Der kommende Standard für Provider Backbone Transport (PBT) ist auf dem besten Weg, Ethernet auch als Transporttechnik in Carrier-Netzen fest zu etablieren. Wer bereits heute ein Carrier-Ethernet-Netzwerk aufbaut oder betreibt, sollte dabei einige Dinge beachten, um später einen problemlosen Wechsel auf PBT sicherzustellen. Für etablierte Betreiber von Sonet/SDH-Netzen gibt es ebenfalls verschiedene Strategien, ihre Netze Schritt für Schritt zu migrieren.
Bereits seit einigen Jahren gilt Ethernet auch im Carrier-Bereich als kostengünstige Technik für
den Aufbau von Stadt- und Weitverkehrsnetzen. Denn im Vergleich zu Sonet/SDH und MPLS punktet
Ethernet mit geringeren Anschaffungs- und Betriebskosten. Doch während alternative Netzbetreiber
bereits erfolgreich Ethernet-MANs betreiben, tun sich die etablierten Anbieter teilweise noch etwas
schwer, sich von ihren SDH-Netzen und dem damit verbundenen Betriebsmodell der
Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zu trennen. Eine Ursache dafür ist im Ethernet-Protokoll selbst zu
suchen, das aufgrund seiner LAN-Historie für den Einsatz im Metronetz nur bedingt geeignet
schien.
Den ersehnten Brückenschlag zwischen den geringen Anschaffungs- und Betriebskosten von Ethernet
und dem vertrauten Betriebsmodell von Sonet/SDH schafft die Provider Backbone Transport (PBT)
genannte Technik, die sich aktuell beim IEEE unter der Bezeichnung Provider Backbone Bridging
Traffic Engineering (PBB-TE) im Standardisierungsprozess befindet. Traffic Engineering ermöglicht
es dabei den Carriern, die automatischen Lernmechanismen von Ethernet zu umgehen und stattdessen
den Verkehr im Ethernet-Netzwerk über vordefinierte Pfade zu leiten. Vorkonfigurierte Backup-Routen
garantieren dabei sowohl ein deterministisches Verhalten für den Fall, dass eine Verbindung oder
eine Komponente ausfallen sollte, als auch in Verbindung mit Continuity Fault Management (CFM)
Umschaltzeiten von unter 50 Millisekunden. Die Provisionierung der Pfade übernimmt bei PBT anstelle
der Ethernet-Automatismen ein übergeordnetes Managementsystem.
Carrier, die heute noch SDH-Netze betreiben, können also durch den Einsatz von PBT auf eine
zukunftsfähige Technik wechseln und gleichzeitig bereits getätigte Investitionen in die Ausbildung
ihrer Mitarbeiter und in Backoffice-Systeme weiter nutzen. Doch noch ist PBT kein offizieller
Standard. Daher gibt es ein paar Dinge zu beachten, um in einem Ethernet-MAN eine sanfte Migration
auf PBT zu erreichen, sobald der Standard verabschiedet ist.
Eine Komponente von PBT ist der bereits verabschiedete IEEE-Standard 802.1ah mit dem Namen
Provider Backbone Bridges (PBB), auch bekannt unter der Bezeichnung MAC-in-MAC. Er fügt den Frames
in einem Ethernet-Backbone so genannte Service-Provider-MAC-Adressen hinzu. Dieses "
Ethernet-in-Ethernet-Tunneling" ermöglicht dadurch bis zu 16 Millionen Kunden-VPNs in einem
Carrier-Ethernet-Backbone, was die Skalierbarkeit von Ethernet-VLANs auf Carrier-Dimensionen
sicherstellt. Da heute bei PBB jedoch noch die traditionellen Automatismen bei der Pfadwahl wie
Flooding oder die Vermeidung von Schleifen durch STP (Spanning Tree Protocol) zum Einsatz kommen,
ist es bei der Auswahl von Ethernet-Switches für den MAN-Bereich besonders wichtig, dass diese
sowohl PBB als auch das künftig standardisierte PBT unterstützen können – und zwar zur gleichen
Zeit.
Durch die Teilung des Backbone-VLAN-ID-Adressraums (B-VID) in zwei verschiedene Domänen können
Carrier dann bei der Verabschiedung von PBT sowohl "gelernte" PBB-Verbindungen als auch neu
provisionierte PBT-Punkt-zu-Punkt-Verbindungen parallel unterstützen. Statt also auf einmal alle
PBB-basierten Dienste abschalten und in PBT neu provisionieren zu müssen, ermöglicht dies einen
sanften Übergang von PBB zu PBT/PBB-TE, ohne bestehende Dienste zu beeinträchtigen. Unterstützen
bereits erworbene Ethernet-Switches PBB nicht, so könnte dies für Carrier zum Problem bei der
Migration zu PBT werden. Sind PBB-Funktionen in den Backbone-Switches bereits vorhanden, sollten
sie sich über ein Software-Update später problemlos auf PBT erweitern lassen.
Ein weiteres Element von PBT ist auch der Standard IEEE 802.1ag (Continuity Fault Management).
Dieser ermöglicht es einem Switch, durch die Aussendung periodischer Continuity Check Messages
(CCMs) festzustellen, ob eine bestimmte Verbindung verfügbar ist. PBT nutzt CCMs, um die
Ausfallsicherheit von PBT-Tunneln sicherzustellen, und erlaubt es dabei, innerhalb der von Carriern
stets geforderten 50 Millisekunden auf eine vordefinierte Ausfallroute umzuschalten. Um auch hier
eine sanfte Migration auf PBT zu ermöglichen, sollten Carrier darauf achten, dass ihre Switches
bereits heute das Continuity Fault Management unterstützen.
Kein Muss, aber ein bedenkenswerter Punkt bei der Auswahl von Backbone-Switches ist die
Unterstützung der E-NNI-Spezifikation (External Network to Network Interface). Dies ist zwar nicht
Teil des PBT-Standards, doch stellt die Spezifikation sicher, dass bei einer Migration auf PBT das
Peering verschiedener Ethernet-Netzbetreiber deutlich einfacher vonstatten geht.
Die hier genannten Anforderungen an Carrier-Ethernet-Switches sind dabei vor allem für
diejenigen Netzbetreiber interessant, die einen neuen Ethernet-Backbone aufbauen. Doch welche
Strategien gibt es für SDH-Betreiber, ihre Netze sukzessive auf Ethernet umzustellen?
Am einfachsten ist es natürlich immer, auf der grünen Wiese anzufangen. Hat beispielsweise ein
City-Carrier die Möglichkeit, ein Neubaugebiet zu erschließen, so wird er dort heute direkt Carrier
Ethernet einsetzen. Befinden sich in einem neu erschlossenen Bereich auch Unternehmen, die zum
Beispiel einen E-Line-Service in eine entfernte Niederlassung mit SDH-Anschluss benötigen, so kann
auch hier ein Ethernet-Ring beim Neuanschluss zum Einsatz kommen. In einem POP in dem Ring kann es
dann beispielsweise einen Übergang zwischen dem Gigabit-Ethernet-Ring und einem bestehenden
Cross-Connect des SDH-Netzes geben, bis auch der Backbone auf Ethernet migriert ist. Dasselbe gilt,
wenn weitere Niederlassungen eines Kunden an anderen Orten hinzukommen. Auf diese Weise können
Provider ihre Zugangsnetze langsam auf Ethernet umstellen, während im Backbone für eine
Übergangszeit noch Sonet/SDH zum Einsatz kommt.
Problematisch wird es allerdings, wenn die Bandbreite im Sonet/SDH-Backbone knapp wird. Denn
hier kommt erschwerend hinzu, dass im Gegensatz zur dynamischen Bandbreite von Ethernet bei
Sonet/SDH feste Bandbreiten definiert sind. Um dann beispielsweise eine
1-GBit/s-Ethernet-Verbindung über Sonet/SDH zu leiten und dabei die volle Bandbreite der
Ethernet-Verbindung sicherzustellen, muss ein STS-48c-Channel mit einer effektiven Payload von rund
2,4 GBit/s zum Einsatz kommen. In der Praxis werden also maximal nur rund 42 Prozent der Bandbreite
des Channels effektiv genutzt. Wird also die Bandbreite im Backbone knapp, so steht spätestens dann
eine Umstellung auf Ethernet an.
Die meisten Carrier nutzen bereits heute optisch geswitchte Netze auf Basis von WDM-Techniken
(Wavelength Division Multiplexing) für ihre Sonet/SDH-Verbindungen im Backbone. In diesem Fall
haben sie die Möglichkeit, über Wellenlängen-Multiplexer auf einer zusätzlichen Wellenlänge eine
Ethernet-Verbindung auf derselben Strecke aufzusetzen. Anschließend können sie sukzessiv ihre
Dienste von der SDH- auf die Ethernet-Strecke migrieren.
Nutzen die Kunden des Carriers bereits Ethernet-Dienste, so tauscht der Carrier einfach deren
Sonet/SDH-Schnittstellen gegen einen Ethernet-Port. Benötigt ein Anwender hingegen SDH-Services
beispielsweise zur standortübergreifenden Koppelung von TK-Anlagen, so gibt es Lösungen
spezialisierter Carrier-Ausrüster, die wiederum Sonet/SDH-Frames über Ethernet transportieren
können.
Branchenkenner erwarten, dass PBT im Sommer 2008 bei der IEEE in die "Sponsor Ballot Phase"
kommt. Doch bereits heute haben verschiedene Hersteller unter Beweis gestellt, dass ihre
Carrier-Ethernet-Switches mit PBT zueinander kompatibel sind. So konnte das European Advanced
Networking Test Center (EANTC) in Berlin im September dieses Jahres in einem zweiwöchigen
Hot-Staging-Test trotz unterschiedlicher PBT-Implementierungen der neun teilnehmenden Hersteller
bereits eine vollständige Interoperabilität zeigen. Zudem stellte im Test unter anderem das
Provisioning-System von Soapstone die dynamische Konfiguration von fünf Diensten in einem
Multi-Node-Netzwerk aus PBT-fähigen Switches von Extreme Networks und Nortel unter Beweis.
Wer bereits heute sein Metronetz "PBT-ready" auslegen möchte, sollte bei der Auswahl der
Switches darauf achten, dass diese sowohl PBB als auch CFM und eventuell E-NNI unterstützen. Ein
modulares Betriebssystem, das innerhalb des Switches die Netzwerk-, Hardware- und Anwendungsebene
voneinander trennt, sorgt für die hohe Verfügbarkeit, die Carrier von ihrem Next Generation Network
erwarten.