Powerline vs. WLAN

Triple Play geht in die Verlängerung

18. Juli 2007, 22:00 Uhr | Stefan Mutschler/mw

Mit den neuen und besonders schnellen Internet-Access-Angeboten auf Basis von ADSL2+ beziehungsweise VDSL bringen die Provider nicht nur Triple Play (Internet plus Telefonie plus TV), sondern auch wieder ein altes Problem mit in Haus oder Office: Wie sollen PCs und andere Endgeräte, die meist in unterschiedlichen Räumen verteilt sind, mit dem zentralen Access-Punkt verbunden werden? Die gängigste Methode ist sicher WLAN. Doch gerade wenn es um TV-gerechte, stabile Übertragungsqualität auf hohem Geschwindigkeitsniveau geht, erweisen sich die drahtlosen Zubringer oft als untauglich. Powerline-Anbieter sehen hier eine Chance, in die Bresche zu springen.

Powerline Communications (kurz PLC), also die Datenübertragung via Stromkabel, hat mittlerweile
etliche Jahre sehr bewegter Geschichte hinter sich. Wurde die Technologie ab etwa Mitte der
Neunziger noch als Zukunftshoffnung zur Belebung des Telekommunikationsmarkts gehandelt (das
Stromkabel als Internet-Access-Leitung vom E-Werk), spielt sich das Gros des Powerline-Markts heute
gemütlich zwischen vier Wänden ab. In Häusern beziehungsweise Wohnungen und Büros hat Powerline
eine kleine, jedoch wachsende und sehr überzeugte Anhängerschaft, wenn es darum geht, einen
zentralen Breitbandanschluss dorthin zu "verlängern", wo er tatsächlich gebraucht wird. Gerade die
auch für Videostreams und TV ausgelegten "Triple-Play"-DSL-Anschlüsse mit 16 und mehr MBit/s
Übertragungsleistung überfordern gängige WLAN-Systeme.

Der besondere Charme vom PLC-Lösungen im Inhouse-Bereich liegt in ihrer völligen Transparenz.
Für den Nutzer macht es im Prinzip keinen Unterschied, ob er seinen Rechner am Ethernet-Port des
DSL-Routers oder an dem des PLC-Modems anschließt. Im Grunde gibt es auch nichts zu installieren
und konfigurieren: Ist das DSL-Signal einmal ins häusliche Stromnetz eingespeist (Eingang eines
PLC-Modems an den DSL-Router, Ausgang an die nächstgelegene Stromsteckdose anschließen), lässt es
sich innerhalb des Stromkreises in Heim oder Büro (bis zum Sicherungskasten, wo die Signale
entkoppelt werden) an jeder beliebigen Dose über ein weiteres PLC-Modem abgreifen (Eingang an
Wanddose, Ausgang an PC/Laptop anschließen). Die Verluste hängen von der Entfernung, der Art der
übrigen Stromverbraucher sowie nicht zuletzt vom verwendeten PLC-Verfahren ab. Die aktuelle
Generation von PLC-Modems für den Inhouse-Betrieb hat eine Nennübertragungsleistung von 200 MBit/s
und damit vielversprechende Reserven, um auch in schwierigen Umgebungen noch genügend Bandbreite
bis zum Nutzer zu bringen.

Drei "Standards" im Wettbewerb

Derzeit gibt es drei konkurrierende Spezifikationen für Inhouse-PLC. Zwei davon sind auf das
Engagement eines einzigen Unternehmens zurückzuführen, das die entsprechenden Chipsets liefert.
Einer davon ist der Digital Home Standard (DHS), den die Universal Powerline Association (UPA) vor
gut einem Jahr präsentiert hat (www.upaplc.org). Federführend ist hier der spanische
Halbleiterhersteller DS2, der seine PLC-Wurzeln im Telekommunikationssektor (PLC als
Access-Technologie) hat. Dementsprechend fühlen sich DS2 und die UPA für beide Aspekte der
Powerline-Technologie zuständig – Access und Inhouse. In der UPA sind derzeit 20 Unternehmen
zusammengeschlossen, darunter Corinex, Intersil, Netgear und Toshiba. Der zweite PLC-Platzhirsch
ist Panasonic. Immerhin basieren deren Produkte auf den Spezifikationen des CEPCA-Gremiums
(Consumer Electronics Powerline Communications Alliance,
www.cepca.org), was der Sache den Anstrich eines
unabhängigen Standards verleiht. Bislang hat Panasonic allerdings kaum weitere Mitspieler gefunden,
sodass diese PLC-Stoßrichtung noch ein sehr dünnes Bild im Markt abgibt.

Dritter im Bunde ist die Home Plug Powerline Alliance (www.homeplug.org), die mit Home Plug AV bereits
zur CeBIT 2005 einen multimediafähigen (QoS-Unterstützung) Powerline-Standard angekündigt hat.
Allerdings ging es damals wohl eher darum, als erstes die "Multimedia-Fahne" zu heben – die
Realisierung marktreifer Produkte mit 200 MBit/s Übertragungsrate nahm bei vielen Anbietern noch
fast zwei Jahre in Anspruch. Auch die Home Plug Powerline Alliance ist kein echtes
Standardisierungsgremium, sondern ebenfalls ein Industriezusammenschluss. Allerdings sind hier mit
Sony, Intel, Motorola, Texas Instruments und Samsung die "Big Player" versammelt. Hinzu kommen
viele weitere Hersteller wie etwa Devolo oder Linksys, die Home Plug AV-konforme Produkte
anbieten.

Das Produktspektrum im Bereich Home Plug AV ist inzwischen sehr vielfältig. Und anders als es "
Home" anzeigt, gibt es auch eine Reihe von Lösungen, die speziell auf den professionellen
Office-Markt zielen. Ein Beispiel dafür ist etwa das "Dlan 200 AVpro" von Devolo. Es erlaubt die
Vernetzung sowohl über das hausinterne Strom- als auch das Coax-Netz (Antennenkabel). An die
PLC-Modems lassen sich DSL-Router, PCs, IP-Telefone, Set-Top-Boxen, Drucker, Überwachungskameras,
Infoterminals und Registrierkassen anschließen – vorausgesetzt sie verfügen über eine
Ethernet-Schnittstelle. Bis zu 16 Geräte lassen sich so pro Segment verbinden. Wächst der Bedarf
oder ist aus verwaltungstechnischen Gründen eine Aufteilung erwünscht, können mehrere Segmente
gebildet werden – auch gemischt mit Strom- und Antennenkabel. Bei den Übertragungsdistanzen gibt
Devolo 200 Meter im Stromnetz und 800 Meter im Coax-Netz an. Die Bruttobandbreite soll ausreichen,
um gleichzeitig beispielsweise zwei HDTV-Signale (66 bis 84 MBit/s), Audio-CD in zwei Räumen (9 bis
11 MBit/s) und sechs VoIP-Telefonate (1 MBit/s) im Netz zu verteilen – mit genügend Reserven, um
IP-Daten mit 10 MBit/s zu übermitteln. Ob das praktisch so funktioniert, darf bezweifelt werden,
denn die "perfekte Leitung" (ohne Verluste) gibt es nicht. Gerade beispielsweise auch
vergleichsweise "unverdächtige" Verbraucher wie die zunehmend verbreiteten Energiesparlampen
erweisen sich im Powerline-Netz als große Störer. Verschlüsselt werden die Daten mittels 128 Bit
AES (Advanced Encryption Standard).

WLAN noch auf Multimediakrücken

Technisch haben PLC-Modems gegenüber WLANs derzeit klar die Nase vorne, wenn es um die
Inhouse-Verteilung von Multimedia und Triple Play geht. Allerdings bringt das Verfahren auch
Nachteile mit sich. So funktioniert die schnelle Kommunikation eben nur in der unmittelbaren Nähe
einer Stelle, wo ein PLC-Modem verfügbar ist. Und sollen das möglichst viele Stellen sein, geht PLC
auch ganz schön ins Geld. Ein einziger Adapter des erwähnten Dlan 200 AVpro beispielsweise kostet
laut Liste 160 Euro. Dafür bekommt man schon einen sehr guten WLAN-Router, der dann auch noch
flächen- beziehungsweise raumdeckend seine Signale verbreitet. WLAN-Adapter für Endgeräte sind noch
deutlich günstiger zu bekommen – die meisten PCs und Smartphones haben einen solchen sogar bereits
eingebaut.

Im Kampf um den neuen Multimediamarkt hat WLAN mit 802.11n schon seit längerem ein Eisen im
Feuer – allein das Schmieden scheint nicht so einfach. So hat das IEEE-Gremium die Ratifizierung
des Standards jetzt erneut verschoben – er soll nun erst im Laufe des Jahres 2009 kommen. Den
meisten Playern erscheint dies als viel zu lang – ein großes Zeitfenster, in dem PLC den Markt für
sich erobern könnte. Die Wi-Fi-Organisation hat sofort reagiert und angekündigt, 802.11n-Produkte
auf Basis des im letzten März verabschiedeten "IEEE 802.11n Draft 2.0" zu zertifizieren. Angeblich
soll es nach Draft 2.0 keine Hardwareänderungen mehr geben und entsprechende Produkte sollen später
per Firmware-Update auf den endgültigen Standard upgradebar sein. Gestützt wird diese Aktion von
einschlägigen Herstellern wie Atheros, Broadcom, Cisco und Intel. Ob das mit dem einfachen
Firmware-Upgrade tatsächlich so funktionieren wird, scheint fraglich. Sicher nicht zu unrecht warnt
etwa Ovum, dass die Verlängerung des Veröffentlichungszeitpunkts doch gravierendere Modifikationen
an Draft 2.0 nahelegt, als bisher angenommen.

Neben dem organisieren Vorstoß der Wi-Fi kommen auch einzelne Hersteller mit (proprietären)
Lösungen, die WLAN in Sachen Multimedia und Triple Play fit machen sollen. Ein Beispiel ist der
US-Hersteller Ruckus, der WLAN-basierte Multimediaverteilung unter anderem für kleine und mittlere
Unternehmen sowie für Hotspot-Betreiber anbietet. Die Besonderheit der neu vorgestellten "Zoneflex"
-Lösungen besteht in "Beamflex", einer Kombination aus MIMO (Multiple Input Multiple Output) und "
intelligenter" Funkverkehrssteuerung. Die Technologie nutzt ein Software-kontrolliertes Array mit
zwölf Antennenelementen, das in der Lage ist, sich selbst in Echtzeit für den bestmöglichen Funkweg
zu jedem Client zu konfigurieren. Die gleiche Technologie vermascht auch die Access Points selbst,
wodurch diese nicht mehr verkabelt werden müssen.

Trotz aller Bemühungen an der WLAN-Front scheinen die Voraussetzungen derzeit ideal für
Powerline. Ob die Nutzer jedoch gewillt sind, auf die lieb gewonnene "kabellose Freiheit" ein gutes
Stück zu verzichten, wird sich noch zeigen. Auch eine Kombination beider Technologien ist denkbar,
wie aktuelle PLC-Modems mit eingebautem WLAN-Adapter zeigen: Per PLC geht es hier bis in den
gewünschten Raum, innerhalb des Raums per WLAN zum Gerät.


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