Barack Obama gilt als der erste US-Präsident, der es verstanden hat, das Web 2.0 für seinen
Wahlkampf zu nutzen. Presse, Websites und Blogger äußerten sich damals gerne lobend zum Beispiel
über seine Präsenz auf Facebook (wo El Presidente heute
knapp eine halbe Million Fans hat, dazu weit über
sieben Millionen Fans auf der Seite seiner Grassroots-Bewegung "
Organizing for America").
Heute nutzt die offizielle Site des US-Präsidenten
www.whitehouse.gov das auch für Web-2.0-Szenarien beliebte
Open Source CMS (Content Management System)
Drupal, was für
große Freude in der Drupal-Community gesorgt hat (siehe dazu
hier).
Das
Weiße Haus twittert natürlich auch, die Tweets
erreichen knapp 1,7 Millionen Followers.
Jetzt fehlt bloß noch, dass Obama auch noch seine eigene iPhone-App ? upps, sorry: fehlt nicht!
Auf seinem Blog
http://www.whitehouse.gov/blog/2010/01/19/whitehousegov-anywhere">meldete das Weiße
Haus kürzlich, dass man die Neuigkeiten und neuen Inhalte auf whitehouse.gov nun auch via
iPhone-App mitverfolgen kann, die in Apples App Store kostenlos verfügbar ist.
Obama eroberte das coole Szene-Handy mit perfektem Timing: gerade rechtzeitig vor seiner großen
Ansprache, der State of the Union Address, weshalb diese auf dem White-House-Blog auch umgehend als
"
State of the Union 2.0?
angekündigt wurde.
Das Weiße Haus bloggt, twittert, facebookt, postet Multimedia-Material, hat eine iPhone-App, man
kann die whitehouse.gov-Einträge taggen und sharen, man kann die Updates als RSS-Feed bestellen
(und natürlich auch ganz konventionell als E-Mail-Newsletter). Also alles Obama 2.0?
Was man auf whitehouse.gov vermisst, sind die in Social Networks üblichen Feedback-Mechanismen,
etwa Kommentare zu den Blog-Einträgen, Ratings oder Diskussionsforen. Auch die iPhone-App ist ein
reiner Output-Mechanismus ohne Feedback-Kanal, wie die US-Site
http://www.fastcompany.com/blog/kit-eaton/technomix/white-house-your-iphone-propaganda-tool">Fastcompany.com
bemängelte, die das Appchen dann auch gleich als Propaganda abtat ? als ob eine
White-House-Software unparteiisch sein müsste. Und als ob es in der US-amerikanischen Politik
irgend einen anderen Kommunikationsstil gäbe als den kontinuierlichen Propaganda-Schlagabtausch,
gerne auch mal unter die Gürtellinie, da kennen insbesondere republikanische Hardliner keine Grenze
nach unten. (Einfach mal danach googeln – oder besser nicht.)
Wäre whitehouse.gov tatsächlich eine vollwertige Web-2.0-Site, böte sie die Plattform für die
wahrscheinlich übelste Propaganda-Schlammschlacht seit? tja, seit dem letzten
US-Präsidenten-Wahlkampf: Diffamierung 24×7, Politparolen rund um?s Jahr. Fastcompany meint zwar: "
Bevor man argumentiert, dass solche Feedback-Möglichkeiten schnell in kleinliche parteiische
Beschimpfungen abdriften würden, sollte man sich in Erinnerung rufen: Wenn irgend jemand in der
Lage ist, ein Team von Forum-Moderatoren anzuheuern, um die Diskussionen zu überwachen, dann ist es
das Weiße Haus.? Tja, und wenn für den ganzen Zirkus irgend jemand aufkommen muss, dann ist es der
Steuerzahler.
Nicht jeder Einsatzfall ist für das Web 2.0 gleich gut geeignet, und kein Mensch braucht Extreme
Schlammschlachting 2.0. Vielleicht ist es ja manchmal einfacher und möglicherweise sogar eleganter,
sich ganz "Web 2.0? zu geben – um sich dann aber mit Web 1.5 zufriedenzugeben.
LANline/
Dr. Wilhelm Greiner