Praktische Aspekte der Netzwerkkonvergenz

Ein Netz für alle Aufgaben

23. Januar 2014, 7:00 Uhr | Ken Hodge, Chief Technical Officer (CTO) bei Brand-Rex. Paul Goodbrand ist Director of Intelligent Buildings bei Boston Networks./jos www.brand-rex.com.

Das Thema Konvergenz sorg seit etwa zwei Jahren für großes Aufsehen in den Medien. Allerdings hat man bislang noch nicht viel über die praktischen Aspekte von gänzlich konvergenten oder semi-konvergenten Netzwerken lesen können. Es lohnt sich daher, die praktischen Aspekte genauer unter die Lupe zu nehmen.Die Konvergenz verschiedener Funktionen innerhalb eines einzelnen strukturierten Verkabelungsnetzwerks in einem Gebäude ist kein neues Konzept. Vor rund 20 Jahren waren die einzigen Netzwerke in Gebäuden Telefonleitungen und einige Datenkabel. Der erste Schritt hin zur Konvergenz erfolgte, als einige Unternehmen sich dazu entschlossen, ein einzelnes datenfähiges Netzwerk (Kategorie 3) für Datenverbindungen und Telefone zu verwenden. Kurze Zeit später, als die Idee von IP-Telefonen für VoIP aufkam, konvergierten Verkabelungsnetzwerke und geswitchte Netzwerke. Ungefähr 1994 kamen QoS (Quality of Service), gemanagte Switches und VLANs (virtuelle LANs) hinzu. Dies schuf die Voraussetzung dafür, dass sich Geräte wie IP-CCTV fortan dasselbe Verkabelungs- und geswitchte Ethernet-Netzwerk teilen konnten. Ungefähr zur selben Zeit entwickelten sich die Systeme in den Bereichen Facility-Management und Sicherheit weiter und wurden von der IT-Welt gänzlich unabhängig. Diese Systeme, die viele Informationen als Input nutzten und für die viele Kabel notwendig waren, waren firmeneigener Natur und in keinster Weise mit dem Ethernet-Netzwerk "konvergierbar". Ein schnelles Umschwenken in die Gegenwart verdeutlicht, dass Gebäudeeigentümer und Systemhersteller heute jedoch wissen, dass die Konvergenz der verschiedenen Systeme in einem Verkabelungsnetzwerk und das Zusammenlegen der beiden geswitchten Ethernet-Netzwerken große Vorteile bietet.   Physische Schicht Verfügen alle Systeme - zum Beispiel Datensysteme, Gebäude-Management-Systeme, Beleuchtungssteuerungen, CCTV und Zugangskontrollen - über eigene Verkabelungsnetze, dann bedeutet dies, dass ein Betreiber vier oder fünf verschiedene Kabeltypen samt Anschlusstechnik erwerben und installieren muss. Dabei müssen Installateure in einem ohnehin bereits überfüllten Umfeld arbeiten, was nicht unbedingt positive Auswirkungen auf die Ablaufplanung hat. In diesem Fall müsste ein Betreiber schon gleich zu Anfang ziemlich sicher sein, wo sich jede einzelne CCTV-Kamera und jeder Thermostatsensor befinden sollte - und zwar für die nächsten 20 Jahre. Die CO2-Bilanz einer solchen Aktion wäre zusätzlich miserabel. Alternativ kann der Betreiber ein einzelnes Kategorie-5e-, Kategorie-6- oder Kategorie-6A-Netzwerk installieren. Dies würde zu einer massiven Gesamtersparnis führen. Wenn er zudem die Deckenhohlräume zur Unterbringung von Sammelanschlussverteilern nutzt, dann muss er diese in Zukunft nur noch mit einer nahegelegenen RJ45-Anschlussdose verbinden und ist für sämtliche künftige Anforderungen an Sensoren, Beleuchtungssteuerungen, Jalousie- oder Rolladensteuerungen, IP-CCTV Kameras, Türschlösser, ID-Leser und RFID-Geräte gerüstet. Solange ein Betreiber die Stromversorgung über Ethernet realisiert (PoE oder PoE+), ist er zudem nur in seltenen Fällen auf eine Elektrofachkraft angewiesen, die diese Elemente installiert oder an einem anderen Ort anbringt. Stromanschlüsse sind dazu ebenfalls nicht erforderlich.   Anwendungsschicht Sobald sich alle Geräte ein Ethernet-LAN teilen, können die ehemals separaten Systeme miteinander kommunizieren. Ob Schulen, Krankenhäuser, Bürokomplexe oder Universitäten: Die Kartenleser, Biometrik- oder Iris-Scanner des Zugangskontrollsystems mit der Beleuchtungskontrolle und HLK (Heizung, Lüftung, Klimatechnik) zu verbinden, bedeutet, dass sich Dienste für einzelne Räume sowie deren Temperatur vorab definieren lassen. Beispiel Klassenzimmer: Dort sind die Heizung/Kühlung und das Licht automatisch für die Zeit zwischen acht Uhr und 16 Uhr einstellbar. Danach kann die Heizung oder Kühlung abgeschaltet bleiben. Wenn die passiven Infrarotdetektoren (PIR) im Raum sowie die Zugangskontrolle ergeben, dass sich niemand mehr im Raum befindet, schaltet sich das Licht dann ebenfalls aus. Wenn Reinigungsfachkräfte später per Karte den Raum betreten, schaltet sich nur das Licht an, nicht aber die Heizung/Kühlung, da letztere nicht benötigt wird. Selbstverständlich geht das Licht bei Verlassen des Raumes gleich wieder aus. Aber mehr noch: Da die Präsenz der Reinigungsfachkraft (oder anderer Personen) per Karte oder RFID aufgezeichnet wird, kann die Lohnbuchhaltung diese Daten verwenden und ist nicht mehr auf ein separates Arbeitszeiterfassungssystem angewiesen. Universitäten nutzen dies auch zur Erfassung von Präsenzzeiten. Mit dem RFID-Asset-Tracking-System über das Drahtlosnetzwerk behält ein Betreiber den Überblick über wertvolle Gegenstände. Dies ist beispielsweise für Krankenhäuser ideal, denn dort bewegen die Mitarbeiter regelmäßig mobile Geräte hin und her, und diese sind im Notfall nur schwer auffindbar. Da immer mehr Gebäude voll konvergent sind, steigen die Interoperabilitätskapazitäten, was zu einer Verschlankung von Geschäftsprozessen, zur Zentralisierung und Vereinfachung der Berichterstattung sowie zu vielen ökologischen Vorteilen führt. Bei der Planung eines konvergenten Netzwerks gilt es unter anderem, folgende Dinge zu beachten: Die Beleuchtung verfügt generell über einen elektronischen Regler im Deckenhohlraum, der lokal mit Lichtschaltern oder Dimmersteuerungen verbunden ist und 30 oder 40 Leuchten kontrolliert. Dazu ist lediglich ein RJ45-Anschluss pro Regler nötig. Diese Regler sind netzbetrieben und benötigen daher kein PoE/PoE+. Sind Sammelanschlussverteiler mit RJ45-Anschlüssen in den Deckenhohlräumen untergebracht, lässt sich ganz einfach eine Verbindung mit der nächsten freien Anschlussdose herstellen. Passive Infrarotdetektoren (PIR) sind gewöhnlich mit dem Beleuchtungsregler verbunden - aber nach dem Anschluss mit dem konvergenten Ethernet-Netzwerk kann der Beleuchtungsregler dieses "Wissen" mit anderen Systemen teilen. Heizungs-, Lüftungs- und Kühlungsregler bestehen aus einer Reihe von Komponenten, die miteinander verbunden sein müssen. Temperatursensoren, die in den meisten Räumen zum Einsatz kommen, sind PoE-Geräte. An der Decke montierte Klimaanlagen erfordern ebenfalls Ethernet, damit der Regler die Ventile der Anlage im Hinblick auf den Einsatz von heißem oder kaltem Wasser optimieren kann und damit sich die Ventilatoren in verschiedenen Geschwindigkeiten betreiben oder gegebenenfalls auch anhalten lassen. In einigen Gebäuden gibt es auch Sonnenlichtdetektoren. Ihre Signale regen motorisierte Jalousien oder externe Sonnenblenden dazu an, die solare Einstrahlung zu regeln. Jede einzelne Jalousie oder Sonnenblende (und ihre lokalen Regler) benötigt eine PoE-Anschlussdose, weshalb sich bisweilen eine höhere Anzahl von Anschlussdosen (oder ein Konsolidierungspunkt) in der Nähe der Fenster befinden muss. Im Technikraum befinden sich alle Boiler, großen Pumpen, Ventile und Rohrleitungen. In der Regel gibt es rund 50 Ethernet-fähige Geräte pro Technikraum. Da der Technikraum eine potenziell EMV-gestörte Umgebung ist, sollte ein Betreiber den Einsatz von geschirmten Verkabelungen und Komponenten ernsthaft in Erwägung ziehen. Insgesamt kann das Gebäude-Management-System in einem großen Gebäude durchaus über 2.000 mit dem Ethernet verbundene Geräte verfügen. Zu den Zugangskontrollgeräten zählen zum Beispiel Magnetstreifenkarten, PIN-Code-Geräte, RFID Karten, Fingerabdruck- und Irisleser. Fast immer befinden sie sich neben einem elektronischen Türschloss. Pro Lesegerät/Schloss bedarf es nur einer Ethernet-Verbindung, wobei beide entweder mit einem lokalen Regler verbunden sind oder die Kontrollfunktion im Lesegerät eingebunden ist. Da die Schlösser oft klobige elektromechanische Geräte sind, ist aufgrund des Mehrstroms fast immer PoE+ erforderlich. Auch der Brandschutz ist wichtig: Obwohl manche Hersteller aktuell über die Verwendung von LAN- und IP-basierenden Detektoren oder Sprinklerreglern reden, dauert es noch, bis solche "Lebensschutz"-Systeme LAN-konvergent sind. Aktuell benötigen wohl nur die Brandmeldezentralen Ethernet-Verbindungen, damit eine Integration in das Gebäude-Management-System möglich ist.   IP-CCTV Großbritannien ist der weltweit größte Nutzer von CCTV. In anderen Märkten steigt die Anzahl solcher Systeme. Im Hinblick auf die Verkabelung und das Netzwerk bedarf es fast keiner Planungen vorab, wenn es genug RJ45-Anschlussdosen an der Decke gibt. CCTV-Kameras lassen sich dann schnell installieren und mit der nächstgelegenen Anschlussdose verbinden. Ein Umzug ist gleichermaßen einfach. IP-Kameras benötigen PoE und sollten stets über ihr eigenes VLAN verfügen. Schwenk-/Neige- und Zoomkameras (PTZ) benötigen meist PoE+. In den Anfangstagen des VoIP gab es verschiedene Meinungen darüber, ob Telefone und PCs über separate RJ45-Anschlussdosen verfügen sollten oder ob die eine "Huckepack" mit der anderen verbunden sein sollte - um beide zu integrieren und damit nur eine RJ45-Anschlussdose zu benötigen. Wenig überraschend hält die Meinungsverschiedenheit darüber auch zehn Jahre später noch an. Solange das Gebäude jedoch über eine Flächenverkabelung verfügt, können Nutzer beide Alternativen verwenden und ihre Meinung in den nächsten 20 Jahren jederzeit noch einmal ändern. Erwähnenswert ist zudem, dass auch WLAN ein konvergenter Dienst ist, da es zunehmend für mehr als nur für Laptops zum Einsatz kommt. Der Trend hin zu Bring Your Own Device führt dazu, dass WLAN auf Smartphones und Tablets für Voice-Dienste wie VoIP und Skype genutzt wird - zudem ist zu erwarten, dass Sicherheitsbeauftragte bald in der Lage sein sollten, mithilfe WLAN-fähiger ID-Scanner spontane Sicherheitskontrollen in Gebäuden und auf Campus durchzuführen. Dort, wo RFID zum Einsatz kommt, nutzen Betreiber dieselben WLAN-Zugangspunkte und IEEE-802.11-Protokolle wie für Laptops und Smartphones. Bei der Bereitstellung von WLAN ist PoE für gewöhnlich essenziell, damit für die Zugangspunkte nur eine einzelne RJ45-Verbindung erforderlich ist. Als Faustregel gilt, dass, wenn nur Daten genutzt werden, ein Großraumbüro oder Sitzungssaal/Konferenzraum einen WLAN-Zugangspunkt benötigt. Ist auch Voice-Unterstützung gefragt, sollten zwei Zugangspunkte vorliegen. Nutzt ein Betreiber RFID, sind meist vier Zugangspunkte erforderlich. Dies liegt nicht am Traffic-Niveau, sondern daran, dass die RFID-Lokalisierung wie bei GPS durch Berechnung der Signallaufzeit vom RFID Gerät zu mindestens drei WLAN-Zugangspunkten erfolgt.


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