E-Mail-Systeme sind in den meisten Unternehmen unverzichtbar geworden. Um einen schnellen und ununterbrochenen E-Mail-Zugriff zu gewährleisten, sind vielfältige Mechanismen im Angebot. Einen flotten und selektiven Zugriff auf gesicherte Mail-Bestände verspricht Kroll Ontrack mit seinen Powercontrols. In einem ersten Praxistest haben wir uns diese in der neuen Version 4.0 angesehen.
Für eine permanente Verfügbarkeit der E-Mail-Dienste müssen die Prozesse (das E-Mail-System)
aktiv und die Daten abrufbar sein. Zur Sicherung der Prozesse (der Mail-Dienste) dient meist eine
redundante Auslegung. Ist dies nicht möglich oder gewünscht, so hilft im Fehlerfall nur das
Wiederaufsetzen des Mailservers. Zur Sicherung der Daten setzen Unternehmen traditionell auf
Backups, die periodisch und meist nachts ablaufen. Neuere Verfahren hingegen verwenden
Onlineduplizierungen (Continuous Data Protection), teils mit automatisierten Failover-Mechanismen.
Hier haben sich vor allem Doubletake, Neverfail und WAN Sync HA hervorgetan.
Einen Mittelweg stellen die Powercontrols von Kroll Ontrack dar. Sie kümmern sich nicht um die
eigentliche Datensicherung: Diese ist wie gewohnt durch eines der gängigen Backup-Tools
vorzunehmen. Die Powercontrols helfen hingegen beim schnellen Restore von Exchange-Daten; für Lotus
Notes ist die Software nicht verfügbar. Die Lösung nutzt zwei getrennt installier- und aufrufbare
Komponenten: erstens das traditionelle Kernmodul, die eigentlichen Powercontrols, die auch
Namensgeber für beide Bestandteile sind; zweitens einen Assistenten zum Zugriff auf die
Backup-Daten, den Extractwizard. Die nachfolgenden Erläuterungen unterscheiden mit Hinblick auf
mehr Klarheit immer zwischen diesen beiden Komponenten.
Krolls Powercontrols ermöglichen einen selektiven Zugriff auf die E-Mail-Daten und gestatten es,
die gelesenen Informationen in ein anderes Format und Speichersystem zu schreiben. Das Tool ist
dabei auch in der Lage, seine Ergebnisse direkt in Exchange-Postfächern zu hinterlegen. Alternativ
lässt sich die wiederhergestellte Information als PST- oder Textdatei anlegen.
Exchange setzt für seine Datenablage auf der Jet-Datenbank auf, und das Schema liegt nicht nach
außen offen. So besteht normalerweise keine Möglichkeit, die Inhalte ohne den Einsatz des
Exchange-Servers zu lesen. Die Powercontrols zielen genau darauf ab, Exchange-Inhalte verfügbar zu
machen, ohne einen Exchange-Server betreiben zu müssen. Dies ermöglicht zum Beispiel den Zugriff
auf Mail-Daten, wenn Exchange wegen Hard- oder Softwareproblemen nicht verfügbar ist. Muss der
Administrator den Exchange-Server aufgrund eines Hardewaredefekts mitsamt Betriebssystem, Patches
und Daten vollkommen neu einrichten, kann dies je nach Datenumfang mehr als einen Tag erfordern.
Einen erheblichen Anteil daran hat die Wiederherstellung der Daten. Die Bereitstellung eines
Backup-Servers beschleunigt hier zwar die Wiederinbetriebnahme des Servers, nicht aber die der
Daten.
Ein weiteres Einsatzfeld lässt sich mit dem Schlagwort "Compliance" umreißen: der Zugriff auf
frühere E-Mails aus rechtlichen Gründen oder aufgrund von Beweispflicht. Sollten vor Jahren
erstellte E-Mails gefordert sein, die auf Backup-Bändern lagern, so kann man den traditionellen Weg
des Re-stores gehen, der aber langwierig ist. Um nur wenige alte E-Mails einzusehen, erscheint der
vollständige Restore der damaligen Exchange-Daten kaum angebracht.
Für den LANline-Test stand eine zeitlich, aber nicht im Funktionsumfang limitierte Version des
Toolsets als Download-Datei zur Verfügung. Ein PDF-Handbuch im Umfang von zirka 200 Seiten
begleitete die Software. Beide liegen nur auf Englisch vor. Als Systemvoraussetzungen gibt der
Hersteller einen Rechner mit Betriebssystem ab Windows 2000 Professional oder Server an. Outlook
muss in der Version 2000 oder später vorhanden sein. Die unterstützten Mailserverversionen reichen
von Exchange 5.5 bis zur aktuellen Version 2003. Installiert haben wir das Tool auf einem Win-dows
Server 2003 Standard Edition mit Service-Pack 1. Die Exchange-Version auf einem separaten Server
war 2003, Outlook stand in Version 2000 zur Verfügung.
Das Setup der zirka 20 MByte großen Datei ist schnell abgeschlossen und erfordert lediglich die
Angaben über Benutzer, Verzeichnisse und den Lizenzschlüssel. Der Anwender kann sich für eine
vollständige Installation oder für den Einsatz eines der beiden Module Powercontrols und
Extractwizard entscheiden. Wir installierten beide Module.
Im ersten Schritt greift der Extractwizard auf die gesicherten Exchange-Daten zu. Das Tool
bietet alle denkbaren Optionen, um die Daten einzulesen. Im einfachsten Fall mag dies der Zugriff
auf eine BKF-Datei, das interne Backup-Format von Windows, sein. Das andere Extrem stellen
Backup-Bänder dar. Hier ist der physikalische Zugriff wie auch das logische Datenformat umzusetzen.
Dies erfordert den Einbezug der Backup-Software und -Hardware. Kroll unterstützt dabei alle
gängigen Hersteller und Lösungen: CA, Hewlett-Packard, IBM Tivoli, Legato, Veritas/Symantec sowie –
neu in der Version 4.0 – auch Commvault und Ultrabac. Im Zusammenspiel mit der Backup-Software
liest der Wizard die Daten ein und legt sie in einem frei definierbaren Verzeichnis ab. Das
Verfahren unterscheidet sich vom Standard-Restore: Dieser würde hier bereits einen Exchange-Server
benötigen. Das Ergebnis der Restore-Operation ist ein Verzeichnis mit den von Exchange bekannten
Datenbeständen und den Datenbanken EDB und STM sowie der LOG-Datei.
Die weiteren Arbeiten obliegen den Powercontrols. Das Werkzeug präsentiert sich in einem
zweigeteilten Fenster. Im oberen Bereich sind die zu durchsuchenden Quellen dargestellt. Hier
kommen prinzipiell alle EDBs ("Private-" und "Public"-Exchange-Datenbanken) sowie die PSTs
(Personal Folders) in Frage – somit auch jene, die der Extractwizard bereitgestellt hat.
Es lassen sich aber auch beliebige andere Quellen einklinken, sofern sie dem Format der EDB und
PST genügen. Mehrere Quellen sind auch parallel zu öffnen und in die Verwaltung einzublenden.
Nach der Anbindung der Datenquellen erhält der Benutzer seinen Ordner, wie er zum Zeitpunkt der
Backup-Erstellung beziehungsweise dem Aufbau der PST vorlag. Durch die Äquivalenz zwischen der
Quelle und dieser Darstellung findet sich der Benutzer sicher schnell zurecht. Neben der von
Outlook bekannten Vorschau ist eine vollständige Anzeige oder auch nur die Darstellung der
Betreffzeilen möglich. Ferner lassen sich Anhänge und Kontakte öffnen, wenn dies gewünscht ist.
Der Administrator kann sich seine Arbeit bei Bedarf mithilfe einiger Funktionen durchaus
erleichtern: Zur Selektion und Suche im Mail-Bestand stehen diverse Filter und Ansichten bereit.
Als Suchoptionen kann der Anwender alle E-Mail-Felder spezifizieren, also zum Beispiel Absender,
Empfänger oder Sendedatum. Eine Suche kann im Header, dem Mail-Text, dem Anhang und dem Namen des
Anhangs erfolgen.
Über das Kontextmenü lassen sich Nachrichten direkt im .txt- oder .msg-Format exportieren. Sind
sie in einen anderen Mail-Speicher zu schreiben, dann muss der Anwender diesen vorher analog zu
Quelle öffnen. Das Ziel erscheint dann im unteren Fensterbereich. Drag and Drop sorgt für das
einfache Verschieben von Mails direkt von der Quelle zum Ziel. Neu in der aktuellen Version ist,
dass dieses Ziel auch ein Public Folder sein darf. Das Vorgehen ist auf alle weiteren
Informationselemente wie Kontakte oder Notizen übertragbar: Auch sie zieht der Anwender per Drag
and Drop an das neue Ziel.
Die Preise beginnen bei 995 Euro für die Powercontrols 4.0 Standard Edition, lizenziert für
einen Server mit maximal 100 Mailboxen. Für 250 Mailboxen kostet das Tool 1495 Euro, Lizenzpreise
darüber hinaus nennt der Hersteller auf Anfrage. Eine Individualisierung und die Anbindung an
weitere Lösungen können im Einzelfall das nötige Budget weiter erhöhen: Hinzu kommen die Agenten zu
je 495 Euro, falls eine der folgenen Backup-Lösungen zum Einsatz kommt: Veritas Backup Exec,
Veritas Netbackup, Legato Networker, IBM Tivoli Storage Manager, CA Arcserve, HP Openview Storage
Data Protector, Commvault Galaxy oder Ultrabac.
Das abschließende Urteil über die Powercontrols 4.0 fällt durchweg positiv aus: Die Arbeit mit
dem Werkzeug verlief im Test flüssig und angenehm. Insbesondere aufgrund der schnellen
Inbetriebnahme und der geringen Anforderungen an die Softwareumgebung eignet es sich ideal für
einen schnellen und unkomplizierten Zugriff auf Exchange-Inhalte. Dies gilt vor allem für selektive
Restore-Maßnahmen.
Ob sich der Einsatz des Tools lohnt, hängt allerdings von der konkreten Aufgabe ab: Sollte das
gesamte Mail-System wiederherzustellen sein, greift der Administrator besser auf die Bordmittel von
Exchange zurück.
Info: Kroll Ontrack Tel.: 07031/644-0 Web: www.krollontrack.de