Aastras Stoßrichtung nach der Detewe-Übernahme

Junger TK-Player erwirbt Historie

1. März 2006, 0:15 Uhr | Stefan Mutschler

Das kanadische TK-Unternehmen Aastra ist seit der Jahrtausendwende kontinuierlich auf Einkaufstour. Die jüngsten Akquisitionen trafen jeweils die Bereiche Telekommunikationssysteme der schweizer Ascom und der französischen EADS - im August vergangenen Jahres schluckte der Newcomer auch das deutsche Traditionsunternehmen Detewe. Unter dem Motto "Zukunft braucht Vergangenheit" präsentierte Aastra jetzt seine Pläne für die Zukunft.

Im Vergleich zu den großen, etablierten Herstellern im Bereich der Telekommunikation ist Aastra
noch ein Frischling. 1983 als Lieferant für die Raumfahrt- und Verteidigungsindustrie gegründet,
schwenkte Aastra erst 1992 auf den TK-Sektor um. Nach dem Börsengang 1996 folgten zunächst vier
Jahre eigenerzeugten Wachstums (die weltweiten Umsätze stiegen in dieser Zeit von drei auf 60
Millionen Euro), bevor ab 2000 die große Kauflust einsetzte. Unter anderem standen die Kanadier
dabei zunächst drei Mal bei ihren Landsleuten von Nortel Networks auf der Matte, um beispielsweise
deren Netzwerk-, Centrex- und ISDN-Lösungen zu erstehen, bevor es ab 2003 mit den Übernahmen von
Ascom, EADS und zuletzt Detewe nach Europa ging. Die Übernahmen waren übrigens allesamt freundlich,
im Falle von Ascom und Detewe könnte man sogar sagen sehr freundlich, denn Branchenkenner sind sich
einig, dass diese Unternehmen ohne die Übernahme wohl nicht mehr lange überlebt hätten. Aastra-CEO
Tony Shen kann trotz der Investitionen für die Zukäufe 30 positive Quartale in Folge verweisen.
Allein im vergangenen Jahr hat Aastra die Zahl seiner weltweiten Mitarbeiter von 650 auf 1850 fast
verdreifacht. 750 davon sind in Deutschland beschäftigt – und davon rund ein Drittel in Forschung
und Entwicklung. In Deutschland, wo das Unternehmen jetzt als Aastra-Detewe firmiert (mit neuem
Firmenlogo), beliefen sich die Umsätze im vergangenen Jahr auf 150 Millionen Euro.

Nach den bisherigen Übernahmen verfügt Aastra über ein Produktangebot, das geradezu nach
Konsolidierung schreit. Mit "Ascotel", Nexspan" und "Opencom" führt Aastra beziehungsweise die
Aastra-Detewe-Gruppe drei verschiedene TK-Anlagen-Produktlinien im Programm, die 76 Prozent des
Umsatzes genenerieren. Mit einer Zusammenführung dieser Systeme hat es das Unternehmen allerdings
nicht sonderlich eilig. So sollen die drei Anlagen weiterhin parallel laufen – erst in der
übernächsten Generation sollen sie eine gemeinsame Plattform (dann komplett auf IP-Basis) bekommen.
Der Grund liegt darin, dass "jede dieser Produktlinien ihre eigenen Stärken und vor allem auch ihre
eigene Kundenbasis hat", erklärt Andreas Latzel, CEO der Aastra-Detewe-Gruppe Deutschland. "Auf der
Produktseite ist Detewe zum Beispiel im Mobility-Umfeld führend, Technologieführer bei DECT und
legt in seiner Entwicklung einen starken Fokus auf das Wifi-Umfeld. Bei den von Ascom übernommenen
Ascotel-Intelligate-Systemen wiederum stehen neben der vorbildlichen Bedienoberfläche schon lange
integ-rierte VoIP- und SIP-Fähigkeit an erster Stelle. Und auch die von EADS mitgebrachte
Nexspan-Lösung ist IP-fähig und sehr groß ausbaubar. Sie ist auch in einer serverbasierten Variante
erhältlich", so Latzel weiter. Auf dem Weg zur Integration sollen sukzessive die Bausteine der
TK-Anlagen standardisiert werden. Die nächsten sichtbaren Schritte der Zusammenführung sollen die
plattformübergreifende Nutzung der Applikationen der Aastra-Detewe-Gruppe sowie die Entwicklung
eines gemeinsamen Wifi-Handsets sein. Weitere Elemente des Aastra-Portfolios sind Telefone und
Gateways, große Callcenter-Lösungen und Videosysteme. Mit Detewe hat sich Aastra auch ein Stück
Geschichte eingekauft, denn die Wurzeln von Detewe reichen bis ins 19. Jahrhundert – beispielsweise
bis hin zu einem der modernsten Rohrpostsysteme der Welt im Berliner Untergrund. Aastra-Detewe will
aus dieser Historie vor allem die Fähigkeiten hinsichtlich Technologie- und Produktentwicklung
nutzen, die Detewe zuletzt beispielsweise in Sachen Drahtloskommunikation (DECT-IP) und VoIP/SIP
demonstriert hatte.


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