Metro Ethernet und Triple-Play-Services

Neue Netzgeneration in den Startlöchern

31. August 2005, 23:06 Uhr | Dr. Wilhelm Greiner

Die Anbieter von Ethernet-Equipment arbeiten seit Jahren daran, den Carrier-Markt zu erobern. Neben Kostenvorteilen und der Allgegenwart von Ethernet in Unternehmen setzen sie auf Next-Generation Networks, die Daten, Sprache und Video über eine gemeinsame Plattform transportieren. Die Vermarktung dieses Ansatzes erfolgt vor allem unter dem Label "Triple Play", dieses Jahr gesellte sich das Schlagwort "IPTV" hinzu.

Carrier-Netze der nächsten Generation (Next-Generation Networks, NGNs), da sind sich
Anbieterschaft und Analysten einig, müssen eine Vielzahl breitbandiger Access-Varianten ebenso
unterstützen wie Ethernet im Stadtnetz (Metro Network) und IP/MPLS (Multi-Protocol Label Switching)
im Transportnetz (Core). Eine Schar spezialisierter Anbieter arbeitet mit zunehmendem Erfolg daran,
den Netzbetreibern die allmähliche Migration von SDH und ATM in Richtung NGN schmackhaft zu machen.
Neben Layer-2- und Layer-3-VPNs für Unternehmen zählt zu den Argumenten der NGN-Verfechter die
Möglichkeit, Datenverkehr, Sprache (Voice over IP) und Video-Streams über eine gemeinsame
Ethernet-/IP-Plattform abzuwickeln (Triple Play). In letzter Zeit heben die Anbieter – darunter
Riverstone, Laurel/ECI und Juniper mit seiner E-Serie – hier besonders das Video-Streaming (IPTV)
hervor, da dieses die höchsten Ansprüche an den Durchsatz sowie an die Verlässlichkeit der
Netzkomponenten stellt: Herkömmliche Ethernet-Switches mussten nur viele Datenpakete
durchschleusen, klassische Breitbandaggregatoren (BRAS) vor allem viele Anwender mit Diensten
versorgen. IPTV-Equipment aber muss beides leisten – und zwar ohne Makel, denn ein enttäuschter
Triple-Play-Kunde bestellt bei ruckelnden Fernsehbildern gleich seine Sprach- und Datendienste mit
ab.

Ausfallsichere Triple-Play-Geräte

Entsprechend zielen zum Beispiel die neuen Metro-Switch-Router von Foundry auf viel Durchsatz
bei hoher Ausfallsicherheit. Der Hersteller verspricht für seine neue Serie Bigiron RX eine
Switching-Kapazität von über einer Milliarde Paketen oder 1,5 TBit/s. Mit Carrier-spezifischen
Schnittstellen und MPLS-Erweiterungen vertreibt Foundry die Bigiron-Switches als "Netiron XMR".
Beide Switch-Router sind jeweils mit vier, acht oder sechzehn Einschüben halber Rack-Breite
bestückbar. Die Platz sparenden Half-Slot-Module erlauben im üblichen 7-Fuß-Rack die Höchstzahl von
192 10-Gigabit-Ethernet-(10GbE-)Ports mit Wirespeed. Dies zielt zum Beispiel auf Internetknoten mit
Platzmangel im Data-center. Force10, im Highend-Switching Konkurrent Ciscos und Foundrys, stellte
demgegenüber kürzlich die branchenweit erste 90-Port-GbE-Karte für seine Terascale E-Series
Switch-Router vor und kommt so auf 1260 GbE-Ports pro Chassis. Hochverfügbarkeit galt lange als
Manko der Ethernet-Geräte. Für Ausfallsicherheit soll in Foundrys neuer Switch-Generation eine
3:1-Switch-Fabric-Redundanz sowie eine 1:1-Redundanz der Managementmodule sorgen. Foundry setzt vor
allem aber auf ein so genanntes Clos Switch Fabric mit Virtual Output Queuing (VOQ). Dies
garantiert laut Foundry-Vice-President Bob Schiff sehr kurze Latenzzeiten und niedrige
Latenzschwankungen (Jitter) – bei Echtzeitanwendungen gefürchtete QoS-Killer (Quality of Service).
Laut Foundry verbessern "adaptives Self Routing" und VOQ nicht nur die Skalierbarkeit, sondern
erlauben es den Geräten sogar, Backplane-Ausfälle zu umgehen. Damit verkrafte ein RX sogar den
gleichzeitigen Ausfall mehrerer Fabric-Module.

Metro-Ethernet-Spezialist Riverstone wiederum hat seinen ebenfalls hochverfügbaren und
Triple-Play-tauglichen Ethernet-Edge-Router 15008 aufgebohrt. Riverstone ist – zusammen mit Cisco
und teils mit, teils gegen Juniper – ein Pionier von VPLS (Virtual Private LAN Services), einem
noch jungen MPLS-basierten Verfahren, das Layer-2-Multipoint-VPNs ermöglicht und somit Forderungen
nach durchgängigen Ethernet-Diensten erfüllt. Neben VPLS unterstützt der 15008 Layer-3-VPNs nach
RFC 2547 und dynamisches IPv6-Routing. Zudem bietet er nun Schnittstellen für ATM und POS (Packet
over Sonet). Damit macht das vormals reine Metro-Ethernet-Gerät den Schritt zum
Multi-Service-Edge-Router, um Carriern die Migration durch den Parallelbetrieb von Services zu
erleichtern.

Multi-Service Control Gateway

Die chinesische Huawei, die im europäischen Carrier-Markt deutlich an Boden gewinnt (siehe
Kästen), setzt zur Erfüllung ihrer ehrgeizigen Umsatzziele auf hochgradige Integration auf
Geräteebene: Das jüngst vorgestellte Quidway ME60 Multi-Service Control Gateway (MSCG) soll
hochperformantes Switching und Routing mit intelligenter Servicebereitstellung und integriertem
User-, QoS und Sicherheitsmanagement verbinden. Am Edge des Carrier-Cores positioniert soll es die
Kosten der NGN-Einführung gering halten.

Als "Alles-in-einem-Gerät" verfolgt der ME60 das Ziel, gegenüber der klassischen Sammlung von
Point-Solutions für Sicherheits-, Netzwerk- und Servicemanagement die Verwaltung einer
IP-/MPLS-Infrastruktur zu vereinfachen. Für Carrier war die Frage der durchgängigen, echtzeitnahen
Verwaltbarkeit lange die entscheidende Einstiegshürde für NGNs. Laut Huawei bietet der ME60 mit
seinen acht oder 16 Slots praktisch alles, was ein Carrier heute braucht: von der Unterstützung
zahlloser Interface-Typen und dem Interworking der Access-Varianten über MPLS-basierte Circuit
Emulation, VPLS und Layer-3-MPLS-VPNs bis zu User-Authentifizierung, Firewalling und Deep Packet
Inspection sowie SBC-Funktionalität (Session Border Control) für die NGN-Signalisierung.

Dies geht weiter als heute üblich: "Die Kombination von Session-Border-Control-Funktionalität
und Edge-Routing ist ein Schritt, über den ich schon einige Zeit spekuliert habe", so Kevin
Mitchell, Directing Analyst Service Provider Voice and Data bei Infonetics. "Ich vermute, dass
Juniper einen ähnlichen Weg gehen wird, da das Haus dieses Jahr (den SBC-Spezialisten) Kagoor
übernommen hat."

Viele Wirtschaftsexperten erwarten für den Weltmarkt in den nächsten Jahren einen immensen Boom
chinesischer Unternehmen. Auf dem "International Forum on NGN Commercial Deployments" Anfang Juni
in Köln lieferte Huawei einen kleinen Vorgeschmack. Der chinesische Telekommunikationsausrüster
generierte im vergangenen Jahr mit seinen Sparten Optische Netze, Mobilfunk, Festnetz,
Datenkommunikation und Mehrwertdienste einen Gesamtumsatz von 5,58 Milliarden Dollar. Seit diesem
Jahr exportiert Huawei zudem Mobiltelefone. Die Wachstumsraten im Heimatmarkt lagen in den letzten
drei Jahren zwischen 26 und 40 Prozent, das Wachstum der Umsätze außerhalb Chinas lag hier im
Schnitt sogar bei 100 Prozent. 2004 machte das 2,28 Milliarden Dollar aus, also knapp die Hälfte
des Gesamtumsatzes. Ab 2005 sollen die außerchinesischen Umsätze die des Inlands überflügeln, so
die Erwartungen des Unternehmens. Im Markt der IP-DSLAMs hält Huawei bereits heute die weltweite
Führungsposition. In Teilmärkten, die das Haus nicht durch eigene Kompetenz abdeckt, unterhält
Huawei Vertriebspartnerschaften –zum Beispiel mit Siemens, der Deutschen Telekom, 3Com und
Marconi.

Auf dem Kölner NGN-Forum trat Huawei zusammen mit seinem deutschen Referenzkunden QSC auf. Hier
erläuterte das Unternehmen seine Sicht der TK-Industrie und seine strategische Ausrichtung. So sei
derzeit fast überall in der Welt zu beobachten, wie klassische Umsatzträger bei Carriern gnadenlos
wegbrechen. Zugleich würden Service-Provider, die nicht die Last einer eigenen Netzinfrastruktur zu
tragen haben, mit ihrem Dienstangebot immer mehr absahnen. "Hier ist ein sehr ungesundes
Ungleichgewicht entstanden", erklärt Joy Huang, Direktor der NGN-Planungsabteilung bei Huawei. "In
der heutigen Wertschöpfungskette geht das Geld schlicht an den Netzbetreibern vorbei. Die Carrier
sind zum Zugesel für die gut genährten Service-Provider degradiert." Daher müsse die
Wertschöpfungskette in der Telekommunikation neu geordnet werden, um wieder eine Gewinnsituation
für beide Seiten zu schaffen. Auf Betreiberseite erfordert dies nach Auffassung Huangs
Multi-Service-Zugangstechniken, konvergente IP-Netze und eine zentralisierte Netzwerkkontrolle. In
allen Bereichen will Huawei Carrier und Provider im Rahmen seiner NGN-Strategie dabei unterstützen,
wieder zu einer Win-Win-Situation zu finden. Stefan Mutschler

Auf dem NGN-Forum in Köln kamen mehrere Carrier zu Wort, die mit Huawei zusammenarbeiten: neben China Telecom, British Telecom und Jazztel (Spanien) auch QSC. QSC ist nach Arcor der zweitgrößte alternative Breitband-Operator in Deutschland und fokussiert stark auf Geschäftskunden. Im zweiten Quartal 2004 startete QSC für seinen geplanten IP-Breitband-Rollout umfangreiche Tests mit drei Herstellern von Softswitches und Gateways. Ende 2004 fiel die Entscheidung für Huawei, und bereits seit Februar dieses Jahres läuft die Vermarktung der IP-Breitbanddienste wie Voice over IP (VoIP), Fax over IP und Wide Area IP-Centrex. Demnächst will QSC auch als Application Service Provider aktiv werden. Weitere NGN-basierte Multimedia-Services untersucht das Haus bereits. Für 2006 plant QSC, Mobile- und Security-Services in ein integriertes Kommunikationsangebot zu packen. Für den Rollout des IP-Netzes hat der Provider neben zwei Softswitches rund 200 Gateways installiert, die mit der Deutschen Telekom verbunden sind.

Frank Thelen, Director Planning and Engineering bei QSC, erläuterte im Gespräch mit der LANline die Gründe für die Wahl von Huawei: "Meiner Einschätzung nach hat Huawei gegenüber anderen TK-Ausrüstern etwa ein Jahr Entwicklungsvorsprung", so der QSC-Mann. "Zumindest gilt das für unsere spezifischen Anforderungen hinsichtlich Geschäftskunden". Als Beispiel nennt er die standardkonforme Priorisierung von Sprache und Daten im IP-Netz. Das Hauptargument für Huawei - das klang auch aus Präsentationen anderer Carrier heraus - scheint jedoch die persönliche Betreuung zu sein. "Wann immer es ein Problem gibt - sofort ist jemand von Huawei zur Stelle, der sich um die Lösung kümmert", lobt Thelen. "Man hat das Gefühl, das Unternehmen arbeite exklusiv für uns. Das merkt man besonders bei komplexeren Herausforderungen, für die die Ingenieure in unglaublicher Geschwindigkeit Lösungen entwickeln".

Hier profitiert Huawei von den niedrigen Arbeitslöhnen in China. Zehn Prozent des Huawei-Umsatzes fließen in die Forschung und Entwicklung (F&E) - rein finanziell kein besonders auffälliger Wert. Allerdings arbeitet mit 48 Prozent fast die Hälfte aller Huawei-Mitarbeiter für F&E, bei derzeit weltweit 30.000 Angestellten also knapp 15.000 Mitarbeiter. Stefan Mutschler


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