Einst überschlugen sich die RFID-Prognosen, doch inzwischen macht sich tiefe Ernüchterung breit. Vor allem die einstigen Vorzeigeprojekte bei Walmart und im Pharmahandel sehen ihre Erwartungen bislang nicht erfüllt.
"Die Technologie ist durchaus viel versprechend, ist aber noch nicht weit genug ausgereift um das Alltagsleben einer hektischen Arzneimittelversorgung zu überstehen", sagt Renard Jackson, verantwortlich für Logistik und Verpackungstechnologie beim US-Pharmagroßhändler Cardinal Healthcare.
Hauptproblem ist seiner Ansicht nach die mangelhafte Erkennungsquote, die bislang nur bei mageren 70 Prozent liegen würde und mindestens auf Werte von über 95 Prozent ansteigen muss. Doch solche Werte ließen sich bei Cardinal Healthcare bislang immer nur dann erzielen, wenn es nur ein Produkt zu Lesen gab und keine weiteren Störquellen im näheren Umkreis vorhanden waren.
Außer diesem gravierenden technischen Mangel gibt es auch noch organisatorische Schwierigkeiten. Viele Hersteller, Großhändler und Apotheken haben entgegen ihren ersten euphorischen Ankündigungen bislang noch keine Anstrengungen unternommen, um alle ihre Produkte und Logistikeinrichtungen umzustellen. Somit müssen zwei parallele Logistikprozesse betrieben werden, was den RFID-Einsatz nicht günstiger, sondern wesentlich teurer macht.
Und dann gibt es in den USA eine wieder aufgeflammte Datenschutzdiskussion, die viele Betriebe als nicht gelöst ansehen. "Alles in allem hat RFID bei uns mehr Probleme verursacht, als es gelöst hat", gibt Jackson als Begründung an, warum er gegenwärtig keine weiteren RFID-Investitionen im eigenen Betrieb mehr plant.
Die Erfahrungen bei Cardinal Health werden jetzt von der US-Pharmaaufsicht FDA ausgewertet, denn diese hatte vor drei Jahren ein Gesetz forciert, das einen mehrstufigen Einführungsplan für RFID im Arzneimittelhandel vorsieht, doch die Realität hinkt derzeit weit hinter den Vorgaben her. Selbst wenn die RFID-Industrie die Lesegenauigkeit kurzfristig signifikant verbessern sollte und damit der Druck auf die Beteiligten zur Umstellung ansteigt – ein vor kurzem neu entdecktes Problem könnte zum Killer dieser Technologie im Arzneimittelhandel werden: Es gibt nämlich Hinweise darauf, dass die Temperatur der Medikamente beim Lesevorgang zu stark ansteigt, was vor allem bei biologischen Präparaten zur Zerstörung führen kann. Bei Cardinal Health hat man deshalb inzwischen alle biologischen Präparate von der RFID-Auszeichnung ausgenommen.
Der stark abgebremste Einsatz von RFID beschränkt sich in den USA aber nicht alleine auf die Pharmalogistik. Alle Groß- und Einzelhändler haben ihre Projekte erheblich gestutzt, was in der Summe bereits dazu geführt hat, dass es bei den Technikanbietern zu Entlassungen und Schließungen gekommen ist.
Beim viel zitierten RFID-Primus Walmart hat es inzwischen schon die erste prominente Entlassung wegen dieser Technologie gegeben: IT-Chefin Linda Dillman – unter deren Leitung die ehrgeizigen Pläne entstanden – musste ihren Stuhl für Rollin Ford räumen, der als Erstes eine "weit reichende Überprüfung des RFID-Projekts" anordnete. Seitdem ist die Auszeichnung auf ein Minimum zusammengestrichen. Nur noch wenige "Stock-Keeping-Units" (SKUs) werden mit RFID ausgerüstet.
"Die RFID-Industrie befindet sich in einem gefährlichen Teufelskreis: Geringere Mengen bedeuten höhere Preise und weniger Entwicklungsprojekte, wodurch wiederum die Marktdurchdringung zurückgeht. Erst wenn sich dieses Rad in die andere Richtung zu drehen beginnt, geht es mit RDIF wieder aufwärts", sagt Michael Liard, Analyst bei ABI Research, nachdem er in einem neuen Bericht seine Projektionen für diesen Markt um 15 Prozent reduziert hat.
Harald Weiss/wg