Die IT-Anbieter sehen sich mit eskalierenden Stromkosten in den Rechenzentren konfrontiert. Hinzu kommt eine angesichts des drohenden Klimawandels zunehmend kritische Öffentlichkeit sowie die Möglichkeit künftiger Ökoregularien vor allem in der EU und den USA. Darauf reagiert die Branche, indem sie die Effizienz von Produkten immer stärker als Energieeffizienz vermarktet. Auch Netzwerkgigant Cisco kann hier nicht hintanstehen: Nachhaltigkeit war das zentrale Thema auf der Hausmesse Cisco Expo in Berlin.
In einigen Rechenzentren lassen sich Racks nicht so eng mit Bladeservern bestücken wie
gewünscht, da die Entwärmungsanlage auf eine solche Last nicht ausgelegt ist. Laut Branchenkennern
erreicht manch ein Data Center schon die Grenze dessen, was das Trafohäuschen des Stromversorgers
zu liefern im Stande ist. Solche IT-Engpässe sind in den größeren Kontext des Klimawandels
eingebunden, sodass vor allem der mit Stromproduktion und -verbrauch verbundene CO2-Ausstoß
kritisch beäugt wird: Wirbelstürme und ungewöhnlich warme Winter- und Frühlingsmonate verschaffen
der Frage Raum, ob die Klimaforscher mit dem prophezeiten Klimawandel nicht doch Recht haben
könnten (obschon eben diese Forscher sofort die Stirn runzeln, wenn die Öffentlichkeit wieder
einmal laienhaft Wetter und Klima gleichsetzt). Laut einer Studie (2002) des Züricher Instituts
CEPE verbraucht ein durchschnittlicher Schweizer rund dreimal soviel Energie, wie umweltverträglich
wäre (6000 W statt 2000 W), ein US-Amerikaner zirka das Sechsfache. Trotzdem – oder deshalb –
greift nun sogar in den USA das Nachhaltigkeitsdenken verstärkt um sich. So arbeitet die
US-Umweltbehörde EPA an Messkriterien für die RZ-Energieeffizienz.
All dies setzt die IT-Herstellerschaft unter einen enormen Druck, ihre ökologische Seite – die
durchaus vorhanden ist – mit einem frischen, leuchtend grünen Anstrich zu versehen. So hat zum
Beispiel IBM jüngst bekanntgegeben, eine Milliarde Dollar für den Ausbau "grüner IT" und
zugehöriger Services bereitstellen zu wollen. Dazu hat der als "Big Blue" bekannte Konzern das
Projekt "Big Green" ins Leben gerufen. Ziel ist vor allem die Senkung des RZ-Energieverbrauchs bei
IBM selbst wie auch bei Kunden. Ein weltweit aktives "Green Team" aus über 850 Spezialisten soll
die Energieeffizienz der IT steigern. Das Sparpotenzial ist laut IBM-Berechnungen beachtlich: Ein
RZ mit 2500 m² Fläche könne bis zu 42 Prozent Energie einsparen und so seinen CO2-Ausstoß um rund
7400 Tonnen verringern. Teil der Initiative ist natürlich IBMs Cool-Blue-Portfolio sowie
Tivoli-Software zur Durchsetzung von Energieverbrauchsrichtlinien.
Das Spektrum der IT-Anbieter, die sich nun für ökologische Aspekte begeistern, reicht von
CPU-Herstellern wie AMD, Intel und VIA über Serverproduzenten wie FSC, HP, IBM und Sun bis zu den
zahlreichen Rechenzentrumsausstattern. So bietet zum Beispiel APC-MGE Interessenten umfangreiche
Beratungs- und Evaluierungsleistungen. Zur Steigerung der Effizienz und damit der Energieeffizienz
im RZ eignen sich laut Michael Schumacher, Systems Engineers Team Leader bei APC-MGE, neben der
Optimierung der Luftzirkulation und der Kühlsysteme einschließlich Be-/Entfeuchtung vor allem die
Systemvirtualisierung, eine Anbindung an die Gebäudeleittechnik sowie ein effizientes Capacity- und
Change-Management. Insbesondere die lastgerechten Auslegung (Right-Sizing) des beteiligten
Equipments ist laut Schumacher zu beachten.
Aufgrund der branchenübergreifend hohen Bedeutung der IT für das Business kommt dem CIO laut
Cisco die zentrale Rolle des Wegbereiters für umweltgerechtere Unternehmen zu. So war "grüne IT"
auch auf der Cisco-Hausmesse Anfang Mai in Berlin ein hochaufgehängtes Thema, insbesondere durch
Prof. Klaus Töpfers eloquentes Plädoyer dafür, klimagerechtes Handeln als Chance für innovativen
IT-Einsatz zu begreifen (siehe Kasten). Cisco-Deutschland-Geschäftsführer Michael Ganser hatte in
seiner Eröffnungsrede vor laut Veranstalter rund 3000 Teilnehmern noch allgemein von der "Rolle der
IT bei der Verbesserung der Produktivität" gesprochen und aufgezeigt, wie sich seit den
1980er-Jahren der IT-Fokus von der Produktion über Transaktion und Interaktion zur Kollaboration
verschoben hat. In diesen Kontext stellte er Ciscos "neues Flaggschiffprodukt", das Telepresence
System 3000. Eine Demoses- sion zeigte, dass diese Videokonferenzlösung einen deutlichen
Fortschritt gegenüber bisherigen Systemen darstellt: Das Komplettsystem erlaubt durch drei in den
Konferenztisch integrierte Großbild-Displays (1920 x 1080 Pixel) sowie je drei Kameras und Mikros
nahtlose Bildübergänge und räumlich zuzuordnenden Ton. Bis zu 36 Sprecher lassen sich mit Ein- oder
Drei-Display-Systemen zu Multipoint-Meetings zusammenschalten. Mithilfe eines integrierten Beamers
für das gemeinsame Sichten von Dokumenten entsteht – von kleineren Mängeln bei mehr als sechs
Teilnehmern abgesehen – ein lebensähnlicher Gesamteindruck. Die Lösung erfordert ein QoS-fähiges
Netzwerk, eine Anbindung mit 15 MBit/s sowie speziell gestaltete, ausgeleuchtete und (dank 7500 W
Verbrauch) klimatisierte Räume. Latenzprobleme treten laut Cisco-Angaben lediglich bei
WAN-Schaltungen zum Beispiel von Europa nach Asien auf. Laut Ganser will Cisco noch in diesem
Geschäftsjahr durch das Telepresence-System 20 Prozent der Dienstreisen und damit zehn Prozent des
CO2-Ausstoßes einsparen. Durch solche Innovationen leiste Cisco einen wichtigen ökologischen
Beitrag. Dr. Joachim Lohse vom Öko-Institut mahnt aber, in der Ökodebatte neben dem Energie- auch
den Ressourcenverbrauch im Auge zu behalten. Denn was Ganser verschwieg: Kein neu installiertes
Videokonferenzsystem spart soviel Energie wie der schlichte Rückgriff auf Telefon und E-Mail – oder
gar der Verzicht auf manch ein Meeting, das eigentlich überflüssig ist.
Prof. Dr. Klaus Töpfer, früherer Bundesumweltminister und ehemaliger Executive Director des UNO-Umweltprogramms, plädierte auf der Cisco Expo vor allem dafür, angesichts der enormen ökologischen Herausforderungen nicht in Pessimismus zu verfallen, sondern den Klimawandel als Chance für innovative Unternehmen zu begreifen. Das Ziel, den Lebensstandard von neun Milliarden Menschen im Jahr 2050 zu sichern, erfordere den gezielten Einsatz von Finanz-, Human-, Sozial- sowie "Naturkapital". So habe zum Beispiel China "Abschreibungen am Naturkapital nicht vorgenommen" – wie auch Deutschland seine Wachstumshistorie "mit CO2 subventioniert" habe. Dieses Problem werde aber heute zum Glück selbst in China erkannt. Die Herausforderungen nachhaltigen Wirtschaftens seien eine "Chance für kreative Unternehmen", zum Beispiel die EU-Feinstaubrichtlinie für die Hersteller einschlägiger Filter und Messgeräte. Lösungen, die es erlaubten, möglichst wenig Energie einzusetzen, hätten künftig "in besonderer Weise Märkte". Hier hob er die Telepresence-Lösung des Gastgebers ebenso lobend hervor wie Ciscos drei Pilotprojekte zur IT-gesteuerten Verkehrsflussoptimierung in Großstädten. Gefragt seien "neue Produkte, neue Märkte, neue Verhaltensweisen" und letztlich ein "sinnvoller Umgang mit Umweltkapital". Dr. Wilhelm Greiner
Beim Bilck auf die Umwelt ist Cisco offenbar auch gleich jenes Wesen besonders aufgefallen, das
im Grünen mit der IT spielen will: Im Security-Bereich des Events widmete sich das Unternehmen, das
vielen Anwender eigentlich noch immer als der Hardwarehersteller schlechthin gilt, auch
Awareness-Fragen. Der Grund: Wer sich als Lösungsanbieter profilieren will, muss IT bis zur Ebene 8
hinauf denken und den eigentlichen Nutzer von Tastatur, Bildschirm, Netz, Voice und Video in seine
Konzepte einbeziehen. Unter der Moderation von LANline führte Dr. Werner Degenhardt von der
Universität München in psychologische Grundlagen des sicheren Verhaltens beim Umgang mit IT ein,
Klaus Schimmer von SAP zeigte Praktisches aus den internen Awareness-Kampagnen seines Hauses, und
Jeff Platon, Vice President of Security Marketing bei Cisco selbst, informierte über den
Stellenwert des Menschen in den Sicherheitskonzepten seines Unternehmens.
Ein besonderer Diskussionspunkt war dabei der richtige Umgang mit Fehlern und Fehlverwalten: Für
die passende Dosis an Strafen oder Sanktionen gibt es offenbar kein Patentrezept, denn allzu
harsche Zurechtweisungen fordern nicht nur Widerstand heraus, sondern bewirken auch ein Rückzugs-,
Abwehr- und Verheimlichungsverhalten bei Anwendern, die den Sicherheitsmaßnahmen ihres Unternehmens
prinzipiell wohlgesonnen sind.
Das Interesse der Zuhörer bewies: Ohne solche Ausflüge in die Untiefen der Psychologie wird sich
die Informationssicherheit nicht mehr weiter entwickeln können. Diesem Phänomen trägt übrigens auch
die LANline Rechnung: Unter "Zones" auf www.lanline.de finden Sie seit kurzem eine Microsite, die
sich allein mit "Awareness" und anderen Themen der menschlichen Seite der IT-Sichereheit
befasst.
Dr. Johannes Wiele