Knapp 30 IT-Unternehmen kamen Mitte September zum IT-Summit 2005 ins kalifornische Monterey, um ihre Visionen zu aktuellen IT-Trends zu erläutern und darüber zu diskutieren. Hauptthemen waren unter anderem Enterprise Mobility, WLAN, Security und Storage. Eines der Highlights war die MIMO-Präsentation von Airgo, die der Veranstalter Globalpress in einen Konferenzblock mit "interessanten Newcomern" gepackt hatte. Airgo zeichnete plausibel die Vision des "kabellosen Büros".
Neben den drei Hauptsponsoren HP, Microsoft und Siemens waren zahlreiche weitere wichtige
Key-Player auf dem IT-Summit vertreten. Unter anderem gaben sich Alcatel, Checkpoint, Cisco, Intel,
Marconi, Sonic Wall, Symbol Technologies, Watchguard, Trapeze Networks und viele weitere die Ehre,
um die Top-Trends der IT zu diskutieren und die eigenen Strategien in dieser Hinsicht zu vermitteln
(weitere themenbezogene Berichte werden in LANline folgen). Airgo verband seinen Auftritt in
Monterey auch mit einer Neuankündigung: Die dritte Generation ihres "True MIMO" Chipsets, der
Übertragungsraten bis 240 MBit/s unterstützt.
Mit MIMO (Multiple Input Multiple Output) kommen pro Kanal mehrere Antennen zum Einsatz, um die
Signale simultan zu übertragen und zu empfangen. Ein einziges Signal mit hoher Reichweite wird
dabei in mehrere Signale mit niedrigerer Reichweite umgewandelt. "MIMO stellt das gesamte
wissenschaftliche Denken der letzten 100 Jahre auf den Kopf", so Dr. Greg Raleigh, President und
CEO bei Airgo Networks. "Denn seit es Radiotechnik gibt, waren Verzerrungen der Funkwellen –
bislang als Interferenzen betrachtet – eines der hartnäckigsten Probleme für Funknetze. Nun nutzen
wir diesen ´Störfaktor´, um die Übertragung stabiler, die Reichweiten größer und die
Geschwindigkeiten höher zu machen". Raleigh leitete in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre ein
Forscherteam an der Stanford-Universität, das maßgeblich an der Entwicklung der MIMO-Technologie
mit OFDM (Orthogonal Frequency Devision Multiplexing) beteiligt war. 2001 gründete er mit seinem
Kollegen Jones das Unternehmen Airgo.
Airgo ist also nicht wirklich ein Newcomer, mangels nennenswerter Verbreitung von MIMO-Produkten
allerdings kaum bekannt. Tatsächlich "schlagen" in den MIMO-Produkten von Belkin, Buffalo, Linksys,
Netgear, Planex, Samsung, Smartvue und Sohoware True MIMO-Chipsets von Airgo – wenngleich solche
der ersten und zweiten Generation. Partner für die dritte Generation werden gerade gesucht – Airgo
erwartet optimistisch, dass es noch in diesem Jahr fertige Produkte auf dem Markt geben wird.
Bislang zeigten die Partner kein allzu glückliches Händchen bei der Vermarktung ihrer
MIMO-WLANs. Mitunter mag das auch an der etwas ungeschickten Vermarktung als "Pre-n"-WLANs liegen,
was eine Assoziation mit dem künftigen 802.11n-Standard der IEEE herstellen sollte. Vor
Pre-n-Produkten hatte die Wi-Fi-Organisation jedoch ausdrücklich gewarnt. MIMO ist wichtigste
Basistechnologie für die Definition dieses Standards für die nächste Generation von WLANs.
Allerdings ist sie unabhängig davon auch als solche einsetzbar und im Falle von True MIMO wegen des
identischen Kanalformats (20 MHz) dabei sogar kompatibel mit den etablierten WLAN-Basisstandards
802.11 a/b/g und h. Eine bestehende Infrastruktur kann also sukzessive mit MIMO-Technologie
erweitert werden – ältere Access Points lassen sich problemlos zusammen mit MIMO verwenden.
Dies gilt allerdings nicht für alle MIMO-Ansätze. Der Vorschlag der "Task Group ’n‘
synchronisation" (TGn Sync) beispielsweise nutzt ein anderes Kanalformat und bricht von daher mit
der etablierten Basis. Obwohl in dieser Gruppe so einflussreiche Unternehmen wie Agere, Cisco,
Infineon, Intel, Qualcomm, Nortel, Mitsubishi, Sony, Panasonic, Philips, Samsung, Sanyo und Toshiba
versammelt sind, gilt derzeit die von Airgo entwickelte MIMO-Variante als aussichtsreicher, die
Basis für den 802.11n-Standard zu bilden. Zum einen hat die TGn Sync in den Meetings mit dem
IEEE-Konsortium in drei Abstimmungen nicht die erforderliche Mehrheit erhalten, zum anderen sind im
Airgo-Lager mit Broadcom, Motorola, Nokia und Texas Instruments ebenfalls sehr potente Marktgrößen
miteinander verbunden. WWISE (World Wide Spectrum Eficiency), so der Name der entsprechenden
Gruppe, scheint sich derzeit in wesentlichen Punkten durchzusetzen. Wie es aussieht, wollen sich
die drei größten MIMO-Lager, neben TGn Sync und WWiSE auch noch MITMOT, im Stile einer "großen
Koalition" auf einen gemeinsamen Entwurf einigen. Ob das nur Wunschdenken ist, wird sich im Laufe
des kommenden Novembers zeigen. Bis dahin soll es nämlich ein von allen Beteiligten abgezeichnetes
MIMO-Dokument geben. Das IEEE-Gremium könnte dann ab Anfang nächsten Jahres endlich seine Arbeit am
802.11n-Standard fortsetzen (wahrscheinliche Ratifizierung in diesem Fall: Ende 2006). Ob
MIMO-Produkte – auch solche auf Basis des WWiSE-Vorschlags – mit dem künftigen 802.11n-Standard
kompatibel sein werden, steht noch in den Sternen. Jedoch scheint der Einsatz von MIMO auch ohne
diese Perspektive als durchaus lohnend, wenn Bandbreitenanforderungen und Applikationen (zum
Beispiel Voice over WLAN) nach stabilen Funknetzen mit hoher Datenrate verlangen.
Mit Übertragungsraten von 240 MBit/s lässt True MIMO die heute am häufigsten für die
Endgeräteanbindung verwendete Ethernet-Variante (Fast Ethernet, 100 MBit/s) deutlich hinter sich.
Inwieweit sich damit tatsächlich eine Büroverkabelung substituieren lässt, wie es Raleigh
vorschlägt, bleibt dahingestellt. Den Beweis ihrer Stabilität und Praxistauglichkeit sind
MIMO-Netze noch schuldig, auch wenn Airgo bereits vier Millionen Chipsets verkauft haben will. Für
Raleigh ist Wi-Fi indes nur der Einstiegsmarkt der MIMO-Technologie. Entsprechende WLANs sind das,
was sich damit im Augenblick am einfachsten realisieren ließe. In ein bis zwei Jahren soll MIMO den
Consumer-Electronics-Markt erobern und dann erst richtig abheben. Neben multimedialen
Internetinhalten geht man davon aus, dass künftig auch Video, IP-TV, Musik, Fotos und Spiele
drahtlos per MIMO im Haus verteilt werden. Entsprechend sollen moderne IT/Hi-Fi/TV-konvergierte
Heimgeräte wie Router, Laptops, PCs, Set-Top-Boxen, Spielekonsolen, Stereoanlagen und Fernseher mit
MIMO ausgerüstet werden.
Damit nicht genug, soll MIMO in vier bis acht Jahren auch in den Mobilfunknetzen Einzug halten.
Auch hier gäbe es ein immenses Potenzial – die Betreiber würden geradezu danach lechzen,
Reichweiten, Datenraten und Übertragungsqualität ihrer Netze kostengünstig zu verbessern. Wegen der
höheren stabilen Reichweite könnte die Zahl der Sendemasten reduziert werden, ein Faktum, das
Betreibern und Anwendern gleichermaßen gefallen würde. Besonders interessant wäre das für
Mobilfunknetze der dritten Generation, da diese im Vergleich zu GSM ein deutlich engmaschigeres
Antennennetz erfordern. So wären die Betreiber in der Lage auch Gebiete zu versorgen, die bisher
aus Kostengründen außen vor bleiben mussten. Inwieweit MIMO auch in Verbindung mit Wimax Sinn
ergibt, bleibt noch zu klären – entsprechende Netze sind gerade erst im Aufbau. Fest steht, dass
MIMO auch langfristig sehr spannende Perspektiven bietet.