Der Telekommunikationsmarkt in Deutschland nimmt langsam wieder Fahrt auf. Für 2006 erwartet der Bitkom ein moderates Wachstum um 1,2 Prozent auf insgesamt 67 Milliarden Euro. Zu den stärksten Zugpferden zählt der Mobilfunk und hier zunehmend das ehemalige "Stiefkind der Nation" UMTS. Der Technologie-Turbo HSDPA, mit dem einige Betreiber seit März dieses Jahres ihre UMTS-Netze ausrüsten, beschleunigt nicht nur die Datenraten in Megabit-Dimensionen, er beflügelt auch wieder den Optimismus, der einst das Mobilfunknetz der dritten Generation getragen hat. Die klassische Telefonie dagegen kämpft mit einer massiven Abwanderung - zum einen eben in Richtung Mobilfunk, zum anderen in Richtung VoIP.
Während sich die ITK-Branche als Ganzes in den letzten Jahren mit Wachstumsraten zwischen 2,0
und 2,4 Prozent im positiven Bereich stabilisiert – der Bitkom (Bundesverband
Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien) erwartet für 2006 hier ein Umsatzvolumen
von 137,4 Milliarden Euro – sieht das Segment Telekommunikation mit seinen 1,2 Prozent Wachstum
noch nicht wieder besonders gesund aus. Doch die grobe Gesamtsicht lässt nicht im geringsten
erahnen, welche Dynamik gerade hier im Moment vorherrscht. Im Mittelpunkt steht der wohl größte
Umbruch, den die Telekommunikation seit der Erfindung des Telefons gerade bewältigen muss. Das
Telefonnetz mutiert mehr und mehr zur Datenautobahn – die Telefonie reist hier zu einem Bruchteil
der einstigen Gebühren quasi nebenbei mit – und das Telefonnetz als solches verliert durch die
Konkurrent aus dem Drahtlosbereich zunehmend an Bedeutung. Im vergangenen Jahr führten diese
Faktoren laut Bitkom bei der klassischen Telefonie zu einem Minus von vier Prozent. Bei einem
Volumen von rund 20 Milliarden Euro schlägt sich das durchaus signifikant auf den Gesamtmarkt
nieder.
Die Datenübertragung im Festnetz hingegen erlebt einen wahren Boom, wobei inzwischen auch die
Konkurrenz vom Breitbandfernsehkabel deutlich zulegt: Die Zahl der schnellen Internetzugänge per
DSL und TV-Kabel ist im vergangenen Jahr um 56 Prozent auf 10,7 Millionen gestiegen. Der BITKOM
rechnet in diesem Jahr mit einem Umsatzanstieg bei Datendiensten im Festnetz von acht Prozent auf
11,6 Milliarden Euro. Die Mobilkommunikation wiederum werde trotz des verschärften Preiswettbewerbs
um drei Prozent wachsen.
Gleich mehrere Funktechnologien schicken sich an, die Funktionen des Festnetzanschlusses
auszuhebeln: WLAN, UMTS und zukünftig sicher auch noch Wimax. WLAN ist in diesem Szenario eher der
Außenseiter – mit seinen eng begrenzten Funkradien macht er dem Festnetzanschluss nur im Einsatz
als "Hotspot" Konkurrenz. Wimax hätte das Potenzial, dem Festnetz einen weit schärferen Wind
entgegen zu blasen – Standardisierungsprobleme und speziell in Deutschland zusätzlich Verzögerungen
bei der Frequenzzuteilung an interessierte Provider – bremsen die Technologie im Moment noch aus.
Das schafft Raum für UMTS, das nun mit dem Roll-out von HSDPA (High Speed Downlink Packet Access)
weiter Boden gut macht. Bereits im vergangenen Jahr gelang dem Breitbandmobilfunk der Durchbruch –
sowohl in Deutschland als auch auf internationaler Bühne. "Ende 2005 gab es in Deutschland rund 2,3
Millionen UMTS-Handys und -Karten, bis zum Jahresende erwarten wir rund neun Millionen", so
Bitkom-Präsident Willi Berchtold.
UMTS-Netze (international als Wideband-CDMA bezeichnet) bedienten Ende vergangenen Jahres
weltweit 47,3 Millionen Nutzer. Ende 2004 waren es erst 16,1 Millionen und Ende 2003 sogar nur 2,7
Millionen Nutzer. Deutschland liegt bei der breitbandigen mobilen Kommunikation inzwischen weltweit
auf Rang vier. Hier soll sich die Zahl der UMTS-Nutzer nach Bitkom-Angaben in diesem Jahr ungefähr
vervierfachen, im vergangenen Jahr hatte sie sich verzehnfacht.
Als Tochter der Deutschen Telekom steckt T-Mobile in gewisser Weise in einer Zwickmühle.
Einerseits muss sie natürlich – nicht zuletzt auch unter dem Druck der Mitbewerber – die
Möglichkeiten des Mobilfunks mit attraktiven Angeboten ausschöpfen, zum anderen ist sie in gewissem
Umfang auch zur Rücksicht auf die Festnetzmutter angehalten. So erklärt sich vielleicht die
Tatsache, warum sich T-Mobile extrem lange damit Zeit gelassen hat, das Angebot einer "Home-Zone"
(zuhause mit dem Mobiltelefon zu den Kosten des Festnetzanschlusses telefonieren) zu realisieren.
Erst mit der diesjährigen CeBIT fiel hier der Startschuss. O2 bietet so etwas mit "Genion" schon
seit mehr als sieben Jahren.
Immerhin, mit "T-Mobile@home" macht T-Mobile jetzt nicht nur das Telefon, sondern mithilfe der "
Web?n?walk"-Box auch gleich den Internetanschluss in Heim und Büro mobil: Die Lösung funktioniert
sowohl im GPRS- als auch im UMTS-Netz von T-Mobile. Für den Anschluss analoger Geräte will T-Mobile
ab Sommer eine "Phone & Fax"-Box dazu anbieten.
In Sachen mobiler Breitbandkommunikation will T-Mobile auf jeden Fall ganz vorn mitspielen. Seit
der CeBIT beschleunigt Highspeed UMTS auf der Basis der HSDPA-Technologie die mobile
Datenübertragung in weiten Teilen des UMTS-Netzes von T-Mobile auf zunächst 1,8 MBit/s. Parallel
dazu schraubt EDGE (Enhanced Data Rates für GSM Evolution) das Performance-Rädchen auch im
GSM/GPRS-Netz nach oben – mit bis zu 256 kBit/s immerhin auf vierfache ISDN-Geschwindigkeit.
Während HSDPA bereits im Erscheinungsmonat dieser Ausgabe der LANline (Mai) flächendeckend
verfügbar sein soll, dauert das Tuning im GSM-Netz deutlich länger: Ende 2007 ist hier die
Flächendeckung angestrebt. Mit 1,8 MBit/s ist bei HSDPA das Ende der Fahnenstange noch längst nicht
erreicht. Bis Ende des Jahres will T-Mobile bereits Raten von 3,6 MBit/s anbieten, eine weitere
Verdoppelung der Geschwindigkeit (auf 7,2 MBit/s) steht für das nächste Jahr an. Damit hat UMTS auf
jeden Fall das Zeug zu einer echten Alternative zum Festnetz.
Das wird auch aus den neuen Angeboten von Vodafone deutlich. Bezüglich des UMTS-Ausbaus mit
HSDPA haben die "Roten" ähnliche Pläne angekündigt wie T-Mobile – beim geplanten Endausbau der
Geschwindigkeit nennt Vodafone allerdings 10 MBit/s. EDGE steht hier vorerst nicht auf der Roadmap.
Home-Zone-Angebote gibt es von Vodafone schon länger – allerdings sind diese seit der CeBIT
weitgehend neu gestaltet. So erlauben beispielsweise die neuen "Kombipakete" das günstige
Telefonieren im Rahmen eines Minutenpakets, kombiniert mit UMTS, einer Festnetznummer und günstigen
Telefonaten ins Festnetz von zu Hause aus. "Kombicomfort" bietet preisgünstiges Telefonieren
unterwegs bei geringem Grundpreis zusammen mit einer Festnetznummer und günstigen Anrufen ins
Festnetz von zu Hause aus. Neu ist auch "Zuhause Web by Call", ein Datentarif für das schnelle
Surfen über UMTS von zu Hause aus. Für das schnelle Surfen unterwegs über UMTS oder "UMTS Broadband"
, wie Vodafone sein HSDPA-UMTS nennt, gibt es eine neue mobile Daten-Flatrate: "Webconnect Fair
Flat National" ist mit einem monatlichen Festpreis von 49,30 Euro als direkter Angreifer auf das
Festnetz positioniert. Sprachtarife müssen noch extra dazu gebucht werden.
Eine interessante Wendung gibt es bei O2, mit "Genion" wie bereits erwähnt langjähriger
Vorreiter in Sachen Home-Zone und bisher eifrigster Verfechter der Festnetz-Substitution.
Neuerdings sieht sich O2 jedoch als Anbieter "integrierter Telekommunikation". Konkret heißt das:
O2 will künftig auch Festnetzprodukte anbieten. So ist für dieses Jahr beispielsweise ein
DSL-Produkt geplant, welches auf dem Festnetz der Telefónica Deutschland basiert (ADSL2+ mit
Downstream-Raten bis 16 MBit/s). Mobilfunk, Festnetz und Internet aus einer Hand, lautet jetzt die
Devise. Ziel ist ein differenziertes Angebot für das komplette Spektrum der TK-Nutzer. Der Ausbau
des UMTS-Netzes mit HSDPA passt da aktuell weniger ins Konzept, wenngleich sich auch O2 dieser
Entwicklung zumindest längerfristig nicht verschließen können wird. Im mobilen Bereich steht aber
zunächst der Ausbau der ohnehin schon sehr variantenreichen Home-Zone-Produkte im Mittelpunkt – auf
Basis von GSM/GPRS oder eben Standard-UMTS. Ein aktuelles Angebot für geschäftliche Nutzer ist
beispielsweise die "Flat Genion-Option". In einer Monatspauschale sind hier alle vom Mobilfunkgerät
geführten Gespräche ins Festnetz inklusive, vorausgesetzt sie werden vom Arbeitsplatz oder dem
Firmengelände aus geführt.
Auch E-Plus hat mit Highspeed-UMTS derzeit noch nichts am Hut. Auf Basis der gegenwärtigen
GSM-/GPRS- und UMTS-Technologien konzentriert sich das Unternehmen auf ortsunabhängige Flatrates
für Telefonie und Datenkommunikation. Über seine Tochter Base etwa bietet E-Plus seit Januar für 25
Euro eine Datenpauschale an, die sowohl mit GSM als auch UMTS genutzt werden kann. Voraussetzung
dafür ist allerdings eine Sprach-Flatrate, die ebenfalls mit 25 Euro im Monat zu Buche schlägt.
Die neuen Angebote der Mobilfunker dürften mit großer Wahrscheinlichkeit dafür sorgen, dass sich
die Abwanderung von der "Wanddose" in diesem Jahr weiter beschleunigt.