Das Internet of Everything (IoE) soll nach den Vorstellungen Ciscos Menschen, Prozesse, Daten und Dinge zu einem organischen Ganzen verbinden. Es geht damit noch einmal deutlich über das hinaus, was in der Branche gerne als das "Internet der Dinge" (Internet of Things, IoT) bezeichnet wird. Aber vor allem umreißt der Begriff einen Markt, der dem Unternehmen auf lange Sicht schier unerschöpfliches Wachstum verheißt, denn Kern des IoE ist auch Kern von Cisco: Netzwerke.
Der Coup, den Cisco vor einigen Monaten auf seiner Rekord-Cisco-Live-Konferenz in Szene setzte, könnte wohl genialer kaum sein: Erst etwa 0,7 Prozent der Dinge, die prinzipiell über das Internet vernetzt sein könnten, seien bis dato tatsächlich in das Netzwerk eingebunden; die nächsten mindestens zehn Jahre würden davon geprägt, sukzessive die übrigen 99,3 Prozent ins Netz zu holen.
Ähnlich der „Smarter Planet“-Initiative von IBM ist auch bei Cisco oberstes Ziel, etwa Gebäude, Anlagen, Fahrzeuge, Städte etc. mit Hilfe intelligenter Steuerungen (Sensoren) und Mechanismen effizienter, sicherer und einfacher zu machen. Während jedoch IBM für diese Entwicklung quasi an der Front kämpft und viel Geld zum Beispiel in die objektspezifische Sensorik investiert, operiert Cisco mehr an der Basis und kümmert sich dabei um das, was das Unternehmen schon immer tut: vernetzen.
Wenn man die steil ansteigenden Kurven etwa für die Zahl der weltweit insgesamt verkauften Router und Switches betrachtet und sich vergegenwärtigt, welch kleiner Prozentsatz an Dingen damit erst vernetzt wurde, wird schnell klar, welch einen Riesenmarkt es hier noch zu erschließen gibt.
„Natürlich spielt diese Entwicklung Netzwerkunternehmen wie Cisco sehr in die Hände“, freut sich Cisco-Chef John Chambers im Gespräch mit LANline. „Und natürlich begreifen wir als Cisco das IoE nicht nur als Trend, dem wir folgen, sondern den wir aktiv auf vielen Ebenen mitgestalten.“ Immerhin, diese Chance haben auch andere Netzwerkunternehmen, insofern ist das IoE auch für Brocade, Dell, HP, Juniper und viele andere ein lohnendes Objekt.
Die experimentell gestalterische Arbeit von Cisco in Sachen IoE offenbart sich bereits in zahlreichen Pilotprojekten rund um den Globus, die das Unternehmen seit 2009 im Rahmen seiner „Smart and Connected Communities“-Initiative angestoßen hat. Beliebtestes Vorzeigeprojekt ist die amerikanische Gemeinde Lake Nona nahe Orlando/Florida, mit der Cisco im Oktober 2012 eine strategische Partnerschaft geschlossen hat.
Schwerpunkt ist hier die Optimierung und Rationalisierung der medizinischen Versorgung. So sorgt im eben fertig gestellten Kinderhospital der Kleinstadt die Vernetzungstechnik dafür, dass Ärzte jederzeit Status und Krankheitshistorie ihrer kleinen Patienten sowohl an ihren PCs, als auch auf ihren Tablets und zum Teil auch an den Türpaneelen abrufen können.
Gegenüber konventionellen Krankenhäusern soll der Verwaltungsaufwand um mehr als 60 Prozent geringer sein. Für mehr Effizienz sorgt in Lake Nona auch die ärztliche Betreuung zu Hause, bei der neben den Vernetzungs- auch sehr stark die Videoconferencing-Technik von Cisco zum Einsatz kommt. Der „virtuelle Doktor“ schafft mindestens drei Mal so viele Hausbesuche, wie ein konventionell arbeitender Arzt.
Im Hospital haben auch die Kinder selbst durch die Vernetzung viele Möglichkeiten, sich den Aufenthalt ein wenig zu versüßen. Vom Bett über die Beleuchtung bis hin zur Jalousie ist alles remote steuerbar. So können sie beispielsweise die komplette Farbgebung ihres beleuchteten Umfelds je nach Stimmung anpassen oder für interessantes, altersgerechtes Entertainment sorgen.
Im Augenblick profitieren nur wenige von solchen staatlich satt geförderten Programmen wie in Lake Nona in Sachen Krankenhaus oder in Barcelona in Sachen Verkehr – aber die verwendete Technik soll sehr schnell kostengünstiger und damit massentauglich werden.
Technisch basiert das IoE bei Cisco auf der vor knapp einem Jahr angekündigten, neuen Netzwerkarchitektur Cisco One. „Cisco One geht über den bisher üblichen Ansatz des softwaredefinierten Rechenzentrums weit hinaus und bringt Programmierbarkeit in die gesamte Netzwerkinfrastruktur“, erklärt Rob Soderbery, Senior Vice President und General Manager der Enterprise Networks Gruppe bei Cisco.
„Dieses softwaredefinierte Netzwerk bringt netzwerkweite Transparenz, Intelligenz und Skalierbarkeit – und damit die Voraussetzungen, um auch die restlichen 99 Prozent der internetfähigen Geräte, Maschinen, Sensoren etc. an das Internet anzuschließen““, so Soderbery.
Die ersten One-basierten Produkte hatte Cisco auf der Live-Konferenz in Orlando angekündigt, darunter den Catalyst 6807-XL Modular Switch für zentrale Backbones als neues Enterprise-Flagschiff und den Nexus 7700 als neuen Core-Switch. Mit dem Npower X1 hat Cisco jüngst zudem einen Netzwerkprozessor mit 400 GBit/s Durchsatz für das Internet of Everything angekündigt (LANline berichtete).
Cisco Live, Orlando: Nexus 7700 wird neuer Core-Primus
Cisco Live, Orlando: Erste Bausteine für das Internet of Everything
Cisco: Netzwerkchip mit 400 GBit/s Durchsatz