GPON-Weiterentwicklung bei Nokia Siemens Networks

Künftig eine Wellenlänge pro Access-Kunde

3. Dezember 2007, 0:01 Uhr |

Einen Ausblick auf die laufenden Entwicklungen zum Thema passive optische Netze (Passive Optical Networks, PON) gaben Karl Kloppe, Head of Innovation Projects, Broadband Access bei Nokia Siemens Networks (NSN), und Frank Ludwig, Head of Business Line PON bei NSN, in einem Exklusivinterview mit der LANline. Die Kernaussage der NSN-Fachleute: Die GPON- und GEPON-Nachfolger (Gigabit PON, Gigabit Ethernet PON) werden in wenigen Jahren nicht nur wesentlich mehr Bandbreite liefern, sondern auch eine deutlich flexiblere Servicebereitstellung ermöglichen.

Neben dem Mobile Access sei auch der festnetzgebundene Breitbandzugang für NSN "ein sehr wichtiges Geschäft", so Frank Ludwig: "Ein ausgewogenes Portfolio ist eines unserer wesentlichen Alleinstellungsmerkmale." Breitband- und Mobilfunk-Access würden sich dabei gegenseitig gut ergänzen. Zu den zentralen Trends im Carrier-Access-Markt zählt der NSN-Manager zunächst, wie nicht anders zu erwarten, die eskalierende Nachfrage nach Bandbreite. NSN rechnet sogar mit rund fünf Milliarden Always-on-Breitbandnutzern im Jahr 2015 – Endanwender, wohlgemerkt, nicht Endgeräte. Das heißt, die laut Analysten ebenfalls stark wachsende Machine-to-Machine-Kommunikation wären der NSN-Prognose noch zuzuschlagen. Trotz dieses enormen Marktwachstums sind die Carrier laut Ludwig durch den großen Konkurrenzdruck gezwungen, die Kosten wie auch die Komplexität ihrer Netze zu senken. Deshalb müssten sich die Netzbetreiber einem Transport mittels xPON und Carrier Ethernet zuwenden, um kosteneffektiv arbeiten zu können. Ludwigs Fazit: Künftige Carrier-Netze werden "auf optischer Basis, anwendungs- und kostengetrieben" konzipiert sein.

Auf Applikations- und Serviceseite sind die Treiber der Entwicklung zahlreich und vielfältig: Im Privatanwendersegment betont NSN hier unter dem Motto "My Services Anywhere" Faktoren wie immer leistungsstärkere Mobilfunkgeräte, IPTV (IP-basiertes Fernsehen), HDTV (hochauflösendes Fernsehen), VoD (Video on Demand) und nPVR (mehrfaches persönliches Video-Recording), ebenso Online-Gaming einschließlich aufkommender 3D-Spiele sowie das allseits beliebte Peer-to-Peer-Networking. Im Geschäftskundensegment gehe es vorrangig um eine allgegenwärtige Netzanbindung ("Ubiquitous Interconnect"), also um Business-VPNs, virtuelle Meetings und virtuelle Arbeitsplätze sowie um Web-2.0-Applikationen. Ludwig rechnet also nicht mit "der einen" Killerapplikation, die die Investitionen in NGNs (Next-Generation Networks) rechtfertigen wird, sondern mit einem breit gefächerten Applikationsmix. Dies erfordere ein flexibles Broadband-Access-System. Hier konzentriert sich NSN auf die hauseigene MSAN-Plattform (Multi-Service Access Node), die PON ebenso unterstützt wie xDSL und Legacy-Anbindungen (E1/T1) auch für die Weiterleitung (Backhaul) von Mobilfunkverkehr.

Im Business-Segment erwartet der NSN-Mann für die nächsten drei Jahre die größte Nachfrage nach Glasfaseranbindungen auf Seiten kleinerer und mittelgroßer Unternehmen: "Die großen Konzerne betreiben heute schon alle ihre Fiber-basierten WANs," so seine Begründung. Innerhalb von fünf Jahren könne sich die Bedarfslage insofern verändern, als auch Consumer-Nachfrage als zweiter wichtiger Faktor hinzukommen werde. Möglich sei innerhalb von fünf Jahren eine Nachfrageaufteilung von 50:50 zwischen Privathaushalten und Unternehmen.

Grundsätzlich sind heute mit PON-Technik vier Szenarien umsetzbar: FTTH (Fiber to the Home, also Faser durchgängig bis zum Endkunden) oder aber FTTC/FTTB (Fiber to the Curb/to the Building, also Faser bis zum Verteiler am Straßenrand/bis zu einem Verteiler in einem Mehrparteiengebäude). Diese beiden Varianten lassen sich jeweils für P2P-Anwendungsfälle (Point to Point) oder im P2MP-Einsatz (Point to Multipoint) nutzen. Dabei zielt die P2P-Variante zur Zeit eher auf die Anbindung von Geschäftskunden, P2MP auf die Abdeckung von Consumer-Haushalten mit IPTV- und Multimediainhalten.

Eine großflächige Verdrängung herkömmlicher E1/T1- und DSL-Leitungen durch PON-Access direkt bis zum Endverbraucher ist aber laut Frank Ludwig bislang nicht zu verzeichnen. Vielmehr setzten viele Carrier – und das gilt angesichts des VDSL-Rollouts der Deutschen Telekom nicht zuletzt auch hier zu Lande – auf FTTC oder bestenfalls FTTB, um von dort aus die letzten Meter mit herkömmlichen DSL-Kupferleitungen abzudecken.

Laut Karl Kloppe, der bei NSN die Breitband-Innovationsprojekte verantwortet, zielt ein mit EU-Mitteln finanziertes laufendes Forschungsprojekt vorrangig darauf ab, die Zahl der für den PON-Access benötigten Knoten zu reduzieren. Damit sollen NG-PON-Systeme eine vereinfachte Netzwerkarchitektur ermöglichen und zur TCO-Senkung (Total Cost of Ownership, Gesamtbetriebskosten) beitragen. In den nächsten fünf Jahren sollen deshalb Systeme verfügbar werden, die eine wesentlich größere Reichweite für die Datenübertragung bieten – bei möglichst geringer Zahl erforderlicher optischer Verstärker (Optical Amplifiers).

NSNs Next-Generation-PON-Konzept sieht vor, dass die Distanz zwischen dem auf Kundenseite installierten ONT (Optical Network Terminator) und dem Gegenstück des Carriers (OLT, Optical Line Terminator) bis zu 30 Kilometer betragen kann, die Distanz zwischen zwei OLTs beziehungsweise zwischen einem OLT und einem Amplifier mindestens 70 Kilometer. Damit ließen sich dann Entfernungen von über 100 Kilometern ohne optische Verstärkung überbrücken. Ein OLT soll dabei bis zu 512 Gegenstellen mit Fasern versorgen können. Damit wären also 512 Haushalte oder Unternehmen direkt mit FTTH erreichbar; finden DSLAMs als Gegenstellen Verwendung, skaliert die Zahl angebundener Endanwender entsprechend höher. Die Datenrate liegt laut NSN bei 10 GBit/s im Downstream und 2,5 GBit/s im Upstream. Ein Prototyp ist laut Karl Kloppe im Münchner NSN-Labor bereits zu begutachten.

Derartige NG-PONs erlauben ganz neue Einsatzszenarien: Auf der "grünen Wiese" könnten große Carrier wie auch regionale Netzbetreiber Haushalte im Umkreis von über 100 Kilometern erschließen, ohne Lokationen für optische Gerätschaft einrichten und unterhalten zu müssen. Insbesondere ließe sich damit die Internet-Zweiklassengesellschaft (auch "Digital Divide" genannt) bekämpfen, also das von Wissenschaftlern und Marktkennern befürchtete Phänomen, dass Ballungsräume künftig immer besser und breitbandiger angebunden werden, während ländliche oder dünn besiedelte Regionen mit mickriger Trostbandbreite auskommen müssen. Ansätze für eine solche Digital Divide kennen deutsche DSL-Interessenten je nach Wohnort heute schon zur Genüge. Die NG-PON-Szenarien zielen aber über deutsche Verhältnisse weit hinaus und auf wesentlich weitläufigere Einsatzgebiete etwa in den USA oder in Russland.

In einem weiteren Entwicklungsschritt, vom heutigen Stand der Technik aus gesehen noch zehn Jahre entfernt, will NSN die optischen Netze mithilfe eines Wavelength Selective Switches (WSS) nochmals breitbandiger und vor allem flexibler auslegen. Der Netzwerkausrüster fasst dies unter den Begriff "Tuneable Access Networks" (einstellbare Zugangsnetze). Ein WSS soll dann 80-mal 10 GBit/s in beide Richtungen liefern und dabei einen nochmal verdoppelten Splitting-Faktor bieten, also über 1000 Gegenstellen anbinden können. Außerdem bietet ein WSS dann mehrere 100 GBit/s an Backhaul-Kapazität – ein wichtiger Punkt, da neben dem Breitbandzugang der aggregierte Transport von Mobilfunkverkehr das zweite zentrale xPON-Einsatzgebiet darstellt.

Ein WSS versorgt in den NSN-Planungen damit künftig eine beliebig gestaltbare Vielzahl von FTTH-, FTTC-, FTTB- und Mobilfunkgegenstellen gleichzeitig. Dank solch geballter Lichtwellen-Power im Carrier-Netz sind damit künftig Szenarien möglich, bei denen ein Unternehmen oder auch ein Privathaushalt eine eigene, exklusive Wellenlänge beim Service-Provider bestellen kann.

In puncto FTTH sieht NSN-Manager Frank Ludwig derzeit lokale Carrier wie den stark auf Glasfaser setzenden Kölner Provider Netcologne als Vorreiter der Entwicklung. Die Deutsche Telekom habe zwar GPON-Equipment von NSN im Labor, konzentriere sich aber dieser Tage stark auf ihren VDSL-Rollout, bei dem die Faser im Verteilerkasten am Straßenrand endet. PON sei damit in Deutschland insgesamt noch "in einem sehr frühen Stadium". Einer schnellen, breitflächigen Verbreitung von Glasfaser-Access-Infrastrukturen bei den Telekom-Konkurrenten, insbesondere den City-Carriern, stehen laut Ludwig noch einige Hürden im Weg: administrative Hindernisse (so zum Beispiel bei Stadtwerkebetreibern, die bislang noch kein Fiber-Access-Geschäft unterhalten und hier Neuland betreten würden), ein Zurückschrecken vor der noch relativ jungen PON-Technik sowie ein Mangel an fachkundigen Consultants in diesem expandierenden Marktsegment.

LANline/Dr. Wilhelm Greiner


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