Auf der International Supercomputing Conference "ISC 2011" in Hamburg sprach LANline-Autor Eric Tierling mit Sandy Gupta, General Manager Open Solutions Group bei der Microsoft Corporation. Offenheit ist ein neuer Schwerpunkt.LANline: Sie haben vor kurzem Ihre Initiative "Openness" gestartet. Was hat es damit auf sich?
Gupta: Beginnen möchte ich damit, Ihnen etwas über die Open Solutions Group von Microsoft zu erzählen, der ich vorstehe. Diese Abteilung gibt es schon rund vier Jahre. Zunächst lag unser Schwerpunkt auf der Geschäftsbeziehung zu Suse. Inzwischen haben wir uns jedoch zu einer Art Interoperability-Group bei Microsoft weiterentwickelt. Für mich handelt es sich beim Thema Interoperabilität um die letzte Meile der Kundenbedürfnisse, denn schließlich bewegen wir uns häufig in einer gemischten Umgebung. Viele unserer Kunden setzen Linux und andere Open-Source-Produkte zusammen mit Software von Microsoft ein. Wie können wir mit diesen kommerziellen Open-Source-Anbietern und Communities zusammenarbeiten, um die letzte Meile mit gemeinsamen Lösungen zu überbrücken? Darauf konzentriere ich mich mit meinem Team. Insofern ist mein Fokus ziemlich einzigartig.
LANline: Wie macht sich das bemerkbar?
Gupta: Zusammen mit anderen Wissenschaftlern habe ich bei Microsoft das Open Source Technology Center ins Leben gerufen. Einst sind wir mit einem Server unter dem Tisch gestartet. Mittlerweile ist daraus ein relativ großes Labor entstanden, das aus Mitarbeitern besteht, die wir intern Pinguine nennen. Diese sachkundigen Experten stammen aus der Open-Source-Welt. Sie setzen sich leidenschaftlich für Open Source ein, was Auswirkungen auch auf andere Personen bei Microsoft hat. Weiterhin verfügen wir im Open Source Technology Center über ein dediziertes Labor mit Suse, deren Techniker dort gemeinsam mit Microsoft-Spezialisten an interoperablen Lösungenarbeiten. Sie sehen, Microsoft ist gereift in den letzten Jahren, was Open Source betrifft.
LANline: Welche Auswirkungen hat das auf Ihrem Alltag?
Gupta: Heute sind bestimmte Vorgänge für uns zur Selbstverständlichkeit geworden, die es vor drei Jahren bei Microsoft nicht gab. Denken Sie nur an die plattformübergreifende Verwaltung mit System Center oder die Hyper-V-Unterstützung für verschiedene Linux-Distributionen. Erst kürzlich habe ich bekannt gegeben, dass Microsoft bei der Hyper-V-Virtualisierungsplattform nun auch CentOS unterstützt. Diese Linux-Distribution ist vor allem bei Hosting-Anbietern beliebt. Aus der Community hörten wir immer wieder, dass es sich bei der CentOS-Unterstützung für Hyper-V um eine wichtige Interoperabilitätsanforderung handelt. Nicht zuletzt steht auch hierbei die Cloud im Mittelpunkt, die alles zusammen bringt, einschließlich der Verwaltung und Virtualisierung. In gewisser Weise geht es uns nicht nur um Produkte von Microsoft, sondern um einen weiter reichenden Ansatz, der über eigenes hinausgeht und heterogene Umgebungen einbezieht.
LANline: Auch früher schon hat sich Microsoft gerne offen genannt. Was also ist neu bei ihrer Openness-Initiative?
Gupta: Die Openness-Initiative ist eine Art Evolution dessen, was wir in der Vergangenheit begonnen haben. Also nichts gänzlich verschiedenes, aber eben doch eine entscheidende Weiterentwicklung aufgrund der Feststellung, dass wir mit anderen Firmen stärker zusammenarbeiten müssen, selbst wenn manche von ihnen unsere Konkurrenten sind. Nur so können wir die Anforderungen von Kunden tatsächlich erfüllen. Suse ist ein hervorragendes Beispiel dafür. Gerne möchten wir dieses Partnerschaftsmodell auf andere Unternehmen ausdehnen. Denn sollten wir es beispielsweise nicht schaffen, den Bedürfnissen eines Open-Source-Entwicklers gerecht zu werden, verfehlen wir 50 Prozent des Developer-Ecosystems. Es gibt bei uns einige solcher Erkenntnisse, dass wir auf unsere Kunden hören und ihre Anforderungen besser verstehen müssen. Dabei dreht es sich nicht notwendigerweise um so etwas wie die nächste Version von SQL Server oder um weitere Produktlizenzen, sondern vielmehr darum, wie die spezifische IT-Umgebung funktioniert und wie Microsoft dazu beitragen kann, um dort hineinzupassen. Dafür müssen wir sowohl mit unseren angestammten als auch mit anderen Partnern zusammenarbeiten. Dabei kann es uns natürlich passieren, dass wir auf Firmen treffen, die Open-Source-Software kommerziell anbieten, sowie auf Open-Source-Communities, die keine Firma im Hintergrund haben.
LANline: Die Cloud spielt dabei sicher auch eine Rolle?
Gupta: Richtig. Offen haben wir angesichts unserer Cloud-Bestrebungen ohnehin zu sein, um verschiedene Technologien einsetzen zu können. Allgemein muss die Cloud aus vielen unterschiedlichen Gründen offen sein. Das beginnt bei den Daten, ihrer Übertragung und Portabilität und reicht bis hin zu Tools und Runtime-Sprachen. Das zählt für uns ebenfalls zur Openness-Initiative.
LANline: Auf welche Weise profitieren Kunden von Ihrer Arbeit?
Gupta: Derzeit steht meine Gruppe mit rund 750 Kunden, überwiegend Global-Player, in direktem Kontakt. Traditionellerweise verfügen diese Unternehmen über Silos wie Linux-Adminstratorenteams, die gerne Shell-Skripte schreiben, und Windows-Administratorenteams, die Drag-and-Drop gewöhnt sind. Je weiter sich diese Firmen sich in Richtung Cloud - und damit meine ich nicht unbedingt die Public-Cloud, sondern vor allem Private-Cloud-Umgebungen - bewegen, desto stärker versuchen die jeweiligen CEOs, Silo-Strukturen zu überwinden.
LANline: Erwarten Sie grundsätzliche Veränderungen in den Beziehungen von Microsoft zu Suse unter dessen neuem Eigentümer Attachmate?
Gupta: Nein. Nach wie vor ist die strategische Partnerschaft mit Suse für uns sehr wichtig. Wir glauben, dass wir künftig mit Suse noch flexibler und intensiver als bislang zusammenarbeiten werden.
LANline: Ist eine Hyper-V-Unterstützung für weitere Linux-Varianten geplant, zum Beispiel für das bei vielen Anwendern populäre Ubuntu?
Gupta: Anfragen nach Ubuntu erreichen mein Team nur selten, sodass wir hier nicht über entsprechende Business-Cases verfügen. Schätzungsweise 80 bis 90 Prozent unserer Kunden aus dem Hosting-Segment hingegen setzen CentOS ein. Somit können diese Hoster nun unsere Hyper-V-Cloud-Infrastruktur nutzen und dort Linux einsetzen.
LANline: Was ist als nächstes von Ihrem Team zu erwarten?
Gupta: Eine Ausdehnung der Interoperabilität unserer Private-Cloud-Angebote. Ein Beispiel dafür bildet die ganzheitliche Provisionierung von Microsoft- und Linux-Betriebssystemen in einer Cloud-Umgebung bei Verwendung verschiedener Hypervisors wie Hyper-V, Xen und ESX. Alles erfolgt interoperabel unter dem Dach der Microsoft-System-Center-Verwaltungssuite. Auch daran können Sie erkennen, dass Microsoft heute anders ist als vor drei Jahren. Wir befinden uns im Zeitalter der Cloud.
LANline: Herr Gupta, vielen Dank für das Gespräch.
Der Autor auf LANline.de: Eric Tierling