IT Infrastructure Library trifft Open Source

Open-ITIL-Initiative für Best Practices

9. Mai 2006, 23:25 Uhr | Dr. Wilhelm Greiner

In Ausschreibungen verlangen Unternehmen von ihren Softwarelieferanten immer häufiger, dass deren Lösungen den praxiserprobten Prozessen (Best Practices) gemäß ITIL (IT Infrastructure Library) entsprechen. Hier haben Open-Source-Anbieter das Nachsehen. Unter dem Namen "Open ITIL" will eine Projektgruppe der Linux Solutions Group diesen Missstand beheben.

Viele Unternehmen betrachten die Best-Practice-Sammlung ITIL mit großem Interesse. Die
ITIL-Bücher, in den 1980er-Jahren von der britischen Behörde OGC (Office of Government Commerce)
initiiert, führen IT-Prozesse, die sich in der Praxis bewährt haben, als Referenzen auf. ITIL
umfasst die Bereiche "Service-Support" (Configuration-, Incident-, Problem-, Change- und
Release-Management sowie den Service-Desk als zentrale Instanz), "Service-Delivery" (Capacity-,
Availability-, IT-Service-Continuity, Service-Level- und Financial-Management) sowie übergreifend
das Security-Management.

Der Einsatz solcher Standardabläufe scheint Unternehmen der Freiheit zu berauben, durch eigene,
ausgefeilte Prozesse gegenüber der Konkurrenz Geschäftsvorteile zu erzielen. Das Interesse an ITIL
ist jedoch getrieben von der Erkenntnis, dass viele IT-Abläufe – zum Beispiel der Roll-out einer
neuen Softwareversion – in der Tat Routinearbeiten sind. Hier verspricht der Einsatz
standardisierter Prozesse Zeit- und Kostenersparnis – insbesondere in IT-Abteilungen, die solche
Arbeiten bislang gar nicht als "Prozess" verstanden.

Zertifizierung lässt Open Source außen vor

Die Zertifizierung einer IT-Managementlösung als "ITIL-konform", ausgewiesen zum Beispiel durch
das Pink-Elephant-Label, soll Unternehmen die Recherche ersparen, ob eine Lösung den ITIL-Vorgaben
entspricht, und ihnen die Auswahl geeigneter Software erleichtern. Doch im operativen Bereich
(Service-Support laut ITIL) setzen Unternehmen häufig Open-Source-Software ein. Das zunehmend
stärkere Pochen von Unternehmen auf ITIL-Konformität und -Zertifikate bevorzugt hier einseitig
kommerzielle Lösungen, da Open-Source-Tools nicht über teure ITIL-Zertifikate verfügen. "Ein
weiterer Nachteil ist im Ursprung von Open-Source-Lösungen zu finden", so Thomas Peruzzi,
Geschäftsführer der österreichischen Premium IT Solutions. "Diese meist von Technikern für
Techniker geschriebenen Lösungen sind hauptsächlich nach deren Belangen konzipiert, nicht aber nach
der Erfüllung prozessorientierter Standards oder Best Practices." Peruzzi engagiert sich daher im
Rahmen einer Arbeitsgruppe der Linux Solutions Group (Lisog) für eine Open-Source-Adaption der
ITIL-Prozesse: "Open ITIL ist eine Initiative, um Open-Source-Software die Möglichkeit zu geben, an
Ausschreibungen teilzuhaben, die ITIL-Konformität verlangen", so Peruzzi. Hierfür liefere das
Projekt "die Prozesse selbst und auch ein Workflow-Tool auf Basis von Open Content und Open Source"
.

Peruzzi berichtet von starkem Echo der Open-Source-Gemeinde und kommerzieller Unternehmen: "
Zahlreiche Firmen, die in der Lisog mitwirken, haben ihr Interesse an einer Mitarbeit im Projekt
bekundet, und einige arbeiten bereits heute aktiv mit. Dies reicht von der Projektorganisation über
Prozessdefinitionen bis zur Prüfung der Prozesse." Das rege Interesse spiegele sich auch in den
zahlreichen Anmeldungen für den ersten freien Open-ITIL-Workshop Ende März in München wider.

Einer Open-Source-Implementierung der ITIL-Standards liegen aber noch einige Steine im Weg.
Neben dem Geld für Zertifizierungen nennt der Open-ITIL-Verfechter Fragen rund um das Prozesswissen
und die Überwindung reiner Trouble-Ticket-Systemgrenzen. "Heutige Open-Source-Lösungen besitzen oft
eine sehr gute technische Basis – das Wissen um IT-Service-Management und dessen Prozesse ist
allerdings noch wenig ausgeprägt." Dies gelte es nun aufzubauen. Zu den Early Adopters von Open
ITIL werden laut Peruzzi Banken, aber auch kleinere Behörden und Unternehmen zählen. Eine erste
Referenzimplementierung soll im dritten Quartal 2006 vorliegen. Interessenten am Projekt können
sich bei Peruzzi und der Lisog melden.

Info: Premium IT Solutions Tel.: 0043/676/844061200 Web: www.pits.at

Info: Linux Solutions Group e.V. Tel.: 0711/90715-391 Web: www.lisog.org


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