Citrix hat im Mai mit dem Presentation Server 4 sein neues Flaggschiff im Server-based-Computing-Markt freigegeben. Der PS4 geht die Lösung diverser Probleme aus dem SBC-Umfeld an. Da er recht umfangreiche Änderungen mit sich bringt, konzentriert sich dieser Artikel auf die wichtigsten Neuerungen, die vermutlich für die meisten Anwender von direktem Nutzen sind.
Der Hype um "Alles muss webbasiert werden" hat sich im letzten Jahr wieder etwas gelegt.
Allmählich kehrt die IT-Welt zur kostengünstigen Umsetzung anstehender Projekte mit dafür
optimierten Mitteln zurück. Auch die ehrgeizigsten Verfechter der "neuen Webservicewelt" haben
erkannt, dass nicht jede komplexe 32-Bit-Windows-Applikation dem Benutzer als Webanwendung Freude
bereitet oder gar kostengünstig auf die Webbasis portierbar ist. Deshalb erlebt der SBC-Markt
(Server-based Computing) mit Windows-Terminal-Services (WTS) einen neuen Boom. Denn immer mehr
große und auch kleinere Unternehmen streben aus Kostengründen eine starke Zentralisierung ihrer
Anwendungen an. WTS und meist auch Citrix-Server sind hier das Mittel der Wahl.
Doch auch mit den Windows 2003 Terminal-Services und Citrix Metaframe Presentation Server 3
waren noch nicht alle Anwendungen zufriedenstellend zentralisierbar. In Projekten tauchten
teilweise immer noch unüberwindbare Hürden auf: Manche Anwendung ist nicht WTS-tauglich. Manche
Host-Emulation läuft nicht mit anderen WTS-Sitzungen auf derselben IP-Adresse. Manch ein
Druckertreiber generiert extrem große Druckjobs und eignet sich damit nicht für eine
Filialanbindung mit schmaler Bandbreite. Für die Lösung solcher und anderer Probleme hat Citrix nun
nachgelegt und mit dem Metaframe-Nachfolger Presentation Server 4 (PS4) sein neues SBC-Flaggschiff
vorgestellt.
Benutzer eines PDAs mit Windows Mobile und USB-Anschluss haben sich lange mit zwei unlösbaren
Problemen bei WTS-Administratoren unbeliebt gemacht: Der Terminal-Server und Citrix unterstützten
den USB-Anschluss nicht, und MS-Activesync – die Anwendung zur Synchronisation mit Outlook – war
nicht Terminal-Server-tauglich. Mit dem PS4 bietet Citrix nun eine Lösung für beide Probleme
an.
Mithilfe des neuen Win32 ICA Client v9.0 und "Virtual COM Port Mapping" behandelt der PS4-Server
den am USB-Port angeschlossenen Windows-Mobile-PDA wie ein Gerät an einem COM-Port. Somit lässt er
sich bis zum Citrix-Server in die Sitzung des Benutzers durchschleifen und der Anwendung zur
Verfügung stellen (Bild 1).
Da sich Activesync am Terminal-Server immer noch nicht auf normalem Weg installieren und in
mehreren Sitzungen gleichzeitig aufrufen lässt, hat Citrix für solche Applikationen eine
Anwendungsisolation eingeführt. Das neue "Application Isolation Environment" (AIE) sorgt bei der
Installation der problematischen Anwendung für eine Umgebung, die der Applikation suggeriert, sie
wäre allein auf dem Server. Das ermöglicht den Parallelbetrieb von Anwendungen, obwohl diese sich
normalerweise gegenseitig stören oder einander Konfigurationsdaten überschreiben würden. Das
Verfahren stellt bei jedem Aufruf der Anwendung eine eigene "Hülle" zur Verfügung, in der nur sie
ihre Daten ablegt. Voraussetzung sind eigene Pfade in den Programm- und Benutzerverzeichnissen und
in der Windows-Registry. Die Anwendung merkt jedoch nichts, da die weiterhin auf ihre üblichen
Pfade und Registry-Werte schreibt. AIE biegt jedoch jeden Aufruf auf die neuen Pfade um und sorgt
somit für die notwendige Isolation. Zusätzlich ist AIE auch die Lösung für die bisher nicht
mögliche Parallelinstallation von alten und neuen Anwendungen – zum Beispiel Access 2003 neben
Access 95 – und unterschiedlichen Sprachversionen derselben Applikation.
Das Problem des Betriebs nicht kompatibler Anwendungen auf einem WTS hat Citrix durch die
AIE-Einführung recht umfassend gelöst. Nicht vollständig lösen konnte die USB-Unterstützung von PS4
hingegen das Problem mit verschiedensten USB-Geräten, die der Anwender gerne in seiner
Citrix-Sitzung sehen möchte. Der USB-Bus ist zu komplex, als dass sich jedes erdenkliche Gerät am
USB-Bus in einer Sitzung durchschleifen ließe. Citrix konzentrierte sich lediglich auf die Themen,
die in Projekten die größten Probleme verursachten – zum Beispiel die Scanner-Unterstützung.
Der effiziente Scanner-Betrieb an einem Arbeitsplatz mit Zugang zu Anwendungen auf
Citrix-Servern erfordert nicht nur die reine Unterstützung des Scanners am USB-Bus, sondern auch
die optimierte Übertragung eingescannter Daten zum Citrix-Server. Denn was nützt der Scanner am
Arbeitsplatz, wenn der Citrix-Server nur über eine schmale Leitung erreichbar ist und der Anwender
mehrere MByte Daten pro Scan produziert?
Über eine Richtlinie in der Farm erlaubt es PS4, die Twain-Unterstützung und Datenübertragung
den Gegebenheiten anzupassen und für den Datentransfer bei Bedarf eine Kompression einzurichten
(Bild 2). Je höher der Anwender jedoch die Kompression wählt, desto schlechter kommt das
Scan-Ergebnis bei der Applikation auf dem Citrix-Server an. Statt sofort mit einer hohen,
verlustbehafteten Kompression zu arbeiten, empfiehlt sich daher eine Einweisung der Benutzer. Hier
kann der Administrator erklären, dass Scans mit niedrigerer Auflösung oft optisch nicht von hoch
auflösenden Scans zu unterscheiden sind, jedoch nur einen Bruchteil der Datenmenge produzieren.
Eines der wichtigsten Problemfelder in Citrix-Projekten ist das Drucken. Hierbei geht es meist
um die Unterstützung vorhandener Drucker auf dem Citrix-Server und die Größe der Druckjobs bei
schmaler Bandbreite zwischen Client und Server. Citrix hat deshalb beim PS4 das bisherige
Universal-Printer-Driver-Konzept sehr stark geändert. PS4 unterstützt nun Drucker am Client-PC über
EMF-Druck (Enhanced Metafile) statt der bisherigen PCL-kompatiblen (Printer Control Language)
Druckmethode. Der Druckjob erreicht den Client sozusagen im "Rohformat". Dieser sendet den Job dann
über den neuen Win32 ICA Client v9.0 an seinen lokalen Druckertreiber, der ihn in das endgültige
Format umwandelt und druckt. Dies bringt den Vorteil einer im Allgemeinen deutlich kleineren
Druckdatei zwischen Citrix-Server und Client-PC sowie einer umfangreicheren Unterstützung von
Druckertypen. Die Druckgeschwindigkeit lässt sich laut Citrix abhängig vom Druckermodell um bis zu
50 Prozent steigern. Über das Eigenschaftenfenster des Druckertreibers wählt der Anwender exakt die
Einstellungen für den gewünschten Ausdruck, da die Auswahl direkt am Client erfolgt.
Die Änderung des Universal Printer Drivers ermöglicht völlig neue Ansätze bei Druckkonzepten in
SBC-Projekten. Sie erlaubt nun mit Citrix-Bordmitteln die Druckerunterstützung in Umgebungen, in
denen sie bisher nur sehr schlecht oder nur mit Lösungen zusätzlicher Anbieter möglich war.
Ein weiterer Wunsch der Anwender war ein besseres Management von Server-CPU und -RAM, um
möglichst fehlerfrei, performant und kostengünstig mit zentralisierten Applikationen arbeiten zu
können. Eine Überwachung und bei Bedarf auch Steuerung der Prozesse dient der gerechteren
Verteilung der CPU-Zeiten. Sobald das Überwachungs-Tool einen Prozess erkennt, der die CPU zu 100
Prozent auslastet, kann es die CPU-Nutzung neu priorisieren, sodass die anderen Prozesse wieder
mehr CPU-Zeit erhalten. So legt das "Hängenbleiben" eines Prozesses in einer Sitzung nicht mehr den
ganzen Server lahm und hindert nicht mehr alle aktiven Benutzer am Arbeiten. Insgesamt verbessert
das CPU-Management laut Hersteller die Skalierbarkeit des Servers um zirka zehn bis 25 Prozent.
Moderne Anwendungen bieten heutzutage immer mehr Benutzerkomfort, benötigen aber meist im
Gegenzug auch wesentlich mehr Ressourcen als die Vorgängerversionen. Sitzungen mit durchschnittlich
mehr als 120 MByte RAM sind heute in Projekten keine Seltenheit mehr. Auf einem Terminal-Server ist
der Arbeitsspeicher daher oft die kritische Komponente. Falls es also möglich ist, RAM durch
Umschichtung oder gemeinsamer Nutzung geladener Module (DLLs) besser auszunutzen, könnte dies mehr
Benutzer auf einer WTS-Maschine ermöglichen – sofern die CPU nicht durch die weiteren Sitzungen
vorher schon gesättigt ist.
Anders als das CPU-Management verfolgt die Überwachung des RAM-Bedarfs von Anwendungen (Bild 3)
nicht das Ziel, kurzfristige Spitzen abzufangen. Vielmehr ist sie eher langfristig auf die bessere
RAM-Nutzung ausgelegt, um mehr Sitzungen auf einem Server betreiben zu können und damit die Kosten
für Serverhardware und andere serverabhängige Kosten niedriger zu halten.
Die Umschichtung geladener DLLs im RAM zur besseren gemeinsamen Nutzung ist anwendungsabhängig
und nicht gerade trivial. Das Verfahren erfordert einen Lernprozess. Der Mix installierter
Anwendungen und ihrer DLLs entscheidet darüber, ob eine Optimierung des RAM-Bedarfs möglich ist
oder nicht. Ein garantierter Gewinn ist nicht immer vorherzusagen. Für viele Standardanwendungen
ist eine Optimierung allerdings sehr wahrscheinlich. Laut Citrix lässt sich die Skalierbarkeit um
zirka fünf bis 15 Prozent steigern.
Einige Host-Emulationen waren bisher das K.o.-Kriterium für ein Terminal-Serverprojekt. Denn der
Host identifiziert die Sitzung nur anhand ihrer IP-Adresse, die natürlich für alle WTS-Sitzungen
gleich ist. Die Einführung virtueller IP-Adressen beim PS4 hat auch dieses Problem gelöst: Jeder
Sitzung steht eine eigene IP-Adresse zur Verfügung. Der Administrator definiert den Adressraum
dafür in der Farm und weist ihn den Servern zu.
Citrix ist mit dem Presentation Server 4 wieder ein großer Schritt nach vorn gelungen. Features,
die die Anwenderschaft für die Umsetzung von SBC-Projekten dringend benötigte, sind nun integriert
und überwinden bisher schwer- oder unlösbaren Probleme. Allein der neue Universal Printer Driver
dürfte vielen Kunden den Umstieg auf PS4 beziehungsweise den Einstieg in eine strategische
Zentralisierung von Anwendungen schmackhaft machen. In Verbindung mit einer Lösung zur
vollautomatischen Citrix-Farminstallation und -konfiguration lassen sich dann schnell und
kostengünstig auch sehr große Serverfarmen mit mehreren hundert Servern aufbauen und betreiben.