Soziale Netzwerke werden als Nachrichtenquelle immer wichtiger. Damit ist die digitale Gesellschaft endlich im Mittelalter angekommen.
Jeder Fünfte nutzt soziale Netzwerke als Nachrichtenquelle. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Bitkom-Umfrage. Ganz vorne mit dabei: Facebook, Twitter und Xing. Fast in Echtzeit lassen sich hier unter dem richtigen Hash-tag verortet tagesaktuelle Ereignisse verfolgen. Diesen Service nutzen laut Studie vermehrt jugendliche Anwender, die diese Nachrichten nach dem Konsum fleißig weiter teilen. Damit katapultiert die fortschreitende Entwicklung die digitale Gesellschaft zurück in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts.
Damals sorgte die Erfindung des Buchdrucks dafür, dass durch Flugblätter an den sozialen Treffpunkten der Menschen die neuesten Informationen und Gerüchte unter das Volk gestreut werden konnten. Das einseitig oder doppelseitig bedruckte Blatt lieferte alles, wonach es der sensationsheischenden Masse dürstete: Werbung, Nachricht, Lehrtafel aber auch die neuesten »Tatsachenberichte« über Hexen und Dämonen in der Umgebung. Nicht umsonst hatte die Hexenverfolgung vor über 500 Jahren Hochkonjunktur und Weltliteratur wie der »Malleus Maleficarum« ihr Erscheinungsdatum.
Doch während die Jagd auf Hexen zu jener Zeit in den Händen der Kirche und einiger Spezialisten für peinliche Befragung lagen, treiben heute die Konsumenten selbst, willfährig, die Sau durchs Dorf. Immer tatkräftig unterstützt von Medien auf der Suche nach den neuesten Shitstorm. Hexenwaage oder Hexenbad braucht es nicht mehr – allein die Erregung der breiten Masse reicht, um Menschen an den digitalen Pranger zu stellen. Um den Wahrheitsgehalt von Gerüchten oder Anschuldigungen an spezielle Personen und Gruppen zu prüfen, gibt es ein ganz einfaches Mittel: Shares und Likes.
Je mehr Zuspruch eine Meldung erhält – und möge sie auch noch so an den Haaren herbei-gezogen sein – desto größer ist auch ihr Wahrheitsgehalt. Wer es schafft, Like-Kontingente höchstbietend zu verkaufen, sorgt nicht nur für ein höheres Maß an Seriosität des Verfassers, sondern kann die Münze im Kasten klingen lassen. Ein kleiner Trost bleibt: Bis zur Aufklärung sind es noch rund 200 Jahre.