Wenn im Kontext von Social Media von einem "Mem? (englisch: " Meme") die Rede ist, dann geht es in aller Regel schlicht um eine Idee, ein Konzept oder einfach nur einen Begriff, der dank der Schnelligkeit und Reichweite des nicht umsonst so genannten World Wide Webs rasch Verbreitung findet. Solche spontanen (oder auch gezielten) Wucherungen der Internet-gestützten Kommunikation können sich per Hyperlinks, E-Mails, Videos oder auch über Blogs und Social Networks verbreiten. Als wahre Memschleuder hat sich wiederholt das Social Information Network Twitter erwiesen.
Ein Twitter-Mem dient in aller Regel einem Zweck, den der Laie als Zeitverschwendung oder
Prokrastination bezeichnen mag, den der Fachmann aber sofort als neue Kunstform erkennt: als rasend
schnell um sich greifende, wenn auch nur kurzfristig aufblühende Kollektivblödelei. Ich nenne das
jetzt einfach mal "Crowdjoking?.
Twitter ist aus einem einfachen Grund eine höchst effiziente Mem-Maschine: Dank der auf Twitter
üblichen Verschlagwortung von Twitter-Nachrichten per Hashtag (?#?-Zeichen) lassen sich Tweets in
Nullkommanichts als Beitrag zu einem bestimmten Thema oder eben auch Mem kennzeichnen. Und über
Hashtag-Häufungen im Freundeskreis oder über die "Trending Topcis? auf der Twitter-Homepage wird
ein unbedarfter Unbeteiligter schnell auf ein neues Mem aufmerksam.
Ein schönes Beispiel lieferte der Hashtag "#Nerdspeisen?, der Ende 2010 unter deutschen Nutzern
eine kurze Blüte erlebte. Das Tweet-Rezept war – wie für die rasante Mem-Verbreitung zwingend
erforderlich – recht einfach: Die beteiligten Tweeter verballhornten Namen von Speisen unter
Verwendung von Begriffen aus der IT. So entstand in kürzester Zeit eine Silvester-Speisekarte aus
Gerichten wie Big iMac, Googlehupf, Oraclette mit Open Sauce, Spamferkel, FrühlingsLOLen und
KaROFLsalat. (Wer die Twitter-Akronyme nicht kennt: LOL = Laughing Out Loud, ROFL = Rolling on the
Floor Laughing.) Zum Dessert konnte man unter anderem aus Mailspeisen oder Microsofteis wählen.
Wenige Tage später fand im englischen, aber mit etwas Zeitversatz auch im spanischen Sprachraum
der Hashtag "#lessambitiousmovies? (deutsch: weniger ehrgeizige Filme) spontanvirale
Verbreitung.
Der – wiederum schnell durchschaubare – Mechanismus: Ein Filmtitel wird durch eine abgeschwächte
oder entschärfte Variante ersetzt. Nimmt man zum Beispiel Welpen statt ausgewachsener Hunde, so
wird aus dem Quentin-Tarantino-Reißer "Reservoir Dogs? ganz schnell "Reservoir Puppies?, und
verlegt man eine Filmhandlung von den Häuserschluchten New Yorks in die beschauliche Provinz
Neuenglands, dann erhält man eben "Gangs of New Hampshire?. Klar, oder? Manchmal musste man auch
ein bisschen mehr mitdenken, etwa bei "Canadian Beauty? oder dem genial reduzierten "Titanic 2?.
Für die des Englischen einigermaßen mächtigen Filmfans unter uns folgt hier eine kleine Auswahl
nicht ganz so wahnsinnig rasend ehrgeiziger Filmtitel: Star Squabbles, Star Pillow Fights, The
Empire Talks Back, The Empire Sends a Strongly Worded Letter, Thicket Gump, The Fear of Living
Dangerously, Saving Private Ryan 15 Percent on His Car Insurance, Hoping Private Ryan Makes It,
Inglorious People with Really Nice Parents, Around the Block in 80 Days, The Averge-Height
Lebowski, Abstinence in the City, 2001: A Short Bicycle Trip to Blockbuster to Return Some Videos,
Lawrence of Albuquerque, Lawrence of Suburbia, Blade Jogger, The Fifth Sense, Partial Recall, The
Sound of Muzak, Men in Beige, Prince Kong, Schindler?s To-do List, Schindler?s Note to Self, Lord
of the Onion Rings, Try Hard, Die Peacefully in the Comfort of Your Home Surrounded By Those You
Love, The Occasionally Off-Limits Planet, The Girl with the Tribal Tattoo, Some Like It Tepid, TRON
1.0.0.1: The Bug Fix, Honey I Shrunk the Laundry, Socially Acceptable Dancing, Charlie and the
Chocolate Bar, 3.50 Dollar Baby, Pulp Documentary, Ben Who?, Aging Bull, Harry Potter and the Order
of Fries, The Day After Yesterday, The Devil Wears Nada, Eat Pray Nap, Conan the Librarian, One of
Very Few Remaining Tangos In and Around Paris, In the Mood for Lunch, Dial O For Operator, Dial O
for Oops Sorry About That, The Ten Suggestions, Alice in Switzerland, Four Weddings and Someone
with a Bit of a Tickly Throat sowie – beigetragen vom Verfasser dieser Zeilen höchstselbst – The
Good, the Bad, and the Aesthetically Challenged, A Streetcar Named "Like? Button, The Analyst of
Oz, Saving Private Word Documents und An Inconvenient Tweet.
Da sieht man doch, wozu der menschliche Geist in der Lage ist, verfügt sein zugehöriger Körper
nur über etwas Freizeit und einen Twitter-Client. Lasst Meme wachsen!
LANline/
http://metaphorous.com" target="_blank" href="http://metaphorous.com">Dr. Wilhelm
Greiner