Neuer WLAN-Standard 802.11n

Mehr als nur verbessertes Wi-Fi

6. November 2007, 12:11 Uhr | Roger Hockaday

Unter Bezeichnungen wie Pre-n oder Draft-n macht der anstehende neue WLAN-Standard 802.11n schon lange - vor allem im Consumer-Markt - von sich reden. Mit Produkten für den professionellen Einsatz in Unternehmensinstallationen zögern die meisten Hersteller allerdings noch. Wer einen 802.11n-Einsatz für die Zukunft plant, sollte dies wohlüberlegt tun. Der Beitrag geht nicht nur auf die Vorteile ein, sondern auch auf Koexistenzfragen mit bestehendem Equipment sowie Migrationsstrategien.

Willkommen in der neuen Welt von 802.11n - vergessen Sie alles, was Sie über die Funktion von
drahtlosen Netzwerken wissen! Mit der neuen Technik ist eine hindernisfreie Funkstrecke keine
Bedingung mehr für die bestmögliche Verbindung. Die Übertragungsrate kann mit zunehmender Distanz
vom Access Point sogar steigen. Je komplexer ein Gebäude aufgebaut ist, desto besser funktioniert
möglicherweise das WLAN. Der Standardentwurf (Draft) für IEEE 802.11n dürfte voraussichtlich in der
zweiten Hälfte 2008 ratifiziert werden. 802.11n führt gegenüber den früheren Wireless-Standards
802.11a/b/g mehrere signifikante technische Verbesserungen ins Feld:

Erhöhte Kapazität: Mit 802.11n können Endanwender mehr Daten schneller
übertragen. Die Technik erhöht die Kapazität einer Funkzelle von netto etwa 15 bis 20 MBit/s
(802.11a/g) auf 100 bis 200 MBit/s. Verteilt auf mehrere gleichzeitige Anwender, kann die
Performance die einer kabelbasierenden 100-MBit/s-Ethernet-Verbindung erreichen. Das Erhöhen der
Wireless-Bandbreite allein bedeutet aber noch nicht zwingend einen höheren Nutzen für den
Endanwender. Zum Vergleich. Nicht das Mehr an Bandbreite für einzelne, sondern insgesamt mehr
Bandbreite für eine größere Anwenderzahl wird voraussichtlich der Hauptnutzen von 802.11n für
Unternehmen sein.

Größere Reichweite: Eine 802.11g-Verbindung vom Access Point (AP) zum Client
kann im freien Feld eine Distanz von bis zu 60 Metern überbrücken. In Büroumgebungen reduziert sich
die Reichweite auf etwa 20 Meter. 802.11n übertrifft diese Werte. Für eine deutliche Verbesserung
müssen allerdings sowohl der AP als auch der Client mit mindestens zwei 802.11n-Funkstrecken
(Spatial Streams) umgehen können. 802.11n wird zudem das Design einiger Netzwerkbereiche
vereinfachen: Da die Datenraten nicht mehr so schnell mit zunehmender Entfernung vom AP abnehmen,
können die Funkzellen größer ausgelegt werden. Ein Standort lässt sich so mit weniger APs
erschließen.

Gleichmäßigere, zuverlässigere Abdeckung: Die Funkausleuchtung innerhalb
heutiger Wi-Fi-Netzwerke variiert von hervorragend bis erbärmlich. Viele Anwender machen
Erfahrungen wie diese: An einem Punkt ist die Signalstärke gut, doch wenn sie nur einen Schritt zur
Seite gehen, beeinträchtigt dies die Verbindung erheblich. Am besten lässt sich dem Effekt mit der
so genannten "Diversity"-Technik begegnen: Nahezu jedes moderne Wi-Fi-Gerät ist dafür mit zwei oder
mehr Antennen ausgestattet. Es kann zwischen ihnen umschalten und das jeweils beste verfügbare
Signal nutzen. 802.11n verwendet Spatial Division Multiplexing (SDM) und MIMO (Multiple Input,
Multiple Output), um die oben genannten Effekte zu reduzieren. Die Technik sendet über drei
Antennen gleichzeitig.

Niedrigeren Netzwerkkosten: Verbesserte Reichweiten und vereinheitlichte
Abdeckung senken die Netzwerkkosten. APs können weiter entfernt voneinander stehen. Da die
Netzwerke mit weniger Geräten und weniger Switch-Ports in den Schaltschränken auskommen, sinken die
Investitions- und Installationskosten. Aber: Besonders 2008 und 2009 werden die Kosten für
802.11n-fähige APs noch höher sein als für etablierte a/b/g-Geräte. Außerdem sind möglicherweise
umfangreiche Aufrüstungen im Netzwerk wie beispielsweise neue Verkabelungen und Etagen-Switches
nötig, um die 802.11nAPs mit mehr Bandbreite und - bei Power over Ethernet - mit mehr Strom
versorgen zu können.

Kompatibilität und Koexistenz

Unternehmen, die 802.11n einsetzen wollen, stehen vor einer besonders großen Herausforderung:
Wie arbeitet die neue Technik mit den vorhandenen 802.11-Produkten zusammen? 802.11n koexistiert
und unterstützt 802.11a/b/g-Clients - doch es kann die Performance der älteren Techniken nicht
verbessern. Und: Bereits das Vorhandensein eines a/b/g-Clients in der Reichweite eines APs reicht
aus, die Performance im gesamten Netzwerkbereich zu verringern, den dieser AP versorgt. Allerdings
kennt 802.11n drei Betriebsmodi:

"High Throughput (HT) Format": Nur 802.11n-Clients sind erlaubt.

"High Throughput Mixed Format": Der AP erkennt alte Clients und schaltet auf
niedrige Datenraten, solange das alte Gerät Daten übertragen will.

"Non High Throughput Format": Hier verhält sich 802.11n wie 802.11a/g.
Sämtlicher Wi-Fi-Datenverkehr wird akzeptiert, jedoch mit den Datenraten der jeweils langsamsten
Technik übertragen.

Daraus folgt: Im praktischen Einsatz kommen die Vorteile von 802.11n (höherer Durchsatz und
größere Funkzellen, die mehr Benutzer abdecken) nur zum Tragen, wenn kein alter AP-Client
eingebunden ist und das Netzwerk im HT-Modus arbeitet. Das HT Mixed Format ermöglicht nur dann hohe
Datenraten für n-Clients, wenn kein Alt-Client vorhanden ist. Sollen Alt-Clients zum Einsatz
kommen, müssen Zahl und Dichte der APs genauso hoch sein wie in einem herkömmlichen WLAN: Die
Alt-Clients können nicht wie n-Clients hohe Datenraten über große Distanzen übertragen und kommen
nicht mit den größeren Abständen zwischen den APs zurecht.

Unternehmen, die 802.11n-Geräte einsetzen wollen, müssen zudem bedenken, dass sich ihre Geräte
und fremde WLANs in der unmittelbaren Nähe gegenseitig beeinflussen können. Die meisten in
Deutschland betriebenen Wireless-Netzwerke entsprechen dem 802.11b/g-Standard und funken im
2,4-GHz-Spektrum. 802.11n verwendet bevorzugt das 5-GHz-Frequenzband. Doch manche Unternehmen
werden die neue Technik in einem Kompatibilitätsmodus bei 2,4 GHz betreiben wollen, um vorhandene
Clients weiter nutzen zu können, oder weil ein angrenzendes 802.11a-Netzwerk mit 5 GHz
arbeitet.

Phased Co-existence Operation (PCO): In diesem speziellen Kompatibilitätsmodus kann ein
802.11n-AP sowohl mit 802.11n- als auch mit 802.11a/b/g-Clients zusammenarbeiten. Anders als beim
HT-Mixed-Format ist es mit PCO zudem möglich, dass 802.11n alle Frames mit höherer Geschwindigkeit
überträgt. Im HT-Mixed-Format müssen alle Broadcast-Sendungen und nicht zusammengefasster
Datenverkehr auf einer 20-MHz-Kanalgruppe übertragen werden - auch an 802.11n-Clients. Im PCO-Modus
hingegen kann der AP zeitweise auf einem 40-MHz-Kanal an die n-Clients übertragen. Die restliche
Zeit nutzt er, um über den 20-MHz-Kanal Daten mit den alten Clients auszutauschen. Effektiv teilt
er also seine Aktivität nach dem Zeitscheibenverfahren zwischen den unterschiedlichen Clients auf.
PCO eignet sich gut für den Aufbau neuer 802.11n-basierender Netzwerke in Umgebungen, in denen
bereits viele WLANs im Einsatz sind. Die alten APs außerhalb des Netzwerks können nicht senden,
solange 802.11n aktiv ist - sie erhalten von dort ein CTS-Signal (Clear To Send) und setzen die
Übertragungs-Timer für ihre Netzwerkverfügbarkeit, um Interferenzen zwischen den Kanälen zu
vermeiden.

Dual CTS Protection: Dieser Modus ist eine Alternative, mit der sich eine gute Koexistenz mit
benachbarten Netzwerken sicherstellen lässt. AP oder Client schützen dabei jeden von ihnen
gesendeten Daten-Frame mit einem zusätzlichen CTS-Frame (Legacy- oder neuer CTS-Frame). Außerdem
löst Dual CTS das Problem mit "Hidden Nodes" – also Endgeräten, die sich aufgrund von Funklöchern
gegenseitig nicht erkennen können. Nachteil: Dual CTS reduziert den möglichen Datendurchsatz der
Funkzelle. Insgesamt ermöglichen HT-Mixed-Format, PCO und Dual CTS den Betrieb von n-Netzwerken
Seite an Seite mit a/b/g-WLANs. Jedes Verfahren hat sein Stärken und Schwächen in Bezug auf den
erreichbaren Datendurchsatz.

Netzwerkdesign und Kanalplanung

Damit sich die APs eines Netzwerks nicht gegenseitig stören, sollten sie auf unterschiedlichen
Kanälen übertragen. Das gilt sowohl für Geräte auf derselben Etage als auch auf den Geschossen
darüber und darunter. Dieser Punkt ist bereits bei der Planung eines Wireless-Netzwerks zu
beachten. In Deutschland und Europa haben drahtlose Netzwerke im 2,4-GHz-Band 13 Kanäle, die
jeweils 5 MHz auseinander liegen. Im 5-GHz-Band sind 19 Kanäle verfügbar. 802.11a/b/g-Signale
belegen etwa 20 MHz des Frequenzspektrums. Das bedeutet: Im 2,4-GHz-Band sind parallel effektiv nur
drei Kanalgruppen um die Kanäle 1, 6 und 11 nutzbar. Zwar lässt sich auch ein Vier-Kanal-Design um
die Kanäle 1, 5, 9 und 13 implementieren, doch kann dieses die Performance beeinträchtigen.

Auch 802.11n ist in der Lage, mit einer Signalspreizung von 20 MHz im 2,4-GHz-Band arbeiten.
Doch um Daten mit den versprochenen Datenraten übertragen zu können, muss die Technik im
High-Throughput-Format mit einer Bandbreite von 40 MHz arbeiten. Im 2,4-GHz-Band sind damit
offensichtlich nicht genügend Kanäle vorhanden, um benachbarte APs in Kanalgruppen ohne
Überlappungen betreiben zu können. Die 19 im 5-GHz-Band verfügbaren Kanäle eignen sich besser für
den Betrieb der 802.11n-Technik mit den höchstmöglichen Übertragungsraten von derzeit 200 MBit/s.
Die Signale lassen sich ohne Überlappung mehrerer Kanäle auf eine Bandbreite von 40 MHz verteilen.
Gibt es dann überhaupt Gründe, die für den Betrieb der 802.11nTechnik im 2,4-GHz-Spektrum sprechen?
Letztere erreicht in diesem Frequenzband zwar nur Übertragungsraten, die auf dem Niveau alter
802.11b/g-Netzwerke liegen. Aber MIMO und SDM sorgen immerhin dafür, dass die Datenraten mit
zunehmender Entfernung weniger schnell abnehmen als in 802.11b/g-Netzwerken. Dadurch lässt sich
eine Umgebung mit weniger APs abdecken.

Da die meisten Hochfrequenz-Planungswerkzeuge die Verringerung der Signalstärke über die
Entfernung und durch Hindernisse wie Wände in die Berechnungen einbeziehen, werden die Voraussagen
für die Funkcharakteristiken von 802.11n nur wenig von 802.11a/g abweichen. Die Planungsmethodik
erfordert nur geringe Modifikationen. APs, die sowohl a/n-Clients bei 5 GHz als auch b/g/n-Clients
bei 2,4 GHz versorgen, werden an denselben Stellen zu positionieren sein wie herkömmliche
802.11a/b/g-APs. Nur dort, wo ausschließlich 802.11n-Geräte zum Einsatz kommen und
802.11a/b/g-Produkte nicht unterstützt werden müssen, lassen sich die APs weiter entfernt
voneinander platzieren. In diesem Fall zeigt sich der Nutzen von SDM: Auch dort, wo die
Funkausleuchtung nicht optimal ist, lässt sich ein konstanter Datendurchsatz erzielen.

Migrationsstrategien

Es existieren drei Strategien, ein WLAN mit 802.11n zu implementieren: Neuinstallation,
Parallelinstallation (Overlay) oder Austausch (Substitution). Netzwerkdesigner müssen vier Fragen
beantworten:

Wo sollen die neuen 802.11n-APs installiert werden?

Welche Kanäle sind zu nutzen?

Welche a/b/g-APs lassen sich entfernen?

Wie sollen die Clients verwaltet werden?

Wie beschrieben, bietet ein reines 802.11n-Netzwerk eine größere Reichweite als ein
a/b/g-Netzwerk; die APs können weiter voneinander entfernt stehen. Hier eine Daumenregel für
Unternehmensgebäude: Bei einem typischen Bürogrundriss, einer gängigen Anwenderdichte, einer
geplanten Datenrate von mindestens 9 bis 12 MBit/s sowie 150 Prozent Zellüberschneidung lassen sich
klassische a/g-APs rund 15 bis 21 Meter voneinander entfernt platzieren. In einer Mischinstallation
mit 802.11n-APs und a/b/g-Clients, die mindestens zwei räumliche Funkstrecken unterstützen, gelten
vergleichbare Parameter.

Mit n-APs und -Clients lässt sich die Distanz zwischen den APs auf etwa 20 bis 25 Meter erhöhen.
Bei Neuinstallationen sinken dadurch die Investitionskosten für AP-Hardware, Verkabelung,
Installation sowie Switch-Ports, Etagenverteiler und Stromversorgungen. Ist kein 802.11a-Netzwerk
in der Nähe aktiv, können die Koexistenz-Betriebsmodi von 802.11n außer Acht gelassen und die volle
Leistungsfähigkeit der neuen Technik genutzt werden.

Doch während Notebooks in vielen Fällen schon heute kompatibel zu 802.11n beziehungsweise zum
n-Draft sind, werden spezielle Clients wie Wi-Fi-Telefone, Tags zur Ortsbestimmung oder mobile
Barcode-Lesegeräte in den nächsten zwölf bis 24 Monaten weitgehend auf das 2,4-GHz-Band begrenzt
bleiben. Daher und aufgrund der großen installierten Basis an b/g-Clients, sollte jedes
Unternehmensnetzwerk auch künftig das 2,4-GHz-Band unterstützen.

Eine Implementierung von 802.11n als separates Overlay stellt für viele Anwender eine
interessante Alternative dar. Dabei läuft das bestehende 802.11b/g-Netzwerk im 2,4-GHz-Band,
während das neue 802.11n-Netzwerk mit größeren Abständen zwischen den APs im High-Throughput-Format
bei 5 GHz arbeitet (sofern kein 802.11a präsent ist) und Übertragungsraten von bis zu 200 MBit/s
bereitstellt. Darüber hinaus lassen sich neue Midspan-Switches, die mehr Strom per Power over
Ethernet (802.3at) bereitstellen und die 802.11n-APs über mehrere 100-MBit/s-Verbindungen oder
Gigabit Ethernet versorgen, ohne allzu großen technischen Aufwand installieren. Dabei sind
allerdings die Investitionskosten zu beachten. Wenn in Nachbarnetzen 802.11a-Technik aktiv ist,
sollte PCO aus- und Dual-CTS eingeschaltet sein.

Falls das Netzwerk relativ neu ist, Anwender jedoch 802.11n fordern, ist es möglicherweise am
besten, einige der 802.11b/g-APs durch 802.11a/b/g/n-APs zu ersetzen. Dieser Substitutionsansatz
bietet eine gute Abdeckung für 802.11n, und die AP-Dichte bleibt insgesamt hoch genug für den
reibungslosen 802.11a/b/g-Betrieb. In diesem Fall werden PCO und Dual-CTS aktiviert. Nachteil
dieses Ansatzes: Die vorhandene Midspan-Switch-Infrastruktur muss so aufgerüstet werden, dass sie
die von 802.11n geforderte Leistung über Power over Ethernet sowie mehr Bandbreite für die neuen
APs bereitstellen kann.

Roger Hockaday ist Director of Marketing EMEA bei Aruba Networks. Der Inhalt dieses Beitrags basiert zu großen Teilen auf dem Whitepaper „Designed for Speed: Network Infrastructure in an 802.11n World“ von Peter Thornycroft, Aruba Networks.


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