In aller Munde, und doch nur unzureichend definiert: der IT-Service. Alle ICT-Systeme (Information and Communications Techology), -Prozesse und -Ressourcen tragen zwar zur Serviceerbringung bei, sind aber weder der Service selbst noch ein Servicebeitrag. Dieser Artikel zeigt auf, wie sich jeder IT-Service mit zwölf Standardattributen vollständig und konsistent spezifizieren lässt.
Die relevanten Spezifikationen definieren IT-Services ganz unterschiedlich. Abhängig davon
nehmen die beteiligten Instanzen und Rolleninhaber IT-Services völlig unterschiedlich wahr (Bild
1): Bei Cobit (Control Objects for IT and Related Technology) liegt der Schwerpunkt auf der
unternehmerischen Kontrolle und Steuerung des IT-Einsatzes, während das IT Service Capability
Maturity Model (siehe www.itservicecmm.org) die Nutzeffekte für den Servicekonsumenten in den
Vordergrund stellt und ITIL (IT Infrastructure Library) die prozessual und technisch geprägte Sicht
enthält.
Der Servicekunde will die verlässliche und kostengünstige Serviceerbringung für die Mitarbeiter
in seinem Zuständigkeitsbereich – die Servicekonsumenten – erreichen. Diese Servicekonsumenten
benötigen die IT-Services, um ihre täglichen geschäftlichen Aufgaben zügig und effizient
auszuführen. So sind sie auf die verlässliche, unverzügliche und reibungslose Erbringung der
abgerufenen Services angewiesen.
Der Service-Provider wiederum will die IT-Services wirtschaftlich wie auch vereinbarungsgemäß
erbringen sowie Kostendeckung und hohen Serviceumsatz erzielen. Angesichts dieser grundlegend
unterschiedlichen Sichtweisen ist es für alle Beteiligten erfolgskritisch, aber auch schwierig,
eine gemeinsame, integrierte Sicht auf IT-Services zu erlangen.
Bei der Serviceerbringung lassen sich vier Rollen unterscheiden: Servicekonsument, Servicekunde,
Service-Provider und Service-Supplier.
Der Servicekonsument, beispielsweise der Mitarbeiter einer Fachabteilung, ruft den ICT-basierten
Business Support Service (ICTBSS) ab und verwendet die erbrachten Nutzeffekte für die Ausführung
seiner Aufgaben. Der Servicekunde, etwa der Leiter der Fachabteilung, beauftragt per SLA (Service
Level Agreement) beim internen Service-Provider die Erbringung der ICTBSS für seine Mitarbeiter und
ist oft auch selbst ein Servicekonsument.
Der Service-Provider, also zum Beispiel die IT-Abteilung des Unternehmens, ist als interne
Organisationseinheit für die SLA-gerechte Erbringung der ICTBSS umfassend verantwortlich. Der
Servicelieferant (Service-Supplier) schließlich steuert als externe oder interne
Organisationseinheit definierte Servicebeiträge bei. Service-Supplier sind beispielsweise
Outsourcing-Firmen oder interne IT-Teams.
Die folgende Begriffsdefinition kombiniert die unterschiedlichen Sichtweisen und alle Aspekte,
die für die Konzeption und Erbringung der IT-Services relevant sind:
Ein I(C)T-basierter Service ist ein Bündel von Nutzeffekten,
das ein rechenschaftspflichtiger Service-Provider durch seine Aktivität
erbringt,
das durch die Funktionen von ICT-Systemen, also Applikations-, Middleware-,
Infrastruktur- und Netzwerksystemen und weiteren technischen Systemen erzeugt wird,
dessen abrufgerechte Erbringung der Servicekunde beim rechenschaftspflichtigen
Service-Provider beauftragt,
das auf Abruf für die Mitarbeiter des Servicekunden, also die
Servicekonsumenten, erbracht wird,
das die Servicekonsumenten verwenden, um ihre geschäftlichen Aufgaben (oder
auch privaten Tätigkeiten) auszuführen oder zu unterstützen.
Die Formulierung "ICT-basierte Services" soll klar herausstellen, dass es ausschließlich um die
geschäftlich erforderlichen Nutzeffekte für die Servicekonsumenten geht, die sich aus dem Einsatz
von ICT-Systemen ergeben. Die ICT-Systeme und die IT-Prozesse selbst sind also keinesfalls
Services, sondern bilden nur die technische oder organisatorische Basis für deren Erbringung. Den
Nutzeffekt wiederum, beispielsweise eine erfolgreich zugestellte E-Mail, verwenden die
Servicekonsumenten, um ihre Aufgaben auszuführen und damit ihren Beitrag zur geschäftlichen
Wertschöpfung zu leisten.
Alle servicerelevanten ICT-Systeme stellen für die Erbringung der ICT-basierten Services
erforderliche Funktionen bereit. Doch auch diese Funktionen sind nicht die Services selbst, sondern
die Grundlage für deren Erbringung, zum Beispiel das Routing eines E-Mail-Systems. Beim
E-Mail-Service handelt es sich um einen universell verwendbaren ICTBSS, den die Mitarbeiter in den
Fachabteilungen des Unternehmens als Servicekonsumenten für ihre jeweiligen Zwecke verwenden. Per
Anklicken des "Send"-Buttons ruft der Servicekonsument jedes Mal die umgehende Zustellung seiner
E-Mails an alle vorgegebenen Adressaten ab – und eben dies muss der Service-Provider für den
Servicekonsumenten leisten.
Jeder ICTBSS wird im Moment der Erbringung in vielschichtigen, eng verzahnten
Echtzeittransaktionen aus mehreren konstitutiven, also unbedingt erforderlichen Servicebeiträgen
zusammengeführt, die verschiedene Funktionseinheiten nach Serviceabruf erzeugen. Die Erbringung
dieser Servicebeiträge muss der Service-Provider im Rahmen der Servicekonzeption so sorgfältig
vorbereiten und organisieren, dass der ICTBSS im Moment des Serviceabrufs durch den
Servicekonsumenten jedes Mal aufs Neue unverzüglich und reibungslos erbracht wird. Dazu gehören
auch Servicebeiträge zwischen ICT-Systemen, die den ICTBSS insgesamt ermöglichen; so liefert zum
Beispiel ein DNS-Server die gültige IP-Adresse zu den Host-Namen eines E-Mail-Servers, damit dieser
zwecks Weiterleitung der E-Mails erreichbar ist. In diesem Fall handelt es sich beim
Servicekonsumenten um eine technische Instanz des E-Mail-Serversystems, während das DNS-System
technischer Service-Supplier ist.
Am Alltagsbeispiel eines Taxiservices sei die Servicespezifikation erläutert: Ein Taxiservice
ist erheblich einfacher strukturiert als IT-Services – gerade deshalb veranschaulicht er die
grundsätzlichen Zusammenhänge und Abläufe bei Servicevorbereitung und -erbringung. Anfangs- und
Endpunkt jeglicher Serviceerbringung ist der Nutzen, der sich für den Servicekonsumenten, hier den
Taxifahrgast, ergibt.
Mit dem Abruf eines Taxiservices verschafft sich der Fahrgast also folgende Nutzeffekte, die das
Standardserviceattribut 1 erfasst:
Er muss für die Fahrt keinen eigenen Wagen bereithalten.
Das Taxi mit Sitzplatz und Gepäckstauraum steht ihm für die Fahrt exklusiv zur
Verfügung.
Er wird vom Abhol- zum Zielort chauffiert und muss das Fahrzeug nicht selbst
steuern.
Er muss den Weg vom Abhol- zum Zielort sowie die aktuelle Verkehrs- und
Straßenlage nicht kennen.
Das Taxi fährt nach seinen individuellen Termin- und Ortsvorgaben, sodass er
keinen Fahrplan und kein Umsteigen berücksichtigen muss.
Er muss sein Gepäck nicht beim Umsteigen über Haltestellen, Treppen und
Bahnsteige schleppen.
Er wird nahe bei seinem Zielort abgesetzt, zum Beispiel vor dem
Check-in-Schalter eines Flughafens.
Er muss am Zielort kein Fahrzeug parken, sodass er das Fahrzeug nicht
wegfahren und keine Parkgebühren bezahlen muss.
Er erhält eine Taxirechnung explizit für die erbrachte Transportleistung.
Er muss bei der Rückreise nicht an den ursprünglichen Zielort zurückkehren, um
sein dort abgestelltes Fahrzeug abzuholen.
Der Taxiservice besteht im wesentlichen aus dem Transport des Fahrgasts zum vereinbarten Termin
vom genannten Abhol- zum vorgegebenen Zielort, also aus den Aktivitäten des Taxifahrers
(Serviceerbringer), der das Taxi steuert, um durch Einsatz der Transportfunktionen des Taxis
(Serviceeinrichtung) die Nutzeffekte für seinen Fahrgast zu generieren. Vorab muss der
Transportauftrag vollständig aufgenommen, bestätigt und einem Taxifahrer zugeteilt werden. Die
Auftragsannahme und die Taxifahrt sind die wesentlichen Servicebeiträge, die im Vorfeld durch
weitere Servicebeiträge ergänzt oder überhaupt erst ermöglicht werden, zum Beispiel durch
Beschaffung, Wartung und Pflege der Taxis sowie Einstellung, Ausbildung und Einsatzplanung von
Taxifahrern.
Der rechenschaftspflichtige Service-Provider, hier der Taxiunternehmer, muss vorab alle
konstitutiven Servicebeiträge konzipieren und deren Erbringung detailliert vorbereiten und
organisieren, damit die abgerufenen Taxiservices jedes Mal wieder verlässlich erbracht werden. Um
diesen Service vollständig und konsistent zu spezifizieren, sind immer alle gezeigten zwölf
Standardattribute anzugeben und mit geeigneten Werten zu belegen (siehe Bild 2).
Neben den oben aufgeführten Nutzeffekten spezifizieren folgende Attribute und Werte den
Taxiservice: Attribut 2 "servicespezifische funktionale Parameter" enthält den Pflichtfahrbereich
für die Taxikonzession, die Erreichbarkeit der Taxizentrale sowie Typ und Platzzahl der verfügbaren
Taxis: vier beim Pkw und acht beim Kleinbus. In Attribut 3 "Serviceerbringungspunkt" ist der
Abholort (der jeweilige Standort des Fahrgasts) erfasst, also eine der möglichen Adressen im
Pflichtfahrbereich. In Attribut 4 "Servicekonsumentenanzahl" nennt das Taxiunternehmen die maximale
Anzahl von Fahrgästen, die es bei einem Auftrag transportieren kann, zum Beispiel 40; damit kann
der Servicekunde größere Aufträge gezielt planen. Das Attribut 5 "Servicebereitschaftszeit" führt
die Tageszeiten an, zu denen der Service abrufbar ist, zum Beispiel von 00:00 bis 24:00 Uhr an
allen Kalendertagen.
Die "Service-Support-Zeit" in Attribut 6 gibt an, wann die Taxizentrale besetzt ist, um Aufträge
anzunehmen und bei Vorfällen oder Problemen zu helfen. Damit der Servicekonsument sich darauf
einstellen kann, nennt das Serviceattribut 7 "Service-Support-Sprachen" die Sprachen, über die der
Transportauftrag abgewickelt wird. Mit dem "Service-Erfüllungszielwert" in Attribut 8 gibt der
Taxiunternehmer an, welchen Mindestprozentsatz erteilter Transportaufträge er vereinbarungsgerecht
erbringen wird. Da trotz allen Bemühens immer wieder Störungen und Schwierigkeiten auftreten
können, liegt dieser Wert realistischerweise unter 100 Prozent. Für den Fall einer Störung im Laufe
des Transports, beispielsweise durch einen Defekt am Taxi, sagt der Taxiunternehmer im Attribut 9 "
maximale Serviceausfallzeit pro Vorfall" zu, wie lange es höchstens bis zur Fortsetzung der Fahrt
dauern wird. Im Attribut 10 "Serviceerbringungsdauer" macht der Taxiunternehmer Angaben zur Dauer
der Anfahrt und zur Fahrtdauer pro Transportkilometer, damit der Fahrgast seine Zeitplanung darauf
einstellen kann. Die Basiseinheit für die Serviceerbringung, hier der Personentransportkilometer,
wird in Attribut 11 "Serviceerbringungseinheit" angegeben. Abschließend führt Attribut 12 "
Servicepreis" die Preisanteile auf: Grundpreis pro Einzelauftrag, Kilometerpreis und Preis pro
Stunde Wartezeit.
Die Servicespezifikation insgesamt enthält die Zusage an jeden einzelnen Fahrgast, dass der
erteilte Transportauftrag für ihn mit diesen Merkmalen erbracht wird. Falls das Taxiunternehmen
eines oder mehrere der vereinbarten Attributwerte also nicht erreicht oder unterschreitet, dann hat
es dem Gast den vereinbarten Service entweder nur mit Einschränkungen erbracht oder sogar definitiv
versagt. Wenn zum Beispiel das Taxi so spät am Flughafen ankommt, dass der Fahrgast sein Flugzeug
verpasst, ist der Service insgesamt fehlgeschlagen, weil er den für den Fahrgast relevante
Gesamteffekt nicht erzielt hat.
Zum Vergleich sei hier der E-Mail-Service als universell nutzbarer ICT-basierter BSS mit
beispielhaften Werten spezifiziert. Der wesentliche Nutzeffekt für den Servicekonsumenten ist die
Zustellung seiner E-Mails an alle vorgegebenen Adressaten sowie die Möglichkeit, selbst eingehende
E-Mails zu empfangen. Begleitend gehören dazu die dauerhafte zentrale Speicherung aller aus- und
eingegangenen E-Mails sowie die Beseitigung von Viren und Spam. Attribut 2 schreibt die
funktionalen Eckwerte fest, nämlich die maximale Speicherkapazität der E-Mailbox pro
Servicekonsument, beispielsweise 200 MByte, die maximal zulässige Größe einer einzelnen E-Mail
mitsamt Anhängen, beispielsweise 8 MByte, und die geblockten Dateiformate, zum Beispiel *.exe und
*.com.
Der Serviceerbringungspunkt in Attribut 3 ist immer das E-Mail User Interface beim
Servicekonsumenten, zum Beispiel Microsoft Outlook, Microsoft Outlook Web Access oder
Blackberry-Geräte. Die Anzahl der berechtigten Servicekonsumenten vereinbaren Servicekunde und
-Provider in Attribut 4; die Namensliste der Berechtigten wird im Appendix des SLAs aufgeführt. Die
Servicebereitschaftszeit in Attribut 5 gibt an, wann der E-Mail-Service jeweils abrufbar ist, und
die Service-Support-Zeit in Attribut 6 nennt die Zeiträume, in denen das Service-Desk-Team
verfügbar ist, um bei Fragen oder Schwierigkeiten zu helfen. Die Service-Support-Sprache(n) sind in
Attribut 7 anzugeben.
Der Service-Erfüllungszielwert in Attribut 8 enthält die Mindestprozentangabe für die
vereinbarungsgemäße Zustellung der E-Mails; so besagt der Wert von 98 Prozent, dass mindestens 98
von 100 E-Mails mit den zugesagten Qualitäten ihr Ziel erreichen. Für den Fall, dass
Beeinträchtigungen oder Störungen auftreten, sagt der Service-Provider in Attribut 9 zu, wie lange
es maximal dauern wird, bis die E-Mail-Zustellung zu Ende geführt oder neu ausgeführt wird. Für die
Dauer der E-Mail-Zustellung beinhaltet Attribut 10 (meist gestufte) Mindestangaben, zum Beispiel
die Standarddauer von maximal zehn Minuten, bei schneller Zustellung maximal fünf Minuten und bei
Expresszustellung maximal zwei Minuten.
Die Serviceerbringungseinheit wird in Attribut 11 mit der an eine gültige E-Mail-Adresse
zugestellten E-Mail benannt. Abschließend nennt Attribut 12 den Servicepreis, zum Beispiel einen
Fixpreisanteil für den Servicezugang pro Servicekonsument und Kalenderjahr und einen Fixpreis pro
zugestellter E-Mail.
Jeder ICT-basierte Business Support Service lässt sich im Servicekatalog mit seinen zwölf
Attributen und Basisattributwerten auf einer DIN-A4-Seite eindeutig und vollständig darstellen und
entsprechend anbieten. Die Basisspezifikation eines ausgewählten Serviceangebots wird aus dem
Katalog in die SLA-Vorlage übernommen und an die Bedürfnisse des Servicekunden und seiner
Servicekonsumenten angepasst. Per Unterschrift unter das SLA beauftragt der Servicekunde die
Serviceerbringung für die von ihm bedachten Servicekonsumenten, zum Beispiel die Mitarbeiter seiner
Abteilung. Auf der Basis dieser Servicespezifikation kann der Service-Provider die
Serviceerbringung vorbereiten und organisieren, und beide Seiten können jeweils objektiv
feststellen, ob der Service mit den vereinbarten Qualitäten erbracht worden ist.