Bei der Wahl einer Lösung für die Stromversorgung eines Rechenzentrums müssen die Betreiber neben wirtschaftlichen Überlegungen auch Anforderungen wie niedrige Decken, dicht gestellte Racks oder auch die Doppelbodenstruktur beachten. Dabei stellen schienenbasierte Stromverteilungssysteme heute eine Alternative zu den Verkabelungslösungen dar - und sind diesen in manchen Umgebungen überlegen.
Bei jeder Planung einer neu einzurichtenden oder zu erweiternden Rechenzentrumsinfrastruktur stellt sich die Frage, wie die physische Stromversorgung am verlässlichsten, kosteneffizientesten und sichersten zu bewerkstelligen ist. In der Vergangenheit entschieden sich die meisten RZ-Betreiber für eine kabelbasierte Lösung, die an Trassen an der Rechenzentrumsdecke oder im Doppelboden installiert wird und von dort aus die Hardware in den 19-Zoll-Racks über PDU-Kabel (Power Distribution Units) mit Strom versorgt. Die Betreiber hatten allerdings genau genommen keine Entscheidungsnöte, denn es gab praktisch keine technischen Alternativen zum Standardlösungsweg mit den Kabelleitungen.
Vereinzelt gab es zwar auch schon Systeme zur Energieverteilung per Schiene auf dem Markt, aber diese ursprünglich nur für den Einsatz in Industrieumgebungen gedachten Lösungen warteten damals noch mit diversen Handicaps auf: Zum Beispiel waren die Abgangskästen an den Stromschienen so großzügig dimensioniert, dass sich diese zwar bequem in zehn oder auch 15 Meter hohen Produktionshallen unterbringen ließen, sich jedoch kaum für den Einsatz in Rechenzentren mit niedrigen Decken, dicht gestellten Racks und Doppelbodenstruktur eigneten. Probleme bereiteten ferner die verschraubten Verbindungsstellen zwischen den einzelnen Stromleisten. Bei Temperaturschwankungen über dem Kalt- oder Warmgang lockerten sich die Verbinder oder lösten sich sogar komplett. Um diesen Fehler zu beheben, war es notwendig, die Stromzufuhr zu unterbrechen - was sich bei der Stromversorgung von Racks, in denen Produktiv-Server laufen, natürlich nicht so besonders gut machte. Zudem erforderte die Einrichtung eines jeden neuen Plug-ins (oder auch Abgangskasten), etwa für die Stromversorgung eines neu hinzugekommenen Racks, den Einsatz eines Elektrikers.
Heute stellen speziell für den Einsatz im Datacenter konzipierte, schienenbasierte Stromverteilungssysteme eine Alternative zu den Verkabelungslösungen dar und können diesen hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, Anwenderfreundlichkeit und Flexibilität überlegen sein.
Eine Stromverteilung per Schiene erfolgt über modular erweiterbare Schienenprofile, die an der Gebäudedecke oder im Doppelboden befestigt werden. Die einzelnen Aluminiumprofile sind über schrauben- und bolzenfreie Steckverbinder miteinander verbunden, die bei High-end-Systemen lang ausgelegt sind, sodass die Wärmeableitung optimal und daher eine temperaturbedingte Lockerung oder gar das Lösen der Verbindungselemente ausgeschlossen ist. Die Stromeinspeisung selbst erfolgt zentral und versorgt das gesamte Schienensystem je nach Anforderung mit Stromstärken von 100, 225 oder 400 Ampere und mit einer Spannung von bis zu 415 Volt.
Überall, wo in einer IT-Umgebung Strom benötigt wird, zum Beispiel an einem jeden 19-Zoll-Rack, lässt sich einfach eine Verteilereinheit, ein so genanntes Plug-in, in das Schienenprofil einpassen. Dabei wird die Kupplung des Plug-ins in das Gehäuse des Schienenprofils gesteckt und abschließend um 90 Grad gedreht. Dieses Verfahren dürfte allen geläufig sein, die schon mit Fischertechnik-Bausteinen hantiert haben. Dann stehen über den Abgangskasten ein- oder auch dreiphasige Outlets für AC- oder DC-Stecker zur Verfügung, über die sich Schrank-PDUs anschließen lassen, mittels derer die gesamte Hardware in einem Rack mit Strom versorgt wird.
Abgangskästen können an jeder beliebigen Stelle entlang der Stromschiene angebracht werden. Dies erweist sich als Vorteil gegenüber den Kabel-Paneelen, die sich nur an vordefinierten Fixpunkten und in konstantem Abstand zueinander montieren lassen. Als Folge muss sich die Positionierung der Racks bei den kabelbasierten Lösungen nach den Vorgaben der Strominfrastruktur richten. Und dies schränkt die Stellmöglichkeiten von Racks und deren Dichte ein, aber auch die Möglichkeiten bei Erweiterungen oder Rückbauten. Dies führt zu Nachteilen für die Flexibilität der IT-Umgebung insgesamt.
Die Montage neuer Plug-ins soll sich in Minuten bewerkstelligen lassen und nimmt nicht wie bei Kabelsystemen Wochen in Anspruch. Dieser zeitliche Unterschied ergibt sich nicht nur aus der Tatsache, dass ein Elektriker für die Herstellung einer Kabelabzweigung in der Regel ein bis zwei Tage braucht. Die meiste Zeit beansprucht der Planungsvorlauf: Denn um eine Abzweigung für eine Schrank-PDU herzustellen, muss das Rechenzentrum die gesamte Stromversorgung der über das entsprechende Kabel-Paneel versorgten Racks als geplante Downtime unterbrechen und dann langsam wieder anfahren. Im Fall von Schienensystemen führt das RZ eine Erweiterung um Abgangskästen per Stick und 90-Grad-Dreh jederzeit bei laufender Stromversorgung durch. Zudem ist das Kupplungsdesign von Schienen und Gehäuse so ausgelegt, dass ein Kontakt mit stromführenden Leitern bei der Montage fast zu 100 Prozent auszuschließen ist. Deshalb bedarf es keines externen Elektrikers für diese Aufgabe, das Facility-Management kann die Arbeit kosten- und zeitsparend selbst durchführen.
Die Stromversorgung über Schiene eignet sich auch vor allem für den Einsatz in kritischen Bereichen wie Entwicklungs- und Testumgebungen, in denen das gesamte IT-Equipment dicht gedrängt steht. Diese Systeme werden außerdem häufig um- und neu konfiguriert oder auch ganze Racks umgesetzt, um "Real World"-Szenarien" nachzubilden. Kabel-Paneele sind hier ungeeignet, weil sie weder mit dem erforderlichen Konfigurationstempo, noch baulich und auch nicht vom technischen Design her Schritt halten können, sind sie doch hinsichtlich der Zahl der verfügbaren Schrank-PDUs eingeschränkt und an feste Abzweigmarken gebunden. Hinzu kommen die langen Ausfallzeiten, die beim Einrichten einer Schrank-PDU an neuer Stelle anfallen. Installationszeiten von bis zu einer Woche sind gerade für international aufgestellte Unternehmen, die rund um die Uhr entwickeln und forschen, nicht hinzunehmen.
Bei Schienensystemen lässt sich auch der räumlichen Einschränkungen Rechnung tragen, denn die Abgangskästen sind in der Regel so konzipiert, dass eine Einheit mehrere Outlets für den Anschluss von Schrank-PDUs bietet, die entsprechend auch gleichzeitig mehrere Racks mit Strom versorgt. Auf diese Weise können, etwa in dicht gestellten Test-Labs, einerseits die Racks mit Ampere-Raten von 16, 20, 32 oder 63 gespeist, aber auch im gleichen Zuge 230-VAC-Geräte mit Energie versorgt werden.
Für den Schutz der Stromverteilung verfügen die Abgangskästen meist über Stromunterbrecher und eine mehrfache physische Sicherung. Die häufig erforderlichen Redundanz der gesamten Energieverteilungsinfrastruktur lässt sich durch ein zur Hauptschiene parallel geführtes zweites System erreichen. Für eine generelle Betriebssicherheit und den Gebäudeschutz bei der Verwendung von Stromschienensystemen sollten Rechenzentren auf entsprechende Zertifizierung achten: Brandschutz muss gemäß dem UL857- und UL94-V0-Standard gegeben sein. Auch müssen die Systeme der internationalen IEC 60439-1 (-2):2000- beziehungsweise der deutschen DIN EN 60439-1 (-2)-Norm zu besonderen Anforderungen an Schienenverteiler entsprechen.
Bei einem Kostenvergleich beider Stromverteilungssysteme punkten zunächst die Kabel-Paneel-Lösungen bezüglich der reinen Materialkosten bei einer Erstinstallation. Kabel sind einfach naturgemäß billiger als Aluminiumprofile. Diesen Vorsprung können jedoch Schienensysteme wieder wettmachen, sobald die Kosten für die Einrichtung einer Strominfrastruktur inklusive der Abzweigungen für die Schrank-PDUs und deren Betrieb und Wartung für die Dauer von einem Jahr mit ins Kalkül gezogen werden: Je nach Größe und Komplexität der Stromverteilung fallen bei Schienensystemen zwischen 30 und 50 Prozent weniger Installations- und Wartungskosten an als bei konventionellen Kabellösungen. Jede Erweiterung kann den Vorteil ausbauen. Auch die lange Lebensdauer und die Wiederverwendbarkeit einer Schienenlösung sollte in eine Berechnung mit einfließen. Schließlich fallen beispielsweise die meterdicken Kabelbäume im Doppelboden weg, und damit geht eine Erhöhung des Kühlluftstroms und -drucks einher sowie letztendlich eine Optimierung der Kühlungseffizienz. Der Wert und die Effizienz einer Schienenstromverteilung lassen sich durch ergänzende Module zur Remote-Strommessung noch weiter steigern.