Funk-LANs erreichen die Unternehmen

Drahtlose Infrastruktur in Sicht

9. April 2006, 23:25 Uhr | Stefan Mutschler/pf

Wireless LANs haben ein technisches Niveau erreicht, auf dem sie nun auch in Unternehmen ihre Stärken voll ausspielen können. Nach wie vor sind zwar nicht alle Probleme gelöst, aber der Schwung, den der Markt inzwischen erreicht hat, sorgt dafür, dass noch fehlende Puzzlesteine auf dem Weg zu einer drahtlosen Infrastruktur wie höhere Geschwindigkeit (802.11n) oder Protokolle für vermaschte WLANs (802.11s) rasch entwickelt und standardisiert werden.

Ein dreistelliges prozentuales Marktwachstum ist etwas, wovon viele Zweige der IT heute nur noch
träumen können. Der Markt für WLAN-Ausrüstung wächst jedoch tatsächlich in diesen Dimensionen,
zumindest was die Infrastruktur betrifft. Aktuelle IDC-Zahlen von 2006 zeigen, dass der
westeuropäische WLAN-Infrastrukturmarkt 2005 ein Volumen von 10,71 Milliarden Dollar erreicht hat –
das Wachstum gegenüber 2004 liegt bei 118,6 Prozent. Das Gros machen mit 9,36 Milliarden Dollar die
Wireless Router und Gateways aus, Indoor-Antennen schlagen mit 1,21 Milliarden, Gebäudeverbindungen
lediglich mit acht Millionen Dollar zu Buche. Bis 2010 soll das Marktvolumen nach den Prognosen von
IDC auf über 30 Milliarden Dollar wachsen – die Wachstumsraten sollen sich bis dahin mit 7,6
Prozent allerdings auf IT-übliche Größenordnungen einpendeln.

Nicht ganz so berauschend sind die Zahlen für WLAN-Clients und Access Points. Deren Umsätze
summierten sich im westeuropäischen Markt 2005 auf 1,93 Milliarden Dollar, bei einer Wachstumsrate
von gut 50 Prozent. Im Jahr 2010 erwarten die Marktforscher mit 2,2 Milliarden Dollar nicht
wesentlich mehr – dieser Markt soll bis dahin sogar mit 2,3 Prozent Rückgang leicht schrumpfen. In
diesem Segment dominiert derzeit mit 1,43 Milliarden Dollar noch der Home-Bereich, im Jahr 2010
soll jedoch mit 1,39 Milliarden Dollar klar der Enterprise-Markt die Führung übernehmen. Der
Infrastrukturbereich wird ohnehin dem Business-Sektor zugerechnet. Die Top- Five-Player in
Westeuropa sind laut IDC Zyxel, Netgear, Cisco, Linksys und D-Link.

802.11: offene Baustelle

In der Entwicklung der WLANs gibt es keine Pause. Ein Blick auf die Aktivitäten des
IEEE-Konsortiums zeigt, welche Fortschritte in Zukunft zu erwarten sind. Mit am spannendsten
dürften die Projekte der 802.11-Arbeitgruppen

11k (Messung der Radioressourcen),

11n (höhere Geschwindigkeiten/größere Reichweiten),

11r (Fast Roaming),

11s (Mesh Networking) und

11v (Wireless Netzwerkmanagement)

sein. Damit wird klar, wohin die Reise geht: die Fähigkeiten zur Konvergenz von Daten- und
Echtzeitanwendungen stärken, Architekturoptionen erweitern und die Verwaltung gemäß den praktischen
Anforderungen standardisieren. Fast Roaming beispielsweise, also die schnelle Übergabe einer
WLAN-Session von einem Access Point (AP) an den nächsten, ist spätestens durch die Einführung der
Sicherheitsfunktionen von 802.11i notwendig geworden. Diese benötigen umfangreiche Prozeduren für
die Weitergabe beziehungsweise den Neuaufbau der Sicherheit über die Luft wie etwa erneute
Authentisierung und Schlüsselgenerierung. Insbesondere bei Sprachverbindungen über das WLAN ergeben
sich damit erhebliche Probleme in Form von längeren Pausen beziehungsweise Abbrüchen. Spezielle
Protokollerweiterungen sollten nun den beschleunigten Aufbau und die Weitergabe der
Sicherheitsbeziehung zum nächsten AP erlauben.

Auch 802.11k zielt auf die Konvergenz: Garantierte Servicequalität braucht wirksame Kontrolle
der Funkressourcen. Dafür definiert 11k noch einmal zwei Funktionen, die bereits im h-Standard
beschrieben sind. 802.11h ist die europäische Variante von 11a, also 54 MBit/s-WLAN im
5-GHz-Frequenzband. In den beispielsweise in den USA zugelassenen a-Netzen fehlen diese Funktionen.
Die Rede ist von TPC (Transmission Power Control) und DFS (Dynamic Frequency Selection). Darüber
hinaus legt 11k eine Reihe von Messprozeduren für das Funkmodul fest (unter anderem Beacon Report,
Frame Report, Channel Load Report und Noise Histogram Report). Während 11k nur Messungen und
Berichte vorsieht, soll 11v Schnittstellen für echtes Management eines WLANs von einer
übergeordneten Managementinstanz bieten. Dazu werden die Messprozeduren aus 11k um Prozeduren zum
Monitoring, zur Konfiguration und zum Update der WLAN-Terminals ergänzt.

Der Standard 802.11s beschreibt die physikalische Ebene und den MAC-Layer für vermaschte
drahtlose Netzwerke. Die vermaschten APs bilden untereinander ein ausfallsicheres Netz. Es gibt
keinen singulären Fehlerpunkt. Die Mesh-Technik bietet eine sehr gute Netzabdeckung, wobei APs
nicht notwendigerweise über ein Kabel, sondern auch über die Funkschnittstelle angebunden sein
können. Die Standardisierung der kabellosen AP-Anbindung, bisher als Wireless Distribution System
(WDS) bei einigen Herstellern auf proprietärer Basis implementiert, zählt damit ebenfalls zu den
Zielen von 11s. Meshing bietet eine gute Grundlage für neue WLAN-Architekturen wie Wireless Grids
und mobile Endpunktanbindung.

Meshed Networks, WLAN-Grids und Mobile Edge

Derzeit gehen WLAN-Architekten in der Regel auf die klassische Art und Weise vor: mit möglichst
wenigen APs größtmögliche Flächendeckung zu erzielen. Über komplizierte Messverfahren werden die
neuralgischen Punkte eines Gebäudes ausgelotet, wo die APs an der Decke oder zumindest weit oben an
den Wänden montiert sind, um ein möglichst freies Funkfeld zu haben. WLAN-Switches haben zwar die
Rolle (und oft auch die äußeren Dimensionen) der APs einschneidend verändert, nicht jedoch die
grundsätzliche Vorgehensweise bei der Funkausleuchtung. WLAN-Grids auf der Basis eines vermaschten
WLANs bringen hier einen neuen Ansatz, der auf den ersten Blick etwas verschwenderisch erscheint:
Im Rahmen der Gebäudeverkabelung bekommt jedes Zimmer – bei Bedarf auch jeder Arbeitsplatz – einen
eigenen AP. Allerdings sind die APs für diesen Zweck auf das Radio mit Antenne sowie Security
(vorzugsweise identitätsbasierend) beschränkt, nicht viel größer als ein USB-Stick und als Wanddose
ausgeführt. Beobachter erwarten, dass die Preise für solche APs unter 100 Euro liegen werden,
sobald die Produktion in größeren Stückzahlen erfolgen kann. Das Management erfolgt zentral.

Genügt die Geschwindigkeit des klassischen Ethernets (10 MBit/s), lassen sich mit heutigen a/h-
oder g-APs bis zu vier Arbeitsplätze mit einer Dose versorgen. Da die Sendeleistung identisch mit
den "großen" APs ist, können diese Arbeitsplätze auch problemlos auf zwei Räume verteilt sein. Auf
diese Weise entsteht ein flächendeckendes Raster (Grid), über das jeder Arbeitsplatz,
beziehungsweise die damit assoziierte Person flexibel und mobil Zugang zum Firmennetz hat. Das
Konzept der WLAN-Grids ähnelt in vielen Punkten dem Konzept der strukturierten Verkabelung von LANs
– verkabelte Netzstecker, Kabel-Patchpanels, hierarchische Adressierung und Verwaltung, zusammen
mit intelligenten Switches, die sich um die schnelle Lieferung der Netzdienste kümmern.

Aus diesem Ansatz ergibt sich eine Reihe von Vorteilen gegenüber konventionellen Funk-LANs – vor
allem im Zuge der Konvergenz von Sprache und Daten. In diesem Falle ersetzt die WLAN-Dose nicht nur
den Ethernet- sondern eben auch den Telefonanschluss. So entfällt der Bedarf an teuren,
PoE-gespeisten VoIP-Ports (PoE: Power over Ethernet), die sonst im "Fixed Edge" installiert werden
müssten. Daraus können sich deutliche Einsparungen ergeben, die im Rahmen einer
Gesamtkostenbetrachtung zu kalkulieren sind. Hier fließt auch mit ein, dass im so genannten Mobile
Edge Betriebskosten aus Umzügen, Neuzugängen und Wechseln entfallen.

Netzwerkausrüster, deren Hauptgeschäft auf den Komponenten für die verkabelte Infrastruktur
liegt, finden sich in einer Zwickmühle. Wachstum bedeutet für sie, das Geschäft für die verkabelte
Infrastruktur anzukurbeln. WLAN-Grids haben ein hohes Potenzial, eben genau hier massive
Einsparungen zu erzielen. Aus rein geschäftlicher Sicht kann die Strategie bei den entsprechenden
Unternehmen somit nur darauf zielen, das Thema WLAN-Grids auf möglichst kleiner Flamme zu kochen,
beziehungsweise am liebsten ganz unter den Tisch fallen zu lassen. Sie können schlicht ihre
Geschäfte nicht weiter steigern, wenn sie Lösungen verkaufen, die es den Kunden erlauben, weniger
Geld auszugeben. Vielleicht ist das auch der Grund, warum WLAN-Grids und Mobile Edge derzeit eher
von Newcomern wie Aruba und Meru angeboten werden und nicht von den "Großen" wie Cisco. In der
Fachwelt mehren sich jedenfalls die Stimmen, dass WLANs in Unternehmen diesen Weg gehen werden.

Endlich einheitliche Stoßrichtung: MIMO und 802.11n

MIMO (Multiple Input Multiple Output) ist eine Technologie, die pro Funkkanal mehrere Antennen
nutzt, um die Signale simultan zu übertragen und zu empfangen. Ein einziges Signal mit hoher
Reichweite wird dabei in mehrere Signale mit niedrigerer Reichweite umgewandelt. Der besondere
Clou: Die bisher in Funk-LANs immer äußerst störend wirkenden Interferenzen (Überlagerungen durch
reflektierte Signale) lassen sich hier nutzen, um die Verbindung stabiler zu machen. Durch die
gleichzeitige Übertragung von Signalen über mehrere Antennen vervielfacht sich die Geschwindigkeit
im Vergleich zu a/h- und b/g-Netzen, beziehungsweise es lässt sich bei gleicher Geschwindigkeit die
Reichweite vergrößern. Die konkreten Werte hängen unter anderem von der Zahl der eingesetzten
Antennen und der verwendeten Bandbreite für einen Funkkanal ab. Typische Geschwindigkeiten sind
etwa 240 MBit/s (bei Verwendung von 20-MHz-Kanälen wie in 802.11 a/h und b/g), beziehungsweise 500
bis 600 MBit/s und mehr bei Nutzung der 40-MHz-Kanalbandbreite. Damit lassen WLANs die derzeit am
häufigsten genutzte Ethernet-Geschwindigkeit von 100 MBit/s weit hinter sich und nähern sich mit
großen Schritten der Gigabit-Marke.

MIMO war zunächst eine Entwicklung, die aus den Forschungen der Stanford-Universität (USA)
hervorgegangen ist. 2001 gründete der Leiter des entsprechenden Forscherteams Dr. Greg Raleigh das
Unternehmen Airgo, dessen MIMO-Chipsets heute in einschlägigen Produkten von Belkin, Buffalo,
Linksys oder Netgear ihren Dienst verrichten. Zusammen mit Broadcom, Motorola, Nokia und Texas
Instruments schuf Airgo im vergangenen Jahr das WWISE-Konsortium (World Wide Spectrum Eficiency),
um die MIMO-Entwicklung weiter voranzutreiben. Allerdings war auch die Konkurrenz nicht untätig.
Auf Initiative vornehmlich von Intel schlossen sich mächtige Unternehmen wie Agere, Cisco,
Infineon, Qualcomm, Nortel, Mitsubishi, Sony, Panasonic, Philips, Samsung, Sanyo und Toshiba zur "
Task Group ’n‘ Synchronisation" (TGn Sync) zusammen, die ihr eigenes MIMO-Süppchen kochte. Die
Spaltung der MIMO-Entwicklung in unterschiedliche Lager drohte den Fortschritt des
802.11n-Standards weit zurückzuwerfen, denn MIMO ist wichtigster Bestandteil der neuen Generation
schneller WLANs. Zum Ende vergangenen Jahres haben die beiden Gruppen ihren Streit beigelegt und
der IEEE-Task-Group "n" als Joint Proposal Group einen gemeinsamen Vorschlag unterbreitet. Dabei
flossen noch Techniken wie "Space Time Block Coding" (STBC) und "Beamforming" ein. Im Januar wurde
dieser Vorschlag vom IEEE verbindlich angenommen.

Unabhängig davon existiert aus beiden ursprünglich verfeindeten Lagern eine wachsende Zahl von
Unternehmen, die den Fortgang der 802.11n-Standardisierung beschleunigen wollen. Noch bevor klar
wurde, ob sich WWISE und TGn Sync auf einen gemeinsamen Vorschlag einigen würden, gründeten diese
Unternehmen im Oktober letzten Jahres das Enhanced Wireless Consortium (EWC,
www.enhancedwirelessconsortium. org), um im Fall einer Nichteinigung mit geballter Marktmacht Druck
machen zu können. Ein eigenes Set an Spezifikationen sollte zudem die Nutzung "n-ähnlicher"
Funktionen sofort greifbar machen, ohne auf den Standard warten zu müssen. Offenbar erscheint
vielen Unternehmen die Standardisierung von 802.11n trotz vereinter Bemühungen als zu langsam – das
EWC erfreut sich jedenfalls regen Zulaufs. Zu den Mitgliedern zählen unter anderem Apple, Atheros,
Broadcom, Buffalo, Cisco, Conexant, D-Link, Intel, Lenovo, Linksys, Netgear, Sony, Symbol und
Toshiba. Wichtige Player wie Motorola und Agere fehlen allerdings. Auch Airgo steht dem EWC
skeptisch gegenüber, da offenbar eine Reihe von Herstellern nur ein geeignetes Deckmäntelchen
suchten, um ihre mitnichten n-konformen Highspeed-WLANs als Pre-Standard-Produkte verkaufen zu
können, die sich angeblich per Firmware-Upgrade auf den endgültigen Standard aufrüsten lassen. "Das
ist im gegenwärtigen Stadium des Standards schlicht nicht möglich und daher sehr unseriös", so Beau
Beck, Vice President Business Development bei Airgo Networks.

Die Ratifizierung des 802.11n-Standards ist für Ende dieses Jahres geplant. Erst danach kann die
Wi-Fi-Organisation entsprechende Testprozeduren entwickeln, um verfügbare Geräte per Wi-Fi-Logo als
interoperabel zu zertifizieren, beziehungsweise schwarze Schafe auszumustern. Wi-Fi-zertifizierte
802.11n-WLANs werden also voraussichtlich frühestens im ersten Quartal 2007 auf dem Markt
angeboten. Gemäß dem gemeinsamen Vorschlag sollen n-Netze mit der großen Basis installierter a/h-
und g-Netze zusammen arbeiten. Bis zu vier Antennen werden für die simultane MIMO-Übertragung
unterstützt, Funkkanäle dürfen sowohl 20 als auch 40 MHz breit sein.

Für MIMO steht unabhängig von 802.11n eine steile Karriere in noch ganz anderen Funknetzen ins
Haus. So soll die Technologie schon bald den Consumer-Electronics-Markt erobern. Neben
multimedialen Internetinhalten werden sich künftig auch Video, IP-TV, Musik, Fotos und Spiele
drahtlos per MIMO im Haus verteilen lassen. Entsprechend sollen moderne IT/Hi-Fi/TV-konvergierte
Heimgeräte wie Router, Laptops, PCs, Set-Top-Boxen, Spielekonsolen, Stereoanlagen und Fernseher mit
MIMO ausgerüstet werden. Damit nicht genug, soll MIMO in einigen Jahren auch in den Mobilfunknetzen
Einzug halten. Auch hier existiert ein erhebliches Potenzial – die Betreiber bräuchten weniger
Sendemasten, um die Funkversorgung eines Gebiets sicherzustellen. Profitieren könnten davon
allerdings wieder einmal nur die Ballungszentren – in ländlichen Gebieten existieren zu wenige
Signalreflexionen, um die MIMO-Technik wirksam werden zu lassen.

Fazit

Die WLAN-Technologie verfügt zwar inzwischen über ein hohes Maß an Reife, ist aber noch längst
nicht ausgereizt. Die Akzeptanz in Unternehmen steigt kräftig an, wodurch der Markt über die
nächsten Jahre gewaltig angekurbelt wird. Die Vision, eine Verkabelung künftig vollständig durch
WLAN-Infrastrukturen zu ersetzen, erscheint mit der kommenden Generation der Grid-WLANs durchaus in
den Bereich des Möglichen gerückt – zumindest was die Vernetzung auf Etagenebene anbelangt.


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