Noch verhindert das Fehlen herstellerübergreifender Standards den ganz großen Durchbruch, doch Marktforscher haben keinen Zweifel: Den Blade-Servern gehört die Zukunft. Sie benötigen weitaus weniger Platz und Energie als klassische Rack-Server, und zudem unterstützen sie sehr gut moderne Serverkonsolidierungs- und -virtualisierungskonzepte. Die Zahl der einschlägigen Anbieter ist überschaubar. Ein genauer Vergleich der angebotenen Lösungen ist auf jeden Fall lohnend.
Blade-Server sind nun schon seit mehreren Jahren auf dem Markt – die entsprechenden Konzepte und
Lösungen sind daher in vielerlei Hinsicht ausgereift und stabil. Wo es hingegen nur schleppende
Fortschritte zu verzeichnen gibt, ist die Standardisierung des Serverchassis, auch Enclosure oder
Blade-Center genannt. Blades – vollständige Rechnermodule mit Prozessor, Hauptspeicher,
Festplatten, Netzwerk-Controller und Betriebssystem – benötigen anders als ihre klassischen,
Rack-optimierten Geschwister kein eigenes Netzteil und damit auch keinen eigenen Stromanschluss.
Die Stromversorgung läuft über die Verbindung zum Chassis, das auch Lüfter, Speicher, USB-Ports
sowie die Verbindung zu VLANs und Switches zentral zur Verfügung stellt.
Bei der Kopplung der Blades mit dem Chassis kocht bislang fast jeder Hersteller sein eigenes
Süppchen – ebenso wie bei der Größe, dem Formfaktor und zahlreichen weiteren physikalischen
Eigenschaften der Enclosures selbst. Damit bedeutet die Anschaffung einer Blade-Lösung gleichzeitig
die längerfristige Bindung an einen Hersteller, so wie es früher bei den Großrechnern der Fall war.
Die Uneinigkeit ist nach Auffassung der Marktforscher der Hauptgrund, warum die Absätze von
Blade-Servern derzeit noch weit hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben. Trotz dieser "Bremse"
sollen sich die Umsätze bei Blade-Lösungen laut einer Gartner-Studie von 2004 bis 2008
versiebenfachen. Bei den großen Anbietern wie beispielsweise Hewlett-Packard (HP) sind bereits
heute acht bis zehn Prozent der verkauften Server Blades.
Die starke Bindung an einen Hersteller erfordert umso mehr eine eingehende Prüfung der infrage
kommenden Lösung. Entscheidende Faktoren bei Rechnern im Allgemeinen und bei Blades im Besonderen
sind die Prozessorleistung und die Skalierbarkeit der Rechen-Power. Hier hat sich seit den Anfängen
der Blades eine Menge getan: Neben 32-Bit- stehen nun auch 64-Bit-Architekturen zur Verfügung.
Blades kommen mit Single-, Dual- oder jetzt auch Vier-Wege-Prozessorsystem, und bei den Prozessoren
selbst werden seit diesem Jahr neben Single- auch Dual-Core-Varianten mit immer höherer Taktung
integriert. Dual-Prozessoren eignen sich besonders für den Einsatz bei Cluster-Anwendungen,
Vier-Wege-Blades bieten sich etwa bei der Transaktionsverarbeitung und komplexen
Datenbankapplikationen an. Die 64-Bit-Technologie ist bei extrem rechenintensiven Aufgaben gefragt,
so zum Beispiel in der Bioinformatik, Computersimulation oder digitalen Signalverarbeitung.
Vorteilhaft ist, wenn das Blade-Enclosure einen heterogenen Mix von Blades mit unterschiedlichen
Prozessortypen und Leistungsstufen im selben Chassis unterstützt, um flexibel aufgabengerechte
Rechnereinschübe aufnehmen zu können.
Ein Beispiel für ein Vier-Wege-System auf der Basis des AMD-Opteron-Prozessors ist der Primergy
BX630 von Fujitsu Siemens Computers. Dabei erlaubt die Hypertransport-Technik des Opteron einen
vergleichsweise reibungslosen Wechsel von einem Dual- zu einem physikalischen
Vier-Wege-Blade-Server. Basierend auf Dual-Core-Opteron-Prozessoren bietet ein Vier-Wege-System
sogar acht physikalische Prozessorkerne. Auch Intel hat inzwischen mit einem
Dual-Core-Xeon-Prozessor nachgezogen (Xeon DP, "Paxville"). Er arbeitet mit einer Taktfrequenz von
jeweils 2,8 GHz beispielsweise in den neuen Poweredge-Blades von Dell, wo er Anwendungen um bis zu
50 Prozent beschleunigen soll. Generell ist es der Flexibilität dienlich, wenn ein Blade-Hersteller
mit mehreren Prozessorherstellern zusammenarbeitet. Selbst IBM und HP bieten neben Blades mit ihren
eigenen Prozessoren auch solche von Intel beziehungsweise AMD an. HP will ihre Alpha- und
Pa-RISC-Prozessoren mittelfristig auslaufen lassen. IBM plant nächstes Jahr mit ihren neuen
Cell-Prozessoren auf den Markt zu kommen, die im Labor schon mit 3 GHz und höherer Taktung gelaufen
sein sollen. Dell bestückt ihre Blades ausschließlich mit Intel-Prozessoren.
Mit der gestiegenen Leistungsfähigkeit eignen sich Blades sehr gut für die Konsolidierung
verteilter Serverfarmen. Wichtigstes Instrument dafür ist das Managementsystem der Blades. Dieses
muss in der Lage sein, die Dienste eines Blades ohne deutlich spürbare Zeitverzögerung auf einen
anderen Rechner zu verschieben – am besten im laufenden Betrieb und unter Mitnahme aller Prozesse
und Kommunikationsverbindungen. Zur Überwachung und Steuerung der einzelnen Blade-Server verfügt in
der Regel jedes Chassis über ein Managementelement mit Webinterface. Wichtig ist auf jeden Fall,
dass sich beliebige Mengen von Blade-Servern zentral über eine grafische Konsole steuern lassen.
Die Managementsoftware sollte auch dafür sorgen, dass der Betrieb beim Ausfall einer Komponente
reibungslos weiterläuft. Die defekten Blades müssen sich im laufenden Betrieb austauschen lassen.
Ausgefeilte Blade-Managementlösungen wie der "IBM Director" überwachen die Server und setzen im
Bedarfsfall neue Knoten auf. Anhand von benutzerdefinierten Regeln erledigt das System Aufgaben wie
das Aufspielen eines ausgefallenen Knotens auf ein Ersatzmodul selbstständig. In Verbindung mit
entsprechenden Sensoren muss die Managementsoftware in der Lage sein, den Zustand der
Blade-Komponenten anhand kritischer Kenngrößen wie CPU-Temperatur oder Lüftergeschwindigkeit zu
kontrollieren und zu steuern. Ein wichtiges Feature beim Management stellt auch die Unterstützung
proaktiver Vorgehensweisen dar – beispielsweise bei drohenden Serverengpässen oder
Softwarefehlfunktionen. Eine Meldung an den Administrator erlaubt es, geeignete Korrekturmaßnahmen
zu automatisieren.
Ein wichtiger Aspekt bei der Eruierung einer Blade-Lösung ist die Kühlung. Die mit der hohen
Prozessordichte verbundene Wärmeentwicklung galt lange Zeit als einer der kritischsten Punkte im
Zusammenhang mit Blade-Konzepten. Die großen Hersteller wie IBM und HP haben das Problem
mittlerweile adressiert. Meist sorgen mehrstufige Lüfterhierarchien (Prozessoren, Festplatten,
Chassis und Rack) für einen auf die Anforderungen von Blades abgestimmten Luftstrom. Auch
Rack-Hersteller wie zum Beispiel Knürr haben sich auf Blades eingerichtet und bieten spezielle
Schränke – zum Teil mit Wasserkühlung an. APC integriert gleichzeitig auch das
Notstromversorgungskonzept in ihre Schrank- und Klimasysteme. Ist mit den Blades der Aufbau eines
Rechenzentrums geplant, so erweist es sich als vorteilhaft, wenn entweder der Blade-Hersteller
selbst oder der Rack-Lieferant ein Kühlungs- und idealerweise auch USV-Konzept liefert. Bei den
Speichersystemen sollte sich ein Blade-System möglichst flexibel an die Anforderungen eines
Unternehmens anpassen lassen. Dementsprechend ist auf die Unterstützung des Speicherkonzepts zu
achten: Direct Attached Storage (DAS), Network Attached Storage (NAS) oder Storage Area Network
(SAN).
Inzwischen stehen Blades auch im Desktop-Bereich zur Diskussion. Unternehmen wie Clearcube
bieten dafür schon seit einigen Jahren einschlägige Lösungen. Im Unterschied zu den Server- Blades
gehört bei den PC-Blades eine starke Grafikkarte zur essentiellen Ausrüstung. In den USA finden die
Clearcube-Lösungen seit einigen Monaten auch durch Lenovo den Weg zum Kunden. Im Übrigen ist
bislang nur HP auf den Zug der PC-Blades aufgesprungen. Ob sich das Konzept durchsetzen wird, ist
derzeit noch nicht absehbar. Als Server scheinen Blades auf jeden Fall für viele Anwendungen das
Konzept der Wahl, auch wenn fehlende Enclosure-Standards den Markt bremsen. Immerhin: IBM und Intel
haben bereits im vergangenen Jahr die Designspezifikationen für Switches, Adapterkarten, Appliance-
und Kommunikations-Blades für die IBM-E-Server-Bladecenter-Plattform teilweise offen gelegt. Für
Entwickler und IBM-Business-Partner steht seither eine Lizenz der Bladecenter-Designspezifikationen
gratis zur Verfügung. Zukünftig sollen Blade-Server noch flexibler werden – die Unterstützung neuer
Technologien wie Grid-Computing steht ins Haus. Einige Hersteller haben dies bereits
angekündigt.