Noch in diesem Frühjahr soll der Power-over-Ethernet-Standard IEEE 802.3at verabschiedet werden, mit dem Endgeräte über das Datenkabel mit mehr als 24 W Speiseleistung über zwei Adernpaare (PoE+) versorgt werden können. Die ebenfalls geplante Versorgung mit der doppelten Leistung über vier Adernpaare (PoE++) hat das Normungsgremium zunächst auf unbestimmte Zeit vertagt. IEEE 802.3at soll den bisherigen Standard IEEE 802.3af ablösen. Das Gremium achtete dabei auf eine Rückwärtskompatibilität und die Unterstützung der Geräte mit niedrigem Stromverbrauch.
Power-over-Ethernet-Systeme (PoE) nutzen die LAN-Verkabelung nicht nur für die Datenübertragung, sondern auch für die Energieversorgung von Endgeräten. Die niedrigen Systemkosten, die Unabhängigkeit von der Stromversorgung sowie eine weltweile Kompatibilität bringen erhebliche Kosteneinsparungen bei der Installation einzelner, weit entfernter Komponenten. So findet man PoE-Installationen heute zum Beispiel für die Anbindung von WLAN Access Points, IP-gestützten Überwachungskameras oder von IP-Telefonen. Auch RFID-Leser oder Touchpanels sowie intelligente Sensoren und Aktoren in der Gebäudetechnik lassen sich mit PoE günstig an das LAN anbinden und gleichzeitig mit Strom versorgen.
Der noch geltende Standard IEEE 802.3af basiert auf einer Versorgung von 48 V und 350 mA über zwei Adernpaare und kommt dabei auf eine Speiseleistung von 15,4 W. Die höchstmögliche Leistungsaufnahme des gespeisten Geräts beträgt aufgrund der Leitungsverluste maximal 12,95 W. Dabei erfolgt die Einspeisung entweder über Switches mit PoE-Unterstützung oder über Midspan-PSE-Geräte (PSE: Power Sourcing Equipment), die eine Nachrüstung einer Verbindung erlauben. Sie leiten hierzu die Ethernet-Daten weiter und nutzen die in der Regel nicht belegten Adernpaare 4/5 und 7/8 für die Energieeinspeisung. Auch eine Phantomspeisung via Übertrager auf die Adernpaare 1/2 und 3/6 ist möglich.
Endgeräte, die sich für bisherige PoE-Systeme eignen, zählen beim künftigen Standard zu den Endgeräten des Typs 1 (niedriger Energiebedarf). Typ-2-Geräte erhalten eine Versorgung von maximal 0,6 A bei einer Speisespannung von 55 bis 57 V (am Endgerät: 47 bis 57 V). Die höhere Leistungsabgabe ergibt sich aus der Verringerung der Übertragungswiderstände; eine Erhöhung der Spannung über SELV-Niveau (Safety Extra Low Voltage) von 60 V DC hinaus ist aus Personenschutzgründen (Gefahr eines Stromschlags) nicht möglich.
Eine PoE-Versorgung nach der noch gültigen Norm IEEE 802.3af schaltet sich nach der Feststellung eines speziellen Signatur-widerstands zu, wohingegen beim neuen Standard die bereits dafür reservierte Klassifikation 4 (35 bis 45 mA bei maximaler Speiseleistung) zur Signalisierung des höheren Energiebedarfs verwendet wird. IEEE 802.3at spezifiziert PoE+ auch für 1000Base-T-Anwendungen und fordert hier wie für Geräte des Typs 2 mindestens Datenkabel der Kategorie 5e.
Zurzeit sind die PoE+-Treiberbausteine laut Angaben von Phoenix Contact in der Regel nur für 40 °C spezifiziert und eignen sich somit nach Einschätzung dieses Herstellers nicht für die industrielle Automation. Mitbewerber Molex hat allerdings bereits ein entsprechendes Connector-Modul für Industrienetze vorgestellt, das sich für Temperaturen bis 70 °C eignen soll (
www.lanline.de/kn31824405). Allein aus diesem Grund ist es jedoch schon nicht mehr normkonform. Denn IEEE 802.3at begrenzt die maximale Temperatur (Umgebung plus Erwärmung) auf 60 °C.
Selbst wenn die Bausteine für höhere Temperaturen einsetzbar sind, führt die größere elektrische Energie zu einer zusätzlichen Erwärmung der Adern und dies zunehmend mit steigender Umgebungstemperatur, was die Übertragung der Ethernet-Daten beeinträchtigen könnte. Der Hersteller für Verkabelungssysteme Reichle & De-Massari (R&M) hat in Tests herausgefunden, dass "bei konsequenter Beachtung der Standards das Problem der Erwärmung beherrschbar" sei. AWG23- und AWG22-Kabel seien für PoE+ bei Raumtemperatur zum Beispiel nicht unbedingt nötig. Zudem können zum Beispiel geschirmte Installationen die Wärme besser über die Schirmung ableiten als ungeschirmte. Entscheidend sei, dass der Betreiber die Längenrestriktionen einhält. Er müsse bei einer Umgebungstemperatur von 40 °C bei einer Verbindung mit einem ungeschirmten Kategorie-5e-Kabel einen zusätzlichen Temperaturanstieg von 10 K durch PoE+ berücksichtigen, was die zulässige Link-Länge von maximal 90 Metern um etwa sieben Meter verkürzt. Bei einem geschirmten Kategorie-5e-Kabel reduziere sich der Link bei gleichen Umgebungsbedingungen nur um etwa einen Meter. Wählt der Betreiber ein Kabel höherer Kategorie mit größerem Aderquerschnitt, könne er damit die Link-Reduzierung kompensieren.
Ferner könnten bei Steckvorgängen unter Spannung Lichtbögen entstehen und die Kontaktflächen schädigen. Insbesondere bei Steckverbindern der Kategorien 6A, 7 und 7A unterscheidet sich das Kontaktdesign möglicherweise signifikant von herkömmlichen Designs und ist deshalb stärker oder weniger stark von elektrischen Entladungen betroffen. Im Standardisierungsprozess für PoE+ wurde dieser Aspekt laut R&M bisher noch nicht adressiert. Auch hierzu führte der Hersteller Untersuchungen durch und fand heraus, dass für eine dauerhafte Kontaktqualität im Stecker die Materialeigenschaften, Beschichtung, Formgebung sowie die Anpresskraft der Kontakte ausschlaggebend sind. Diese Ergebnisse sollen in einen entsprechenden Technical Report des Standardisierungsgremiums IEC SC48B eingehen.
PoE breitet sich auf dem Markt weiter aus. Dell’Oro geht zum Beispiel davon aus, dass im Jahr 2011 etwa 100 Millionen PoE-fähige Geräte verkauft werden. Und VDC identifiziert in seiner aktuellen Studie "PoE: Global Market Opportunity Analysis" IP-Telefone und Wireless Access Points als treibende Kräfte. Allein die Nachfrage nach Wireless Acces Points soll jährlich um 50 Prozent steigen.