Lösungen für das Business-Service-Management

Hautnah am Geschäft

12. Juli 2006, 23:15 Uhr | Hadi Stiel/wg Hadi Stiel ist freier Journalist in Bad Camberg.

BSM-Lösungen (Business-Service-Management) sollen IT-Probleme auf Geschäftsprozessebene in Form geschäftlicher Kenngrößen darstellen. Damit versuchen Hersteller wie Hewlett-Packard (HP), IBM Tivoli, CA, BMC und Evidian die Vorstände und Geschäftsführer als Kaufentscheider zu erreichen. Dabei muss jedoch die Überwachung sämtlicher IT-Systeme, IT-Services und Geschäftsprozesse nahtlos ineinander greifen.

Über schnelles Erkennen geschäftlicher Einbußen hinaus lockt BSM die Unternehmen mit weiteren
Vorteilen: Es soll auch die Problembehebung innerhalb der IT nach Stellenwert für das laufende
Geschäft priorisieren. Schließt die IT-Abteilung die gravierendsten Folgen zuerst aus, führt das zu
stabileren und performanteren Prozessen und damit zu höherer Wertschöpfung, so die Anbieter.

Je nach Fortschritt der Gesamtarchitektur – Prozessorientierung, Datenintegration,
Informationsweiterleitung – fällt die Einblendung betriebswirtschaftlich relevanter Kenngrößen
zwischen den Herstellern unterschiedlich aus. Carsten Becker, Software Sales Manager Deutschland
bei HP, verweist für Openview auf prozessbezogene Darstellungsgrößen wie Umsatzminus,
Gewinnverlust, Verlust an durchgesetzten Paletten oder Paketen, Minus an abgeschlossenen
Verkaufsverträgen.

IBM Tivoli betont mit seinem Rahmenwerk "Business Systems Management" die enge Anlehnung an die
IT-Infrastruktur. Uwe Tron von IBMs Data Center Sales spricht von "IT-Verfügbarkeits- und
-Performance-Werten, die automatisch über die hinterlegten Service-Levels auf ihre Auswirkungen auf
Geschäftsabläufe gespiegelt werden". Dementsprechend techniknah sind die Aussagen, die am Executive
Dashboard über die Qualität der Geschäftsprozesse Auskunft geben. Tron nennt "die Kontinuität von
Geschäftsabläufen, Kosten durch Systemausfälle und -engpässe sowie Auswirkungen auf Abteilungen und
Außenbeziehungen". Die Informationsverknüpfungen, um von den IT-Ereignissen auf die Auswirkungen
auf Prozessebene schließen zu können, sind mittels einer spezifischen Datenbank über proprietäre
Strukturen und Formate festgelegt.

Bei BMC sieht man die betriebswirtschaftlichen Folgen von Prozessproblemen vorerst entkoppelt
von der IT-Infrastruktur und den hinterlegten IT-Service-Levels: "Auch Gründe wie unsachgemäße
manuelle Eingriffe können auf Prozessebene zu gravierenden Einschränkungen führen", so Bernd Much,
Director BSM Competence Center Germany bei BMC. Dafür werden innerhalb der BSM-Lösung
Service-Levels auf Prozessebene für einzelne Abschnitte definiert. Diese Vorgabewerte erlauben
Rückschlüsse auf Prozesseinschränkungen und betriebswirtschaftlichen Folgen. Der Blick auf die
Entwicklung der IT-Services offenbart, ob das Problem technischer Natur ist. "Dann lässt sich über
IT-Services und die Prob-lemanalyse automatisch der Rückschluss auf den IT-Verursacher ziehen", so
Much. Gateways vermitteln in dieser Konstellation zwischen der Geschäftsprozessebene und den
IT-Ereignissen (Events, Alarmen). An den Weitverkehrsschnittstellen ist generell nur ein grober
Schluss von den Prozessproblemen auf die IT-Systeme möglich. Denn Service-Provider verstehen in der
Regel nur technische SLAs (Service Level Agreements) auf Netzwerkebene und liefern bestenfalls
Antwortzeiten.

Evidian setzt mit seiner BSM-Lösung Openmaster auf eine konsequente logische Sichtweise,
dargestellt über XML-Strukturen (Extensible Markup Language). Parallel dazu hält eine
herstellerspezifische objektorientierte Datenbank alle Elemente, ihre Beziehungen und notwendige
Messparameter vor. Ein Applikationsbus fungiert als Informationsmittler zur Prozessebene.

Kommt es zu Problemen in der IT-Architektur, bildet die Lösung diese über die Hierarchie
automatisch auf die betroffenen Geschäftsprozessabschnitte ab. Dieser Abschnitt erscheint in der
Webkonsole dann rot. Die Dauer der Rotphase erlaubt Rückschlüsse auf die geschäftlichen Folgen. Die
Parameter dafür sind zuvor in Skriptform zu hinterlegen. "Zu- oder Auslieferrückstände oder die
Umsatz- oder Gewinneinbußen durch den Ausfall eines Onlinebestellsystems werden damit in der
Browser-Oberfläche transparent", so Evidian-Consultant Walter Trojan. "Je höher der Automationsgrad
der Geschäftsabläufe, desto eher rentiert sich die Hinterlegung solcher Skripts."

BSM schreit förmlich nach einer umfassenden Informationsinstanz über alle darin angesiedelten
Datenbanken – Alarm-, Konfigurations-, Asset-, Service-Level- und Kenngrößendatenbanken – hinweg. "
Wenn die Auswirkungen über alle Ebenen des Geschäftssystems betrachtet werden, muss auch die
Informationsgabe Schritt halten", so Thomas Kämmerer, Senior-Berater bei Unilog Avinci. Die
ganzheitliche Informationssicht sei erforderlich, um für das Projekt und spätere Optimierungen "die
Geschäftsprozesse im Einklang mit den IT-Services und der IT-Infrastruktur zu modellieren." Nur
unter dieser Voraussetzung zahle sich BSM für die Unternehmen aus, so Kämmerer. Als passendes
Modell für "glatt gezogene Prozesse" sieht er SOA (Service-Oriented Architecture).

Zentrale Informationsinstanz gefordert

HP hat den Schritt zur übergreifenden Informationsinstanz mit Openview Dash- board weit gehend
vollzogen. Laut Mark Potts, dort CTO Strategy and Technology Office Software Global Business Unit,
erlaubt dies den "umfassenden Einblick in alle tragenden BSM-Ebenen: von der technischen
Infrastruktur mit sämtlichen IT-Domänen über die darüber liegende IT-Serviceebene mit den
definierten Service-Levels bis hin zu den Geschäftsprozessen mit den angezeigten Einbußen."
Informationen von IT-Managementwerkzeugen anderer Hersteller sind laut Potts über Schnittstellen
wie XML ins Dashboard überführbar. Auch der Service-Desk profitiere von dieser ganzheitlichen
Informationssicht in Form einer effizienteren und umfassenderen Benutzerunterstützung.

IBM Tivoli zielt für die nahe Zukunft auf eine übergreifende technische Datenbank, die die
Informationen der Alarm-, Konfigurations- und Asset-Datenbank enthalten soll. "
IT-Service-Management und Geschäftsprozessmanagement mit dem Executive Dashboard werden weiterhin
mit separaten, spezifischen Datenbasen operieren", räumt Tron ein. Für ergänzende Reports rund um
BSM könne man schon heute ins Tivoli Enterprise Data Warehouse verzweigen.

BMCs Konzept, Einbußen und die damit verbundenen geschäftlichen Folgen vorerst auf Prozessebene
zu betrachten, prägt auch die Informationsstrategie dieses Herstellers. Das Herz der
Informationsgabe bildet die Remedy-ITSM-Suite auf Basis der Atrium-CMDB (Configuration Management
Database). Hängen Prozesseinschränkungen mit der IT zusammen, erfolgt von hier aus der Verweis auf
weiter führende Informationen der Alarm- und Asset- und nach oben zur Service-Level- und
Kenngrößendatenbank. "Dieses Referenzieren erfordert Konvertierungsprozesse, weil die einzelnen
Datenbanken mit unterschiedlichen Ablageformaten arbeiten", räumt Much ein. Die Präsentation
sämtlicher Informationen erfolge aber unter einer Bedieneroberfläche, die der CMDB. Für Evidians
Openmaster verweist Trojan auf die per XML-Strukturen durchgehende logische Sichtweise, die sich
von den Geschäftsprozessen bis hinunter zu den Systemen der einzelnen IT-Domänen spannt.

CAs Architekturansatz für den BSM-Markt nennt sich "EITM" (Enterprise IT Management). "EITM wird durch die CA-eigene Integrationsplattform umgesetzt, die neben einer einheitlichen Benutzeroberfläche und einer Workflow-Engine unter anderem die Management Datenbank (MDB) zur Verfügung stellt", so Georg Lauer, Regional Manager Technology Services bei CA. Darauf basieren laut Lauer alle R11-Releases der Managementlösungen von CA, darunter Unicenter Service Desk, CA Service Management oder Unicenter Asset Management. Über Schnittstellen kann Unicenter die Performance-Werte automatisiert für betriebswirtschaftliche Auswertungen übergeben. Die erst 2005 erworbenen Lösungen Spectrum und Ehealth verfügen noch nicht über ein MDB-Interface. "Auf GUI-Ebene ist die Integration bereits vollzogen", so Lauer. "Im nächsten Schritt steht nun die Unterstützung der MDB an. Hier wird man noch diesen Sommer mit einem Ergebnis rechnen dürfen."

Dr. Wilhelm Greiner

BSM soll Serviceeinschränkungen und ihre betriebswirtschaftlichen Auswirkungen auf Prozessebene transparent machen. Die Hersteller umwerben Entscheider in Zeiten der Prozessautomation und zunehmender Geschwindigkeit des Geschäfts mit einer schnellen, priorisierten Problembehebung. Zahlreiche Lücken im Gesamtsystem gibt es dennoch: Bisher weisen die Lösungen nur wenige betriebswirtschaftliche Kenngrößen aus: Viele Kenngrößen sind weiterhin technischer Natur, passen also nicht ins Bild des kaufmännischen Controllings, viele IT-Probleme sind nicht oder nur ungenau als betriebswirtschaftliche Kenngrößen darstellbar. Die direkte Abbildung betriebswirtschaftlicher Kenngrößen setzt eine automatische Problemdiagnose über die Korrelationsmaschine voraus. Deren Trefferquote liegt aber selten bei mehr als 80 Prozent. Für eine lückenlose betriebswirtschaftliche Ende-zu-Ende-Bewertung von Geschäftsabläufen fehlen von Provider-Seite aussagekräftige Messgrößen. Diese wenigen Größen liefern die Provider zudem nur mit Verzug. Beim Gros der angebotenen BSM-Architekturen stehen maßgebliche Neuerungen noch aus, so die Integration aller beteiligten Datenbasen und die Herausbildung einer durchgehenden, standardkonformen Struktur der Informationsweiterleitung bis zur Prozessebene. Entgegen der Vermarktung einer schnellen Umkonfiguration von IT-Systemen bei Problemen sind die IT-Spezialisten weiterhin mit proprietären Elementmanagern und spezifischen Administrationsoberflächen konfrontiert. Zu alledem reicht oft der Grad IT-gestützter Automation einzelner Geschäftsprozesse nicht aus, um BSM lohnend einzusetzen.


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