IP Multimedia Subsystem

Konvergente Dienste

9. Mai 2006, 23:25 Uhr | Dieter Schuler/wg Dieter Schuler ist Network Architect and Technical Strategist bei Lucent.

Um ihre Einnahmen zu steigern und die Bedürfnisse von zukunftsträchtigen Zielgruppen zu erfüllen, sind TK-Unternehmen auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen. Sie zielen zum einen auf Privatkunden mit hoher technischer Affinität. Diese wollen Applikationen, die zuhause auf dem PC zur Verfügung stehen, auch auf mobilen Endgeräten nutzen können. Zum anderen fordern Geschäftskunden neue Techniken, um möglichst effizient zu arbeiten. Geräteunabhängige Kommunikation ist gefragt und dazu neue, leicht bedienbare integrierte Dienste.

Die Forderung nach neuen, netzübergreifenden – und damit konvergenten – Multimediadiensten für
Privat- und Geschäftsanwender treibt schon heute die Entstehung von Next Generation Networks (NGNs)
voran: Provider müssen ihre bestehenden Netze erweitern, um konvergente Dienste anzubieten. Doch
nicht nur durch die Veränderung der Nachfrage geraten Netzbetreiber unter Zugzwang. Traditionelle
Übertragungsdienste wie Telefonie oder DSL-Internetzugänge bedrohen aufgrund erodierender Preise
die Einnahmen und werfen Fragen nach einem Wachstumspfad auf. Basisdienste wie Telefonie und reiner
Datentransport sind keine ausreichende Umsatzquelle mehr. Überlebenswichtige Einnahmen müssen in
Zukunft aus Zusatzdiensten kommen. Doch diese benötigen konvergente Netzwelten.

Der Aufbau eines komplett neuen Netzes ist dafür nicht nötig. Existierende Netze wie das PSTN
(Public Switched Telephone Network, Telefoniefestnetz), Mobilfunknetze oder das Internet sind
weiter nutzbar. Zusätzlich bauen die Carrier einen paketbasierten Core auf, der die
unterschiedlichen Zugangsnetze verbindet. Neue Dienste stellt er im Kernnetz und damit vom
Zugangsnetz unabhängig bereit. Dem Nutzer stehen so überall, über jeden Netzzugang und mit jedem
Endgerät die gleichen Dienste zur Verfügung. Endgeräte sind allerdings auf unterschiedliche
Funktionen spezialisiert: Das Handy-Display eignet sich beispielsweise schlecht zum Fernsehen.
Deshalb gilt es, Funktionen bereitzustellen, die die Daten für das Endgerät passend
aufbereiten.

Was müssen Provider nun konkret tun, um ihre Netze startklar für die neuen Dienste zu machen?
Den Weg ebnet das IP Multimedia Subsystem (IMS). IMS ist ein offener Industriestandard, mit dem
Carrier bestehende Netze zu einem NGN migrieren können. IMS ist eine vom Branchenverband 3GPP
(Third Generation Partnership Project) unter Mitwirkung von Lucent definierte Serviceplattform für
die Integration verschiedener mobiler (UMTS, GSM, Wifi, Wimax) und Festnetz-Sprach-/Datendiensten
sowie dem Internet. IMS ermöglicht den Zugriff auf ein- und denselben Dienst von allen
Zugangsnetzen und allen Endgeräten aus. Dafür hat sich der Begriff "konvergenter Dienst"
eingebürgert.

Offene Standards für konvergente Dienste

Das neue Konzept trennt die Kernfunktionen voneinander und ist skalierbar: Verschiedene
hochspezialisierte, physikalisch verteilte Netzelemente übernehmen die einzelnen Funktionalitäten.
Beispielsweise stellen Applikationsserver die Dienste bereit, Call-Processing-Elemente übernehmen
die Signalisierung, Datenbanksysteme halten Benutzerdaten vor, Media-Server spielen Ansagen ein,
Gateways verbinden in die unterschiedlichen Zugangsnetze.

Der IMS-Standard beschreibt die Funktionen der Netzelemente und die Schnittstellen zwischen
ihnen. Das von der 3GPP definierte IMS regelt jedoch nicht alle Details. Deshalb nehmen die
beteiligten Anbieter – so die Bell Labs, der Forschungs- und Entwicklungszweig von Lucent –
Erweiterungen vor. Sie testen beispielsweise, wo die Grenzen von IMS liegen, wo der Standard noch
Lücken aufweist und wo sich herstellerspezifische Attribute hinzufügen lassen. Ziel ist es,
Netzbetreibern eine Komplettlösung zu bieten.

Servicearchitektur mit logischen Funktionen

IMS unterstützt viele verschiedene Applikationsserver, vom Telefonieapplikationsserver über
kombinierte Daten- und Sprachapplikationsserver bis hin zu reinen Datenapplikationen (Instant
Messaging, Push to Talk) sowie Applikationen außerhalb von IMS. Die Servicearchitektur ist eine
Ansammlung von logischen Funktionen, die auf die drei Ebenen eines Next Generation Networks
verteilt ist: die Transportebene (End Point and Gateway Layer), die Session-Control-Ebene und die
Applikationsebene (Bild auf Seite 44).

Die Transportebene initiiert und übernimmt das Session Setup über eine SIP-Signalisierung
(Session Initiation Protocol). Sie kümmert sich auch um Trägerdienste für die Sprachkonvertierung
von analogen oder digitalen Signalen in IP-Pakete. Diese Ebene beinhaltet Media Gateways für das
Konvertieren von VoIP (Voice over IP) zu TDM (Time Division Multiplexing, Transportart im
klassischen Sprachnetz). Die IP-Pakete werden mittels RTP (Real Time Protocol) im IP-Netz
übertragen. Außerdem stellt diese Ebene auch Mediadienste wie Sprach- und Videokonferenzen,
Ansagen, Ton- und Spracherkennung sowie Sprachausgabe bereit. Applikationen wie Sprach-Mailboxen,
Shared-Cost- und Freephone-Dienste nutzen die Ressourcen gemeinsam.

Die Session-Control-Ebene beinhaltet die Call Session Control Function (CSCF). Sie regelt die
Registrierung der Endgeräte und das Routing der SIP-Nachrichten zu den entsprechenden
Applikationsservern auf Basis der Filterkriterien, die im Home Subscriber Server (HSS) hinterlegt
sind. Die CSCF kommuniziert mit der Transportebene, um die Qualitätsanforderungen der Applikationen
zu gewährleisten. Die CSCF besteht aus drei Bestandteilen:

Proxy-CSCF: Jedes Endgerät kann nur über die Proxy-CSCF mit dem Netzwerk
kommunizieren. Sie ist damit der Einstiegspunkt in das IMS. Die Proxy-CSCF hat unter anderem die
Aufgabe, die restlichen Funktionen des Netzwerks nach außen hin zu verbergen.

Interrogating-CSCF: Sie stellt die Schnittstelle zu anderen VoIP-Netzen her
und verhindert das Auftreten unautorisierter Dienste im Netz.

Serving-CSCF: Diese Funktion ist für das Registrieren der Endgeräte und das
Routing der SIP-Nachrichten zuständig. Die Serving-CSCF wird einem Endgerät bei der Registrierung
zugewiesen.

Zwei Funktionen verwirklichen auf der Session-Control-Ebene die Schnittstelle zum PSTN: Die
Breakout Gateway Control Function (BGCF) und die Media Gateway Control Function (MGCF). Sie setzen
das SIP-Protokoll in das SS7-Protokoll (Signaling System No. 7) um. Das Protokoll H.248 dient der
Steuerung der Media Gateways und somit der Sprachumwandlung. Die Basis der Session-Control-Ebene
bildet der HSS. Diese zentrale Datenbank arbeitet als übergeordnete Ressource zum Ermitteln der
geeigneten Dienste. Der Server teilt dem Anwender seine individuellen Serviceprofile zu, also
Serviceinformationen, Filterkriterien und Präferenzen. Die Datenhaltung speichert die registrierte
IP-Adresse, Roaming- und Diensteinformationen, Dienstmerkmalsaktivierungen,
Instant-Messaging-Information und weitere gemeinsam genutzte Daten. Mithilfe dieser Informationen
sind die verschiedenen Applikationen und neue personalisierte Dienste viel einfacher
erstellbar.

Die Applikationsebene stellt die Applikationsserver bereit, die wiederum die Dienstelogik
beinhalten. Die IMS-Architektur und SIP sind flexibel genug, um verschiedenste Telefonie-,
Multimedia- und Datendienste bereitzustellen. Die Kommunikation mit der Applikationsebene erfolgt
über das Protokoll SIP ISC (SIP IP Multimedia Service Control). Die Anwendungsebene unterstützt
somit unterschiedlichste Anwendungen in Sprach- und Nicht-Sprachnetzen. Teilnehmer, die einen
Dienst aktivieren oder deaktivieren wollen, erreichen die Server über ein Webportal.

Im Gegensatz zur herkömmlichen Netzinfrastruktur sind die Applikationen der IMS-Architektur vom
Zugangsnetz entkoppelt: Alle Dienste stehen auf jedem Endgerät zur Verfügung – unabhängig davon,
welche Netzzugangsart der Endanwender wählt. Netzbetreiber können neue Applikationen damit
einfacher und kostengünstiger einführen, und die Anwender profitieren von personalisierten
Diensten.

Der Weg zu IMS

Ein generell gültiges Konzept, wie und wann Netze auf ein NGN zu migrieren sind, gibt es
nicht.

Der größte Aufwand, um konvergente Mulitmediadienste zu ermöglichen, liegt sicher beim
Netzbetreiber. Aber auch die zukünftigen Anwender müssen aktiv werden, um diese nutzen zu können.
Schon heute fragen sich viele Unternehmen: Wie werden IP-basierte Dienste Teil unseres Alltags?
Klar ist, dass es die Provider sind, die in eine IMS-Netzarchitektur investieren müssen, nicht die
Unternehmen selbst. Stattdessen müssen diese für eine hauseigene VoIP-Infrastruktur sorgen. Denn
für Unternehmen gilt: Der Grundstein für konvergente Multimediadienste liegt in VoIP. Dazu
gehören:

mit dem Unternehmens-LAN verbundene IP-Telefone an jedem Arbeitsplatz.
Alternativ zur Neuanschaffung von IP-Telefonen sind herkömmliche Telefonanlagen nachrüstbar;
klassische Nebenstellenanlagen sind so VoIP-fähig.

Aufbau von IP-VPNs für unterschiedliche Unternehmensstandorte.

Installation einer VoIP-fähigen Firewall am WAN-Router. Zusammen mit den
IP-VPNs sichern sie die VoIP-Dienste ab.

Mit IMS bieten Service-Provider nicht nur alle Voraussetzungen für echte konvergente
Multimediadienste, sondern auch für den Bezug von Diensten wie IP-Centrex und IP-PBX. Hilfe bei der
Umstellung auf VoIP können Unternehmen von ihrem Provider erwarten. Außerdem sollte er
Managed-Services wie Managed VoIP und Managed Security anbieten.


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