) zur Verfügung. Sie ermöglichen parallel die Anbindung von DSLAMs über Ethernet oder E1
(PDH), von Mobilfunk-Basisstationen über E1 beziehungsweise Ethernet bei neueren Varianten sowie
von Firmenkunden über Ethernet, Fibre Channel oder E1-Verbindungen. Durch die integrierte
Funktionalität zur Implementierung verschiedener Prioritäten lassen sich auch über die
Ethernet-Schnittstelle Carrier-Class-Dienste anbieten. Damit stellt eine solche Plattform die Basis
dar für den einfachen Übergang von älteren Techniken (wie Standleitungen mittels E1) zu
kostengünstigen Ethernet-Lösungen – ohne dabei Qualitätsverluste zu erleiden.