Die Ethernet-Technik ist als neue Möglichkeit zum Aufbau von Netzen bei den Anwendern aus Anlagen- und Maschinenbau angekommen. Immer öfter werden bestehende und neue Anlagen auf Industrial Ethernet umgestellt. In vielen Anwendungsfällen findet dabei jedoch lediglich ein 1:1-Austausch der bisherigen Feldbussysteme gegen Industrial Ethernet statt - oft ohne Berücksichtigung der möglichen Auswirkungen solch einer Umstellung auf die vorhandene IT-Infrastruktur.
Es lohnt sich, aus dem Blickwinkel der passiven Netzinfrastruktur zu betrachten, welche
Möglichkeiten zum betriebssicheren Aufbau vorhanden sind und welche Rahmenbedingungen für den
Aufbau von Netzwerken für die industrielle Verwendung von hoher Bedeutung sind.
Um die Anforderungen an die industriellen Netzwerke besser zu verstehen, ist ein kurzer
Rückblick auf die bisher verwendete Technik hilfreich. Industrielle Kommunikationsnetzwerke lassen
sich traditionell in drei Kommunikationsebenen strukturieren, nämlich in die Leit-, Steuer- und
Aktor-/Sensorebene. Die Leitebene findet man typischerweise nur in großen bis sehr großen sowie in
hoch automatisierten Anlagen und Fabriken, wie beispielsweise im Automobilbau oder der
Prozesstechnik. Die Kommunikation ist hier in der Regel einfach zu organisieren und auch bereits
seit vielen Jahren mit auf IT-systembasierenden Konzepten aufgebaut.
Betrachtet man nun aber die relevante Steuerebene, die in allen automatisierten Anwendungen zu
finden ist, erkennt man schnell, dass sich das verwendete Netzwerk (Feldbus) ausschließlich an dem
eingesetzten Steuerungssystem orientiert. Dies bedeutet für den Anwender in der Praxis, dass die
eingesetzte Steuerung auch gewissermaßen den passenden Feldbus mit definiert und die Verbindung
zwischen den Steuerungen und den angeschlossenen Sensoren/Aktoren systemspezifisch ausgelegt
ist.
Als Konsequenz existiert eine große Vielfalt an verwendeten Systemen, und jede Möglichkeit zu
einer konvergenten Nutzung der Infrastruktur ist dadurch typischerweise ad absurdum geführt. Da es
heute aber wichtiger denn je ist, eine transparente und vor allem eine über alle Ebenen
durchgängige Netzinfrastruktur vorzuhalten, wird die Basistechnik Industrial Ethernet zusammen mit
einer anwendungsneutralen Verkabelung sicher der am stärksten zukunftsgerichtete Lösungsansatz
bleiben.
Was in den 90er-Jahren in der Büroverkabelung von IT und Telekommunikationsnetzen als
Verkabelungsstandard DIN EN 50173 (Informationstechnische Gebäudeverkabelung) seinen Anfang fand,
setzt sich heute erfolgreich in erweiterter Form in industriellen Netzwerken fort. Der Nutzen
dieses europäischen Verkabelungsstandards war schon damals für die IT-Anwender so enorm groß, dass
die vorherrschende proprietäre EDV-Verkabelung sehr schnell abgelöst wurde. Fabrik- und
Hallennetzwerke lassen sich heute unter Berücksichtigung des normativen Hintergrundes planen und
ausführen.
Die wesentlichen Grundgedanken – vor allem die Dienst- und Anwendungsneutralität – finden sich
heute auch in der für den industriellen Bereich gültigen Verkabelungsnorm DIN EN 50173-3 wieder.
Neben der Beschreibung des Netzdesigns, der Topologie und der Übertragungstechnik sind die
erweiterten Anforderungen der industriellen Anwendung in diese Norm eingeflossen. So werden neben
den bereits fest etablierten Übertragungsklassen (Klasse A bis F) und den Komponentenkategorien
(Kategorie 5 bis 7) auch erstmalig die so genannten Umgebungsklassen definiert. Mittels dieser
Umgebungsklassen (MICE-Klasse 1 bis 3) können Planer industrietypische Anforderungen aus den zu
erwartenden Industrieumgebungen auswählen und auf die einzusetzenden Techniken und Komponenten
übertragen.
Eine Kategorisierung der Komponenten ist dabei aufgrund der komplexen und manchmal auch
widersprüchlichen Zusammenhänge nicht möglich und vorgesehen. Mittels dieses Netzdesignelements
lässt sich jedoch sicherstellen, dass die für die Funktion wichtigen umweltbedingten Einflussgrößen
identifiziert und bewertet werden können. Dabei sind mechanische, klimatische, elektromagnetische
und aus der Verschmutzung her rührende Einflüsse beschrieben.
Entsprechend den Anforderungen wurden RJ45-basierende industriegerechte Steckverbinder und
dazugehörige Schutzgehäuse festgelegt. Diese sind in der Komponentennorm IEC 61076-3-106 näher
beschrieben. Im internationalen Abstimmungsprozess wurde aus den dort anfänglich beschriebenen 14
verschiedenen Steckverbindervarianten für die Verkabelungsnorm DIN-EN-50-173er-Reihe eine kompakte
Push-Pull-RJ45-Steckverbindung mit hoher Schutzart (die so genannte Variante 4) ausgewählt.
Neben den RJ45-Einsätzen werden auch LWL-Steckverbinder integrierbar sein. Die
LWL-Steckverbinder sollen sowohl für Polymer-optische Fasern (POF), Hard-Cladded-Silica-Fasern
(HCS) und Glasfasertechnik (GOF) eingesetzt werden können. Dazu sind LC-Duplex-Steckverbindungen in
dieselben Schutzgehäuse wie bei dem oben beschrieben RJ45-Stecker im Standard festgeschrieben.
Neben den Fabriknetzwerken geht es auch bei der Vernetzung von Anlagen, Maschinen oder
Maschinenteilen immer stärker um Industrial-Ethernet-Technik. Um die geforderte Durchgängigkeit der
Netzwerke möglichst optimal zu erreichen, sind auch in den aktuellen Feldbusstandards IEC 61918 und
IEC 61784 unter anderem die Steckverbinder für Ethernet-basierende Lösungen aus dem bereits
erwähnten IEC-61076-3-106-Fundus definiert, allerdings leider nicht mit einer Konzentration auf nur
eine Steckverbindervariante, wie zum Beispiel in der DIN EN 50173 beschrieben. Es ist vielmehr
nötig, protokollspezifisch aus den derzeit vier Varianten auszuwählen. Dieser protokollspezifische
Ansatz ist durchaus mit der Marktpräsenz der Steuerungshersteller zu begründen, die dadurch auch
eigene Märkte absichern wollen. Damit ist heute ein Anwender, der sich beispielsweise für die
Industrial-Ethernet-Lösung Profinet entscheidet, auch im Bereich der Verkabelung an die
entsprechende Installationsrichtlinie gebunden. Ähnlich sehen die Randbedingungen auch bei den
anderen Industrial-Ethernet-basierenden Feldbuslösungen wie zum Beispiel Ethernet/IP aus. Der
positive Aspekt bleibt trotz dieses Wermutstropfens die Möglichkeit, dass alle Ethernet-Varianten
zwischenzeitlich vorsehen, mit definierten Schnittstellen zur anwendungsneutralen Verkabelung nach
DIN-EN-50173-Spielregeln zu migrieren. So lässt sich durchaus bereits heute schon mit auf dem Markt
verfügbaren Komponenten ein durchgängiges Verkabelungsfundament für eine transparente
Unternehmenskommunikation auch im industriellen Umfeld realisieren, und dies sogar im Konsens mit
allen Standards und Normenwerken.