Ethernet als Basis für Multiserviceangebote

Ethernet-Dienste brauchen SLAs

17. Dezember 2007, 23:40 Uhr | Gerhard Kafka/wg Gerhard Kafka arbeitet als freier Fachjournalist für Telekommunikation in Egling bei München.

Seit es klar ist, dass Ethernet eine kostengünstige Alternative als Transporttechnik in Metro- und Weitverkehrsnetzen darstellt, übertreffen sich die Service-Provider mit immer neuen Angeboten für ihre Geschäftskunden. Anwender erwarten zuverlässige und exakt definierte Dienste. Die Provider müssen dafür die benötigten Dienstgütegarantien (SLAs) offerieren.

Ende September trafen sich rund 800 Experten aus aller Welt in Genf, um anlässlich des Carrier
Ethernet World Congress die aktuellen Entwicklungen im Bereich von Carrier Ethernet zu diskutieren.
Ein Highlight der dem Kongress angeschlossenen Ausstellung war der bisher größte und umfangreichste
öffentliche Test von Carrier-Ethernet-Lösungen. Der vom EANTC (European Advanced Networking Test
Center, Berlin) organisierte Test demonstrierte eindrucksvoll die Interoperabilität von 65
Produkten von 24 Herstellern. Er bewies die Marktreife der implementierten Geräte und umfasste alle
drei heute verfügbaren Ethernet-Transporttechniken: MPLS (Multi-Protocol Label Switching), T-MPLS
(Transport-MPLS) und PBB-TE (Provider Backbone Switching Traffic Engineering).

OAM-Funktionalität (Operations, Administration, and Management) ist eine wichtige Voraussetzung
für den Ethernet-Einsatz in Carrier-Netzen. Als OAM-Standard dient heute IEEE 802.1ag.
Anwenderunternehmen erhalten über solche OAM-gestützte Infrastrukturen Dienste wie Pseudowire,
Ethernet Virtual Private Line (EVPL) und Ethernet Private Line (EPL) sowie E-Line und E-LAN – und
dies über Glasfaser, DSL und gebündelte Kupferleitungen.

Flexible Zugangslösungen

Für den Netzwerkzugang werden bevorzugt Lösungen implementiert, die auf einer bereits
vorhandenen Infrastruktur aufsetzen. Ethernet als Zugangstechnik kann verschiedene
Übertragungsverfahren und -medien nutzen: PDH/SDH, SHDSL oder auch Glasfaser. Damit verfügen
Netzwerkbetreiber über flexible Möglichkeiten, die Reichweite ihrer angebotenen Dienste zu
vergrößern.

Pseudowire (PW) bildet die transparente Basis für verschiedene Kommunikationsdienste.
Grundsätzlich ist PW eine Emulation klassischer Dienste wie TDM, SDH, Frame Relay oder ATM über ein
paketvermitteltes Netz wie IP/MPLS. Als eine der ersten Spezifikationen stand TDMoIP (TDM over IP)
zur Verfügung. Heute kann ein Provider aus einer Reihe von PW-Standards wählen: aus den IETF-RFCs
3985 (PWE3 Architecture), 4447 (PW Setup Using LDP), 4448 (Ethernet PW) und 4553 (SAToP TDM PW)
sowie aus ITU-T Y.1411 bis Y.1415, Y.1452 und Y.1453 (ATM, TDM, Voice Services und Ethernet PWs)
sowie X.84 (Frame Relay PW).

TDMoIP ist eine von RAD entwickelte und patentierte Pseudowire-Technik für die Übertragung von
E1-/T1- oder E3-/T3-Verbindungen über paketvermittelte Netze. Das Verfahren ist inzwischen von
IETF, ITU-T und vom Metro Ethernet Forum (MEF) standardisiert. Der Transport erfolgt dabei
transparent für alle Protokolle einschließlich der Signalisierungsverfahren. Unternehmen können mit
TDMoIP eine sanfte Migration auf paketvermittelte Netze umsetzen und Sprach-, Video- sowie andere
Legacy-Daten über IP übertragen. Verbreitet ist auch die Realisierung von Standleitungen mithilfe
von TDMoIP. Ein von RAD entwickelter Hochleistungs-ASIC unterstützt sämtliche Standards von ITU-T,
IETF, MEF und IP/MPLS-Forum.

Eine besondere Herausforderung bei der Leitungsemulation über PSN stellt die Synchronisation
dar. Die Lösung für das Prob-lem liegt in einem hoch entwickelten, adaptiven Mechanismus für die
Wiederherstellung des Taktes (Clock Recovery). Er erreicht eine Genauigkeit von 16 Parts per
Billion. Dies entspricht den G.823-Verkehrs- und Synchronisierungsspezifikationen für Jitter und
Wander ebenso wie den Empfehlungen der Arbeitsgruppe ITU-T G.8261.

Die zuverlässige Bereitstellung von Diensten und das SLM (Service-Level-Management) erfordern
unbedingt eine klare Trennung zwischen dem Provider- und dem Kundennetzwerk. Für die Bereitstellung
von Ethernet-Diensten nennt man die speziellen Netzwerkabschlussgeräte (Network Termination Units,
NTUs) "EDDs" (Ethernet Demarcation Devices). Um eine durchgängige Servicegarantie zu gewährleisten,
bevorzugen die Netzbetreiber, EDDs als Übergabepunkte zu den kundeneigenen Endgeräten selbst zu
betreiben und den Kunden zur Verfügung zu stellen. Die Vorteile für beide Seiten sind deutlich zu
erkennen:

EDDs erleichtern das Angebot von Ethernet-WAN-Diensten. Aber nicht alle Kunden
und Dienste sind gleich. Um sich zu differenzieren, müssen die Provider flexible SLAs offerieren,
was sich mit EDDs umsetzen lässt.

EDDs ermöglichen die Ende-zu-Ende-Kontrolle und die Einrichtung eines
OAM-Pfades. Dies vermeidet gegenseitige Schuldzuweisungen bei der Zusammenschaltung mehrerer
Carrier-Netze.

EDDs unterstützen die Bereitstellung einheitlicher Ethernet-Dienste über
verschiedene Zugangstechniken. Dabei sorgen sie für die klare Trennung zwischen Zugangstechnik und
Dienst.

Die Terminierungsgeräte lassen sich von "sehr einfach" bis zu "hoch entwickelt" kategorisieren.
Wenn der Provider Ethernet in der klassischen Variante "Best Effort" (also ohne SLAs) anbietet,
könnte bereits ein einfacher Medienkonverter ausreichen, der das Glasfasernetz der letzten Meile
dem Kundennetz anpasst. Wenn der Provider den angebotenen Dienst aber detailliert kontrollieren
will, benötigt er intelligente NTUs. Und schließlich muss immer dann eine multiservicefähige NTU
implementiert werden, wenn der Kunde klassische TDM-Dienste über die Ethernet-Verbindungen
abwickeln will. Die relevanten Eigenschaften der NTUs lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Medienkonverter: ein einziger Benutzer-Port, Anpassung an verschiedene Medien,
gegebenenfalls Managementfunktionen, Basisfunktionen für die Fehlerdiagnose;

Ethernet NTU: Ende-zu-Ende-OAM, redundanter Uplink, Klassifizierung und
Priorisierung des Verkehrs, umfangreiche Statistiken und Meldungen bei der Überschreiten von
Schwellwerten, Bandbreitenzuordnung per Dienst, VLAN Tagging/Stacking, tiefgreifende
Diagnosefunktionen;

Multiservice NTU: unterstützt TDM-Dienste vergleichbar mit Festverbindungen,
Diagnose beinhaltet E1/T1-Loopbacks, Statistiken umfassen Jitter, Paketverlust, Sequenzfehler
etc.

Eine NTU stellt auf der Netzwerkseite den physischen Abschluss für die vom Provider angebotenen
Dienste bereit. Im Regelfall schließt die NTU eine Glasfaserstrecke ab, weil diese die Überbrückung
großer Entfernungen und hohe Datenraten ermöglicht. Die Kundenschnittstelle der Ethernet-NTU
erlaubt es dem Provider nicht nur, kritische Eigenschaften wie flexible und granulare Bandbreite
sowie CoS und VLANs anzubieten, sondern auch, diese dem Kunden per SLA zu garantieren. Bestimmte
Anwendungen wie VoIP und Leitungsemulation bedingen eine Priorisierung, um den Fluss von
Echtzeitanwendungen selbst dann aufrechtzuerhalten, wenn Quellen mit niedriger Priorität zu viel
Verkehr anliefern. Priorisierung und Bandbreitenzuteilung erfolgen typischerweise pro Dienst und
für den gesamten Anschluss. Zur Trennung der einzelnen Dienste werden die VLANs eines Kunden zu
einem VLAN-Stack gebündelt, damit die Zahl der VLANs im Betreibernetz nicht überdimensional
zunimmt. VLAN-Tunnels und die Auswertung des Tunnel-P-Bits (CoS) verhindern, dass der
Provider-interne Verkehr mit Anwenderdaten kollidiert.

OAM garantiert zuverlässige Dienste

Das gezielte Management von Ethernet-Diensten erfordert zudem eine Reihe von OAM-Fähigkeiten:
Fehlererkennung und -isolation, Streckenüberwachung, Ferndiagnose und Loopback-Tests, Verifizierung
der Konnektivität, Fehlerbegrenzung, Monitoring der Leistung, In- und Outband-Management, das
Fernladen von Software und die Fernkonfiguration. Diese Eigenschaften sind Teil der klassischen
Carrier-Class-TDM- und ATM-Techniken und finden nun Eingang in die Ethernet-Technik. Das Werkzeug
der Loopback-Diagnose zum Beispiel ist sowohl für TDM- als auch für Ethernet-Netzwerke eine
wichtige Funktion. Es ermöglicht dem Provider, seine Übertragungsstrecken bis hin zum Kunden
präzise durchzumessen, insbesondere wenn er neue Dienste bereitstellen oder Fehler eingrenzen will.
Schleifenmessungen sind seit jeher fester Bestandteil von TDM-Abschlussgeräten. Von zentraler
Stelle initiiert geben sie Aufschluss über den Zustand einer Leitung. In Ethernet-Netzen kommt
diese Methode in angepasster Form ebenfalls für die schnelle Diagnose zum Einsatz. Die Basis für
Ethernet-OAM-Funktionen liefern die Standards IEEE 802.1ag und ITU-T Y.1713, an denen naturgemäß
noch weiter gearbeitet wird.

Multiservice-Ethernet-NTUs

Weil Ethernet- und TDM-Dienste preislich konkurrieren, ist es sinnvoll, beide Optionen in eine
einzigen Multiservice-NTU zu integrieren, weil sich so die Bereitstellungskosten signifikant senken
lassen. Der Einsatz integrierter Geräte reduziert zudem den Bedarf an Lagerraum, vereinfacht das
Management und verringert die möglichen Fehlerstellen beim Kunden. Schließlich ist der Preis für
ein kompaktes Gerät niedriger als für zwei separate NTUs.

Die Kundenanforderungen reichen von der Unterstützung einiger weniger E1/T1-Leitungen bis hin zu
Dutzenden von E1/T1- und/oder E3/T3-Leitungen. In den POPs der Provider stehen als Gegenstück die
Aggregationsgeräte, die beide Transporttechniken unterstützen. Diese Geräte setzen den
TDMoIP-Datenstrom wieder in das passende Format von E1/T1, E3/T3 sowie fragmentierten E3/T3, OC-3
oder STM-1 um und leiten ihn in die existierenden TDM-Infrastrukturen weiter. Die erzielten
Kosteneinsparungen führen im Idealfall zu niedrigeren Tarifen für den Kunden oder zu mehr Leistung
zum gleichen Preis.


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