OS- und Application-Streaming

TC-Computing erobert Neuland

7. März 2006, 23:00 Uhr | Klaus Becker/wg Klaus Becker ist Director Technology & Engineering EMEA bei Wyse.

Bei der Planung von Thin-Client-Lösungen ging es bislang vor allem um die Frage, über welches Protokoll die Geräte auf die Anwendungen zugreifen, die der Terminalserver bereitstellt. Heute sind Streaming-Techniken verfügbar, die sowohl die Anwendungen als auch das Betriebssystem in Echtzeit zu den Clients übertragen. Sie empfehlen sich als Ergänzung oder Alternative zu klassischen Terminalserverumgebungen.

Bisher galt beim Server-based Computing (SBC) die Formel: Je schlanker ein Thin Client, desto
kleiner fällt auch sein Funktionsumfang aus. Sehr schlanke TCs sind zum Beispiel oft nicht mit
einem Browser ausgestattet – mitunter deshalb, weil sie gar nicht über das dazu nötige
Betriebssystem verfügen. Viele Unternehmen setzen deshalb auf Hybridlösungen und nutzen neben
schlanken auch weniger schlanke Thin Clients sowie klassische PCs (Fat Clients). Zudem sind
spezielle Video-Clients erhältlich, die mit leistungsfähigen Grafikchips bestückt sind, um auch
Multimedia-Anforderungen gerecht zu werden. Als Thin-Client-Plattformen kommen in der Regel Windows
CE, Win-dows XP Embedded oder Linux sowie proprietäre Betriebssysteme wie Thin OS von Wyse (vormals
Blazer) zum Einsatz.

Die neuen Streaming-Techniken verändern die Spielregeln im Thin-Client-Computing grundlegend.
Dies gilt insbesondere für Lösungen, die sowohl das Betriebssystem als auch die Anwendungen auf den
Client streamen können. Dadurch ist auf den Endgeräten keinerlei eigene Intelligenz mehr
erforderlich, und es lassen sich auch so genannte "Stateless Devices" ("zustandslose Geräte") als
Client einsetzen. Der bisher zum Vorhalten des Betriebssystems benötigte Flash-Speicher kann
ersatzlos wegfallen.

Ein großer Vorteil der Streaming-Technik liegt darin, dass sie einen sehr breiten Einsatzbereich
abdecken kann. Denn auf der Client-Seite kommen unterschiedlichste Endgeräte in Frage, von
ultraschlanken über schlanke Clients bis zu fetten PCs. Dem aktuellen Trend von Unternehmen hin zu
möglichst kleinen, einfach verwaltbaren und kostengünstigen Thin Clients werden die ultraschlanken
Stateless Devices am besten gerecht. Die abzudeckende Funktionalität stellt vergleichsweise geringe
Anforderungen an die Hardware, und Geräte lassen sich bei Fehlfunktion mit minimalem Aufwand durch
ein anderes Gerät ersetzen.

Streaming-Konzepte

Bei der Implementierung des Streaming-Verfahrens gehen die Hersteller unterschiedliche Wege.
Einige bieten Lösungen an, die sowohl das Betriebssystem als auch die Anwendungen in einem einzigen
Image integ-rieren und dieses von einem zentralen Server aus auf die Clients streamen. Verschiedene
Images umfassen die für unterschiedliche Hardwareplattformen benötigten Treiber, um auch heterogene
Umgebungen bedienen zu können. Diese Images stellt ein Server zentral für alle Clients bereit.
Jeder Client bekommt eine virtuelle Festplatte als Arbeitsbereich zugewiesen.

Um den unterschiedlichen Anforderungen in einem Unternehmen gerecht zu werden, kann der
Administrator verschiedene Images mit den jeweils benötigten Applikationen erstellen. Jeder
Anwender erhält zudem seine persönlichen Konfigurationseinstellungen. Dieses Profil speichert die
Lösung ebenso wie seine individuellen Daten separat auf dem Server.

Die beschriebene Streaming-Technik stößt an ihre Grenzen, wenn die Kombination vieler zu
verwaltender Anwendungsgruppen und Betriebssystem-Images zu einem unverhältnismäßig hohen
Administrationsaufwand führt. Um Sicherheits-Patches einzuspielen, Konfigurationen zu ändern oder
neue Anwendungen hinzuzufügen, muss der Administrator unter Umständen eine hohe Anzahl
vorgehaltener Images anpassen. Die Clients laden dann beim nächsten Reboot automatisch die
aktualisierte Version. Negativ schlägt also zu Buche, dass der Systemverwalter für jede Kombination
aus Anwendungs-Set und Betriebssystem ein eigenes Image erstellen und fortlaufend pflegen muss.

OS und Applikationen getrennt streamen

Ein intelligenter alternativer Ansatz sieht vor, Betriebssystem und Anwendungen unabhängig
voneinander zu den Clients zu streamen. Die hierzu benötigten Server- und Client-Komponenen
arbeiten auf drei Ebenen zusammen: Ein Streaming-Server sendet die Inhalte an die Endgeräte aus.
Die Inhalte hält ein Managementserver vor. Dieser stellt zum einen die Betriebssystem- und
Anwendungs-Images als integrierte Pakete bereit und ist zum anderen für Aufgaben wie die Benutzer-,
Lizenz- und Geräteverwaltung zuständig. Auf den Clients läuft eine eigene Softwarekomponente, die
das Streaming ermöglicht. Dabei können mehrere Endgeräte ein Image gleichzeitig nutzen. Jedem
Client stellt der Server dafür eine virtuelle Festplatte als Arbeitsbereich zur Verfügung. Mit
dieser Streaming-Technik lassen sich – wie auch bei vergleichbaren Lösungen anderer Anbieter –
sowohl Thin Clients als auch herkömmliche PCs versorgen und als Stateless Devices betreiben.

Für das Streaming des Betriebssystems per Image muss sich der Client über das Netzwerk booten
lassen. Unterschiedliche Hardwarekonfigurationen erfordern jeweils ein eigenes
Betriebssystem-Image. Beim Boot-Vorgang lädt der Client zunächst innerhalb weniger Sekunden einen
speziellen Boot-Loader. Er ermöglicht es anschließend, Win-dows XP im Streaming-Modus zu nutzen.
Dabei erhält das Endgerät immer nur diejenigen Teile des Betriebssystems, die es für die gerade
anstehenden Aufgaben benötigt. Derartige Streaming-Umgebungen kommen deshalb auch mit
vergleichsweise geringen Bandbreiten gut zurecht – anders als Konzepte, die das Laden eines
kompletten Images voraussetzen.

Bei diesem alternativen Ansatz sind die verschiedenen Anwendungs-Sets nicht untrennbar mit einem
bestimmten Betriebssystem-Image verbunden, sondern lassen sich individuell definieren. Je nach
Aufgabenbereich erhalten die Mitarbeiter unterschiedliche Profile, mit denen sie nach dem Login
automatisch auf die jeweiligen Anwendungen zugreifen. Applikationen schaltet die Lösung auf
Subskriptionsbasis für einzelne Benutzer frei. Hierfür weist der Server jeder installierten
Anwendung einen virtuellen Bereich zu, in dem das Subscrip-tion-Setup die benutzerspezifischen
Einstellungen speichert.

Ein wesentlicher Vorteil der strikten Trennung von Betriebssystem und Applikationen liegt darin,
dass die IT-Abteilung bei Anwendungs-Updates nur das Image der jeweils betroffenen Anwendung
aktualisieren muss. Dieser Ansatz erfordert hier also keine Änderung an den
Betriebssystem-Images.

Die Benutzer stellen beim Streaming normaler Büroanwendungen wie zum Beispiel Microsoft Office
bezüglich der Performance in der Regel keinen Unterschied zu lokal installierten Programmen fest.
Sogar die grafik- und rechenintensiven CAD-/CAM-Anwendungen (Computer-Aided Design/Manufacturing)
lassen sich mit einer entsprechend schnellen Thin-Client-CPU flüssig bedienen, sodass auch
Power-Worker durch das Streaming keine Abstriche hinnehmen müssen.

Anwendungen virtualisieren

Ein dritter technischer Ansatz besteht darin, ausschließlich die Anwendungen auf die Endgeräte
zu streamen. Bei diesen Lösungen muss auf den Clients also nach wie vor ein Windows-Betriebssystem
vorhanden sein. Dieses Konzept wird auch als "Application Virtualization" bezeichnet: Spezielle
Software virtualisiert die Anwendungen und stellt sie als Netzwerkservice zur Verfügung, der sich
von den Clients flexibel nutzen lässt.

Startet ein Anwender eine bestimmte Applikation, lädt der Client den zugehörigen Dienst über das
Netzwerk und führt ihn lokal aus, ohne auf dem Client eine Installation zu erfordern. Je nach
Ausführung hat dies auch den Vorteil, dass zwischen der Anwendung und dem Betriebssystem oder
anderen Applikationen keine Konflikte mehr auftreten können. Denn jede Anwendung verfügt
gegebenenfalls über ein eigenes Konfigurations-Set, das unter anderem die benötigten DLLs und
Registry-Einstellungen enthält, und kommt in einer geschützten Sandbox-Umgebung zur Ausführung.

Im Vergleich zu Streaming-Lösungen, die dem Client auch das Betriebssystem zur Verfügung
stellen, ist der Verwaltungsaufwand für IT-Umgebungen mit Applikationsvirtualisierung allerdings
höher: Anders als bei Stateless Devices muss die IT-Abteilung hier das Betriebssystem auf jedem
Client installieren und fortlaufend pflegen. Dazu zählen unter anderem das Aktualisieren von
Sicherheits-Patches und Betriebssystem-Upgrades. Ist ein Client zum Beispiel aufgrund eines
Hardwaredefekts nicht mehr funktionsfähig, muss der Administrator auf dem Ersatzgerät zunächst das
Betriebssystem neu installieren, bevor der Client wieder einsatzfähig ist. Auch fallen in der Regel
Neu-installationen an, wenn ein neuer Mitarbeiter einen bereits genutzten PC erhält. Stateless
Devices sind im Vergleich hierzu klar im Vorteil: Sie speichern keinerlei Informationen lokal und
lassen sich deshalb jederzeit problemlos und schnell ersetzen.

Thin Clients, Fat Clients oder Streaming?

Diese Vermeidung lokal gespeicherter Daten und Settings ist einer der wichtigsten Vorzüge der
Streaming-Techniken gegenüber klassischen Client-/Server-Umgebungen mit fetten PCs. Setzt ein
Unternehmen zudem entsprechend leistungsfähige Ultra-Thin-Clients als Endgeräte ein, erhält es die
Leistungsfähigkeit und Flexibilität von PCs zu den deutlich niedrigeren Kosten einer
TC-Infrastruktur. Die Kostenvorteile sind dabei nur zu einem kleineren Teil auf die günstigeren
Endgeräte zurückzuführen. Den Löwenanteil machen die Einsparungen aufgrund der einfacheren
Verwaltung von Thin Clients aus. Insbesondere der Aufwand für den Unterhalt der Endgeräte fällt
sehr viel niedriger aus als bei einer klassischen PC-Infrastruktur mit lokal ins-talliertem
Betriebssystem und lokalen Anwendungen. Positiv zu Buche schlägt zudem die höhere Sicherheit. Auch
hier fallen unter Umständen geringere Kosten an, wenn der Systemverwalter auf den Endgeräten keine
lokalen Virenschutz- oder Firewall-Tools installieren und pflegen muss.

Deshalb kann es durchaus sinnvoll sein, auch ein bereits vorhandenes Client-/Server-Netzwerk mit
herkömmlich konfigurierten PCs teilweise oder sogar komplett auf eine Streaming-Lösung umzustellen.
Denn wenn das Betriebssystem und die Anwendungen nur noch per Streaming auf die PCs gelangen,
erhalten auch diese Clients einen definierten Ausgangszustand, sobald der PC eingeschaltet wird.
Und bei Mitarbeiterwechseln erübrigt sich die bisher notwendige Neuinstallation des Rechners. Der
Verwaltungsaufwand beschränkt sich für den Administrator darauf, die auf dem Server zentral
vorgehaltenen Anwendungs- und Betriebssystem-Images zu pflegen.

Die neuen Streaming-Techniken können auch gegenüber dem klassischen Server-based Computing
punkten. Zwar kommen Mitarbeiter, die klar abgegrenzte Aufgaben ausführen ("Task Workers"), schon
bisher mit Thin Clients sehr gut zurecht. An seine Grenzen stößt das Konzept aber beim so genannten
Power User beziehungsweise Knowledge Worker. Dieser benötigt oft Anwendungen zum Beispiel für
CAD/CAM, die sich aus Performance-Gründen nicht oder nur sehr schwierig über Terminalserver
bereitstellen lassen. Auch gibt es Applikationen, die sich der parallelen Ausführung in mehreren
Instanzen auf einem Terminalserver verweigern. Diese Programme lokal auf den Thin Clients zu
starten ist häufig allerdings auch nicht möglich, da die Hardware derartiger Endgeräte in der Regel
dafür nicht ausgelegt ist.

Durch das Streaming von Applikationen lassen sich diese Probleme elegant umsegeln. So können
Thin Clients alle vom Server per Streaming bereitgestellten Anwendungen mit einer PC-ähnlichen
Performance ausführen. Die Leistungsfähigkeit hängt dabei in erster Linie davon ab, wie schnell der
Prozessor des Endgeräts ist und über wie viel Arbeitsspeicher es verfügt.

Der Einsatzbereich von Thin Clients lässt sich mithilfe der Streaming-Techniken also auch auf
Power User erweitern. Des Weiteren ist es mit dem Streaming-Modell möglich, dessen deutlich
niedrigere Kosten für die Verwaltung der Endgeräte auch für bereits vorhandene PC-Installationen zu
nutzen. Bei Thin Clients können kostengünstigere Geräte zum Einsatz komen, da der bisher
erforderliche Flash-Speicher – eine der teuersten TC-Komponenten – nicht mehr erforderlich ist.

Ein weiterer interessanter Aspekt: Streaming-Lösungen eignen sich auch sehr gut für den Einstieg
in das Thin Client Computing. Unternehmen können damit auf einfache Weise einen behutsamen Übergang
von einer klassischen PC-Umgebung auf eine TC-Infrastruktur bewerkstelligen. Denn mit der
Streaming-Technik lässt sich das Betriebssystem mit den benötigten Anwendungen – unter anderem RDP-
oder ICA-Client – zum Thin Client übertragen; über den ICA- beziehungsweise RDP-Client greift der
Anwender dann auf den Terminalserver zu. Ein Unternehmen kann also zum Beispiel einfach zu
portierende Anwendungen sofort per Terminalserver über RDP oder ICA bereitstellen, während
komplexere Anwendungen zunächst weiter lokal auf dem Client laufen, bis diese im Laufe der Zeit so
angepasst werden, dass auch sie Terminalserver-fähig sind.

Das Streaming von Betriebssystem und Anwendungen ermöglicht es, auch sehr anspruchsvolle
Anwendungen auf Thin Clients mit PC-ähnlicher Performance zu nutzen. Zudem reduzieren diese
Konzepte die Endgeräte zu leicht verwaltbaren Stateless Devices. Bei der Implementierung gehen die
Hersteller allerdings unterschiedliche Wege. Die größte Flexiblität bieten Lösungen, die das
Betriebssystem und die Anwendungen unabhängig voneinander streamen. Wichtig ist hier nicht zuletzt
die passende Managementlösung.


Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Lampertz GmbH & Co. KG

Matchmaker+