Deutsch, Englisch, Denglisch - die IT-Fachwelt schludert hierzulande gemeinhin recht freizügig zwischen deutschen und englischen Präsentationen und Dokumentationen hin und her. Alles gut, solange man sich versteht? Sind zum Beispiel aus Compliance-Gründen wirklich einmal Texte konsequent ins Deutsche zu übertragen, geraten die Akteure oft ins Schwitzen. Das bekannte Online-Wörterbuch "Leo" ist dann eine große Hilfe, für schwierigere Fälle aber auch nur ein erster Startpunkt. LANline blickt in den Web-Werkzeugkasten von Profi-Übersetzern, der auch Gelegenheitstätern helfen kann.
Kurioserweise stellen die echten Fachbegriffe in der IT für Übersetzungen ins Deutsche eher selten ein wirkliches Problem dar. Viele werden gar nicht übersetzt - "Router", "Switch", "Firewall" - für andere gibt es gute und einprägsame Begriffe wie "Virenschutz".
Schwierigkeiten tauchen eher auf, wenn ein englischer Text beschreibt, was ein Werkzeug aus der IT eigentlich leistet. Der Begriff "Visibility" bietet hier ein herrliches Beispiel. Er hat nicht umsonst zurzeit gerade Hochkonjunktur in der Branche - denn diese hat seit einiger Zeit bemerkt, dass viele Betreiber von IT-Infrastrukturen gar nicht so recht wissen, was in ihren Rechenzentren und Netzen tatsächlich geschieht.
Aus Sicherheits- und Compliance-Gründen ist dieser Zustand allerdings nicht tragbar, und so werden nun viele Softwareprodukte auf den Markt geworfen, die die "Visibility" von oder in IT-Komponenten erhöhen, vorzugsweise aber die vom oder im Netzwerk. Wer hier mit "Sichtbarkeit" übersetzt, liegt nicht ganz richtig, denn "Visibility" bedeutet auch "Durchblick", "Durchschaubarkeit", "Einblick in interne Prozesse" - und das alles in einem Hauptwort, sodass die Originaltexte aus den USA oder Großbritannien oft sehr einfach und klar daherkommen, während die deutsche Version mit langwierigen Umschreibungen operieren muss und sich daher weit von der Vorlage entfernt. Ein Netz, das besser "sichtbar" wird, ist noch lange nicht besser "durchschaubar" - welches Tool hilft dabei, hier auf knackige Formulierungen zu kommen?
Ein zweites Wort, das sich gut als Testfall für die Qualität von Übersetzungshilfen eignet, ist "Intelligence". Man ist versucht, es direkt mit "Intelligenz" zu übersetzen, aber dann fehlt die Komponente "Aufklärung", die zum Beispiel bei "Threat Intelligence" und somit beim Security-Incident- und Event-Management (SIEM) oder bei der Netzwerkverhaltensanalyse (Network Behaviour Analysis, NBA) ins Spiel kommt und die man von der US-Behörde "CIA" (Central Intelligence Agency) her kennt.
Dieser Beitrag stellt nun Online-Übersetzungswerkzeuge vor, wobei die Wörter "Visibility" und "Intelligence" als Textobjekte dafür dienen, was sie in echten Zweifelsfällen zu leisten vermögen
Das Online-Wörterbuch "Leo" findet sich im Web unter www.leo.org, eine App für mobile Geräte ist ebenfalls im Angebot. Nach dem Aufruf stellt man es kurzerhand auf "Englisch ? Deutsch" ein und gibt die Suchwörter ein - das Angebot mag etwas altbacken aussehen, ist gerade deshalb aber recht schnell und lässt sich problemlos intuitiv bedienen. "Visibility" liefert daraufhin eine Menge Ergebnisse rund um "Sichtbarkeit", die beim eingangs beschrieben IT-Übersetzungsproblem jedoch nicht wirklich weiterhelfen - das Konzept oder der gedankliche Hintergrund von "Sichtbarkeit" ist im Englischen einfach anders als im Deutschen, und das spiegelt die Liste nicht wider.
Wer weiter herunterscrollt, findet unten allerdings noch das Forum, in dem Übersetzer Übertragungsprobleme diskutieren. Hier fällt (Zugriff am 7.10.2016) zunächst auf, dass "Visibility" auch noch die Bedeutung des Bekanntheitsgrades oder der Außenwirkung eines Events oder einer Person haben kann. Ein Diskussionsteilnehmer fragt immerhin nach einer guten Übersetzung von "Supply Chain Visibility" und meint selbst, dass ein Begriff wie "Sichtweite" hier wohl nicht stimmen kann. Ein Leser schlägt "Transparenz" vor - und das ist gar nicht schlecht. Ob man über Leo zu einer Idee für eine treffende Übersetzung zu einem schillernden Begriff kommen kann, hängt somit aber stark davon ab, wer gerade mitliest und an Diskussionen teilnimmt.
Ähnlich stellt sich die Situation bei "Intelligence" dar. Hier liefert zwar schon die direkte Übersetzungsabfrage Wörter aus den beiden Bedeutungsfeldern "Intelligenz" und "Aufklärung", aber wiederum nichts, was etwa für die direkte Übertragung von "Threat Intelligence" nützlich wäre. Im Forum komm nur die Diskussion von "Competitive Intelligence" dem Problem näher. Fazit: Leo ist ein hervorragendes Online-Wörterbuch, das viele Begriffe aus der IT kennt, aber in echten Zweifelsfällen bietet es manchmal nur vage Anregungen für das Weiterkommen.
Wer übrigens ein Offline-Tool für Übersetzungen benötigt, sollte das kleine, aber feine "Lingopad" in Betracht ziehen. Es ist zum Beispiel unter www.ego4u.de/de/lingopad kostenlos herunterzuladen und bietet gute Suchergebnisse, kann in unseren beiden Problemfällen aber natürlich nicht mit weiterführenden Hilfen dienen.
Nicht so bekannt wie "Leo", aber aufgrund seines anderen Konzepts beachtenswert ist das Online-Wörterbuch "Linguee", das im Web unter www.linguee.de bereitsteht und für das es ebenfalls zusätzlich eine Mobiltelefon-App gibt. Die erste Besonderheit ist, dass Linguee neben der Liste der möglichen Übersetzungswörter von vornherein auch deutsche Beispielformulierungen auf den Bildschirm bringt. Was die Qualität der direkten Vorschläge für "Intelligence" und "Visibility" betrifft, unterscheidet es sich nicht wesentlich von Leo. Auch die IT insgesamt ist ähnlich gut vertreten.
Für Problemfälle geht das System aber einen Weg, der häufig bessere Ergebnisse zutage fördert als Leo: Das Werkzeug fragt eine Reihe unterschiedlicher Quellen im Internet, die englische Texte und ihre deutschen Übertragungen enthalten, nach Treffern für ein Suchwort ab. Erfahrungsgemäß liefert dieser Ansatz bessere Ergebnisse als die Forumsdiskussionen bei Leo, denn die Linguee-Suche führt in vielen Fällen direkt in bereits veröffentlichte und damit freigegebene Fachtexte der passenden Profession, während man bei Leo eher in Werkstattgespräche hineingeworfen wird.
Dennoch weist Linguee ausdrücklich darauf hin, dass die so ermittelten Vorschläge ungeprüft sind, denn auch hier kann man natürlich auf qualitativ fragwürdige Resultate stoßen. Bei "Visibilty" findet man über die Ergebnisse immerhin sofort heraus, dass die Bedeutung im Deutschen manchmal umschrieben werden muss, und dass es die etwas sperrige Möglichkeit "Visibilität" gibt. Im Falle von "Intelligence" zeigt schon der erste Blick, mit welchen zwei Bedeutungsfeldern man es zu tun hat, und die Liste der Übersetzungsbeispiele lässt zwar ebenfalls eine direkte Hilfe für "Threat Intelligence" vermissen, liefert aber gute Ideen für die Umschiffung des Problems.
Aber es gibt eine noch viel bessere Möglichkeit: Gibt man beispielsweise die Begriffskombination "Threat Intelligence" direkt ein, hält sich Linguee - anders als Leo - gar nicht erst lange bei der Übersetzung der einzelnen Wörter auf, sondern bietet sofort eine ganze Liste von (natürlich kritisch zu prüfenden) Übersetzungsbeispielen für diesen kombinierten Fachbegriff.
Genauso gut funktionierte es im Test bei der wirklich nur dem IT-Fach vorbehaltenen Kombination "Network Visibility". Dabei zeigten gleich mehrere Ergebnisse (Zugriff ebenfalls 7.10.2016) , wie man mit dem Begriff "Transparenz" operieren oder den im Deutschen fehlenden Bedeutungsanteil durch aktive Formulierungen hinzufügen kann ("sichtbar machen", "Einblicke gewähren"). Damit verdient sich das Werkzeug eine echte Empfehlung für den hier behandelten Einsatzzweck. Dass die Linguee-Website etwas aufdringlicher mit Werbung gefüllt ist als Leo, lässt sich da leicht verschmerzen.
Ist man mit dem ersten Anlauf zu einer Fachübersetzung noch nicht ganz zufrieden, lässt sich die Qualität oft auch durch Ausfeilen und variieren des deutschen Textes noch erheblich vergessen. Auch hierzu gibt es Hilfen im Netz. Die erste stellt eine Alternative zum in Office-Paketen oft integrierten "Thesaurus" dar, einem Werkzeug also, dass gleichbedeutende oder bedeutungsähnliche Begriffe zu einzelnen Wörtern liefert. "Openthesaurus" (www.openthesaurus.de) ist eine Site dieser Art, die nach dem Wiki-Prinzip von ihren Anwendern gepflegt wird und auch Begriffe aufnimmt, die mit einem anderen lediglich assoziativ verknüpft sind.
Man sollte die Ergebnisse also auch hier immer kritisch hinterfragen, aber generell ist die Qualität recht gut, wenn man die Resultate als Anregungen versteht - oft genug fällt einem ein Wort, das ein anderes ersetzen könnte, zu einem gegebenen Zeitpunkt ja schlicht und ergreifend nicht ein. Es lohnt sich allerdings, mit dem Tool etwas ausgiebiger zu spielen: Unter "Sichtbarkeit" etwa findet man kaum Anregungen zu alternativen Formulierungsansätzen, unter "sichtbar" aber zuhauf.
Und ganz zum Schluss: Vergessen Sie bei ihren Web-Recherchen auch den guten alten Duden nicht. Er ist unter www.duden.de komplett und kostenlos im Netz erreichbar und liefert ebenfalls viele Zusatzinformationen, Bedeutungshinweise und Alternativen zu Wörtern, mit denen man in einem Text vielleicht noch nicht ganz zufrieden ist. Über die Qualität der Auskünfte muss man sich hier zumindest kaum sorgen.