Messtechnik für lokale Netzwerke

Fehlerdiagnose in komplexen Netzen

19. Februar 2017, 8:00 Uhr | Von Dan Payerle.

Lokale Netzwerke werden immer komplexer und schneller. Gleichzeitig reagieren sie empfindlicher auf Verbindungs- und Leistungsstörungen. Der tägliche Geschäftsbetrieb ist heute so stark von funktionierenden Netzwerken abhängig, dass Ausfälle und reduzierte Performance hohe Kosten verursachen können. Dies bedeutet, dass die Netzwerktechniker mit der richtigen Messtechnik ausgestattet sein müssen, um derartige Störungen schnell identifizieren und beheben zu können.

Selbst heute noch treten die häufigsten Fehler in Netzwerken auf der physischen Ebene, das heißt auf Ebene des Übertragungsmediums auf. Dazu zählen fehlerhafte Terminierungen, Kabelschäden oder Empfangsprobleme in WLAN-Netzen. Ein einfacher Verdrahtungstester und ein Laptop sind bei der Fehlerdiagnose im Netzwerk sicher ganz nützlich, doch fehlen ihnen die Leistungsmerkmale, die ein vollwertiger Netzwerktester zur Verfügung stellt.

Fehler in der Verkabelung

Bei der Auswahl eines Testers sollte der Techniker die im LAN eingesetzten Medien berücksichtigen. Häufig bedeutet dies, sich für eine Lösung zu entscheiden, die für Tests an Kupferleitungen, Glasfasern und Funkschnittstellen geeignet ist. Nur dann ist der Techniker in der Lage, Störungen auf den Übertragungsmedien zu identifizieren sowie im Netzwerk und an den angeschlossenen Geräten eine effiziente Fehlerdiagnose durchzuführen.

Kupferkabeltester müssen mit anspruchsvollen Diagnosefunktionen ausgestattet sein, um Verdrahtungsfehler zu erkennen und zu lokalisieren. Ein konventioneller Verdrahtungstester überprüft für gewöhnlich die Paare 1-2, 3-6, 4-5 und 7-8 auf Fehler. Ein moderner Verdrahtungstester dagegen testet jeden Pin beziehungsweise jede Leitung, das heißt die Adern 1 bis 8 einzeln. Diese Fähigkeit stellt weitaus genauere Angaben zum Lokalisieren von Terminierungsfehlern zur Verfügung. Dem Techniker ist es also möglich, die Störung schneller zu beheben, da er genau weiß, wo die Ursache liegt (Bild 1).

LL12S06_Bild-1
Bild 1. Ein Verdrahtungsplan mit Angabe der Entfernung zu einem unterbrochenen Leiter (Pin 1).

Zu den Problemen, die am meisten Kopfzerbrechen bereiten, gehört das "Split Pair". Dieser Fehler entsteht, wenn an beiden Enden der Übertragungsstrecke die gleichen Adern, beispielsweise 1 und 3, miteinander vertauscht sind. In diesem Fall sind alle acht Adern 1:1 durchkontaktiert, und ein einfacher Verdrahtungstester würde keinen Fehler feststellen. Allerdings laufen die positiven und negativen Ethernet-Signale nicht mehr auf dem verdrillten Adernpaar (blau, orange, grün oder braun). Stattdessen würden in dem genannten Beispiel die Ethernet-Signale, die auf dem grünen Adernpaar (1-2) zur Übertragung kommen sollten, auf das grüne und orange Adernpaar (bei Verwendung des 568A-Verdrahtungsplans) aufgeteilt. Ebenso würde das Signal, das für das orange Adernpaar vorgesehen ist, auf das grüne und das orange Adernpaar aufgetrennt. Dies hätte erhebliche Störungen durch Übersprechen zwischen den Paaren zur Folge. Die Link-LEDs an den Geräten zeigen vielleicht immer noch eine funktionierende Übertragungsstrecke an, aber die Übertragungsgeschwindigkeit wird wahrscheinlich auf maximal 10 MBit/s sinken.

Auf der Glasfaser-Seite sollte der Tester eine ausreichende Vielseitigkeit bieten, um alle gängigen Wellenlängen und Übertragungsstandards zu unterstützen. Dabei ist grundsätzlich danach zu unterscheiden, ob die Dämpfung der Glasfaserstrecke mit einer separaten Lichtquelle und einem Leistungsmesser ermittelt oder der Tester über eine Glasfaserschnittstelle direkt an das LAN angeschlossen werden soll. Manche Tester verfügen über einen SFP-Port (Small Form-Factor Pluggable), an dem sich handelsübliche SFP-Module anschließen lassen, um das Netzwerk bei jeder gewünschten optischen Wellenlänge zu testen. Zwar sind die Testmöglichkeiten an der Glasfaser etwas eingeschränkt, doch erlauben die SFP-Module mit den integrierten Diagnosefunktionen dem Techniker, die ungefähre Streckendämpfung zu ermitteln, um Verkabelungsprobleme auszuschließen. Der Vorteil besteht darin, dass sich der Tester über die optische Schnittstelle direkt mit dem Netzwerk verbinden lässt, um eine genaue Ethernet-Datenanalyse durchzuführen.

LL12S06_Bild-2
Bild 2. Ursprünglicher Netzwerkplan mit zwei IP-Kameras (Axis) und weiteren Ethernet-Geräten.

Im Anschluss an die Überprüfung des Übertragungsmediums kann der Techniker ein vollwertiges Testsystem an das Netzwerk anschließen, um eine Diagnose der vorhandenen Ethernet-Geräte (Hosts) und der von ihnen übertragenen Daten durchzuführen. Netzwerktester sind als "Endpoint"- oder "Inline"-Systeme im Angebot. Ein "Endpoint"-Tester lässt sich wie jedes andere Netzelement als Endgerät an einem Endpunkt des LANs anschließen. Er besitzt einen RJ45-Port sowie eventuell einen optischen Anschluss und eine Funkschnittstelle (WLAN). Ein Inline-Tester dagegen ist mit zwei RJ45-Ports ausgestattet, die es erlauben, das Gerät zwischen zwei Punkten des LANs einzufügen - wie zwischen einem Rechner und der Wandsteckdose, zwischen zwei Switches oder zwischen anderen Netzelementen. Darüber hinaus lassen sich Inline-Tester auch als Endpunkt-Tester anschließen und bieten daher beide Einsatzmöglichkeiten.

Endpunkt-Tests

Im Endpunkt-Modus ist der Tester über die Kupfer-/Glasfaser-/Funkschnittstelle mit dem LAN verbunden und stellt zahlreiche Funktionen zur Installation und zur Fehlerdiagnose zur Verfügung, wie:

  • Prüfung der Port-Datenrate (10/100/1000 MBit/s) durch Anschluss an eine Datendose im Arbeitsbereich,
  • Testen der Verfügbarkeit von DHCP-Diensten, des VLAN-Status, des IEEE-802.1X-Status etc.,
  • Prüfung der Verfügbarkeit von PoE (Power over Ethernet) für VoIP-Telefone, IP-Kameras und Wireless APs,
  • Testen der Verbindung zu Netzwerkressourcen - wie Druckern und Servern - mit Ping und Traceroute sowie
  • direkter Anschluss an einen Ethernet-Host - wie PC, Netzwerkdrucker, IP-Kamera oder AP - zum Verifizieren der Funktion der Netzwerkschnittstelle sowie zum Prüfen der Autonegotiation-Einstellungen und der Port-Datenrate, um eine fehlerhafte Netzwerkverbindung am Host auszuschließen.
LL12S06_Bild-3
Bild 3. Vergleichender Netzwerkplan mit Anzeige einer fehlenden Kamera ("-").

Netzwerkplan

Eine "Netmap"-Funktion im Tester kann das Netzwerk absuchen und erstellt eine Liste aller angeschlossenen Hosts, um einen Netzwerkplan zu erstellen. Das Gerät sollte dem Techniker erlauben, die Suche auf ein Subnetz einzuschränken, um die Testdauer zu verkürzen, oder auch mehrere Subnetze einzubinden, damit eine umfassendere Suche möglich ist. Der so erstellte Netzplan lässt sich als Momentaufnahme des Netzwerks speichern. Er enthält die Namen und IP-Adressen der angeschlossenen Hosts sowie die Dienste, die diese Geräte dem Netzwerk anbieten.

Später ist es dann möglich, das Netzwerk erneut zu scannen und den aktuellen Netzwerkplan mit der zuvor erstellten Übersicht zu vergleichen. Dieser Vergleich kennzeichnet alle Veränderungen an den angeschlossenen Geräten und den angebotenen Diensten. Wenn beispielsweise eine Kamera ausgefallen ist, zeigt die vergleichende Darstellung den Gerätenamen und die IP-Adresse der defekten Kamera an (Bilder 2 bis 4).

LL12S06_Bild-4
Bild 4. Genaue Angaben zur ausgefallenen Kamera.

Inline-Tests

Inline-Tester lassen sich zwischen zwei beliebigen Punkten/Ethernet-Geräten anschließen, wobei der Verkehr durch den Tester rückwirkungsfrei hindurchfließt (Bild 5). Trotzdem erfasst das Gerät die Statistik zum Datenfluss. Diesen Tester fungiert wie ein Kontrollpunkt, dem nichts entgeht. Anzumerken ist, dass der Tester die Datenraten der zu beiden Seiten angeschlossenen Geräte unterstützen sollte. Wenn der Anwender einen Tester für 100 MBit/s zwischen zwei 1-GBit/s-Switches anschließt, entsteht ein Engpass, der zur Folge hat, dass der Tester selbst den zu testenden Datenstrom beeinträchtigt. Dies darf nicht sein.

LL12S06_Bild-5
Bild 5. Ethernet-Inline-Tester beschleunigen die Fehlerdiagnose im Netzwerk.

Da unter Umständen einfach zu viele Datentypen und zu große Datenmengen zu überwachen sind, ist es nützlich, wenn der Tester zudem die Möglichkeit bietet, sich auf die wichtigsten Parameter zu konzentrieren, um eine schnelle Fehlerdiagnose zu gewährleisten. Nachfolgend einige Beispiele für auswertbare Statistiken:

  • "Top Talkers": Dies zeigt diejenigen Netzwerkgeräte an, die die meiste Bandbreite belegen (Senden oder Empfangen). Ebenfalls aufgeführt sind die IP-Adressen der Websites, die zu viele Daten senden.
  • "Min/Max/Mittlere Bandbreite": Anhand dieser Angaben ist der Techniker in der Lage, die Belastung einer Übertragungsstrecke im Zeitverlauf einzuschätzen, um zu wenig oder übermäßig genutzte Verbindungen zu identifizieren.
  • Leistungsverbrauch in Watt eines angeschlossenen PoE-Gerätes.
  • Anzahl, Typ und Größe der Frames: Unicast-, Multicast-, Broadcast-Frames zur Identifikation der Quelle von Netzwerküberlastungen (Broadcast Storm).
  • Gesamtmenge der Daten, die während der Überwachungssitzung den Tester passiert haben.

Eine zu langsame Internet-Verbindung ist ein häufiges Problem, dem der Techniker mit einem Inline-Tester nachgehen kann. Dafür schließt er den Tester zwischen dem Internet-Router und dem Kernnetz an, sodass der gesamte Internet-Verkehr durch den Tester fließt. Auf diese Weise ist es möglich, die tatsächliche Datenübertragungsrate zum Internet zu messen. Außerdem können die "Top Ten"-Listen helfen zu erkennen, ob bestimmte Geräte oder Teilnehmer im Netzwerk eine ungewöhnlich große Menge an Bandbreite belegen (Bild 6).

LL12S06_Bild-6
Bild 6. Liste der zehn größten Bandbreitennutzer (Top Ten Talkers).

In einer anderen Beispielsituation ist ein einzelner PC im Netzwerk sehr langsam. In diesem Fall kann der Administrator den Tester zwischen dem PC und der Netzwerkdose anschließen, um den Datenverkehr dieses Geräts zu überwachen. Anhand der erhaltenen Werte ist erkennbar, ob der PC selbst Fehler generiert oder ob eine unbekannte Anwendung - vielleicht ein Virus - im Hintergrund läuft und große Volumen an Netzwerkverkehr erzeugt.

LL12S06_Bild-7
Bild 7. Status des VoIP-Verbindungsaufbaus.
LL12S06_Bild-8
Bild 8. Angaben zur VoIP-Dienstgüte.

Wenn der Tester Diagnosefunktionen für VoIP-Verbindungen bietet, lässt er sich zwischen einem VoIP-Telefon und dem Netzwerk anschließen, um potenzielle Störungen in der Telefonverbindung zu analysieren. Bei schlechter Sprachqualität oder häufigen Verbindungsabbrüchen ist es möglich, mit dem Tester und speziellen VoIP-Messungen, wie Jitter und Latenz, die tatsächliche Leistung gegen Industrienormen für die VoIP-Dienstgüte (QoS) zu prüfen (Bild 7 und 8).

Dan Payerle ist Business Unit Manager, Network Test, bei Ideal Industries Networks ().

Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Packettrap

Matchmaker+