In den letzten Jahren kamen viele Produkte für die Gebäudeautomation auf den Markt, die per Funk Daten übertragen oder Licht, Heizung und Fenster ansteuern. Doch vieles davon ist für den professionellen Einsatz ungeeignet. Denn oft haben die Hersteller ein proprietäres Funkprotokoll in ihre Geräte integriert, sodass die Produkte wegen fehlender allgemeiner Akzeptanz kaum Chancen haben, eine größere Marktbreite zu erlangen. Doch vier Funkprotokolle, die alle im 868-MHz-ISM-Band arbeiten, bieten sich für den professionellen Einsatz in der Gebäudeautomation an.
Grundsätzlich muss ein funkbasiertes Datenprotokoll einige Minimalanforderungen erfüllen, wenn es sich für den Einsatz in Unternehmen oder Behörden eignen soll:
eine sichere Kommunikation, auch wenn andere Installationen im gleichen Frequenzband senden,
einen Rückkanal vom Empfänger zum Sender, damit darüber Steuersignale quittiert werden können,
Einhaltung internationaler Standards oder zumindest Unterstützung entsprechender Bestrebungen einer Industrievereinigung mit hinreichend vielen, in unterschiedlichen Märkten tätigen Unternehmen.
Derzeit erfüllen nur Enocean, KNX-RF, Zigbee und Z-Wave diese Minimalanforderungen. Alle vier nutzen das ISM-Frequenzband (Industrial, Scientific, Medical) im Bereich von 868 MHz. Hier sind nur sehr kurze Belegungszeiten eines Funkkanals erlaubt (maximal unter einem Prozent Sendeaktivität innerhalb einer definierten Zeitspanne), wodurch sich Interferenzen mit anderen Sendern minimieren. Da Steuerungsprotokolle zum Austausch von Messwerten und Statusinformationen sowie für Steuerungsbefehle nur geringe Datenraten aufweisen, muss kein großes Frequenzband für diese Techniken belegt werden. Die geringe Sendezeit, verbunden mit einer ebenfalls begrenzten Sendeleistung, führt zu geringem Energiebedarf. Somit können die Geräte über Batterie oder sogar batterielos betrieben werden. Gleichzeitig belasten sie die Umwelt kaum mit elektromagnetischen Wellen. Dies spielt vor allem beim Einsatz in privaten Häusern eine Rolle.
Zigbee eignet sich für das 868-MHz- und das 2,4-GHz-Band. Die unteren Protokollschichten dieses Protokolls sind in der IEEE-Spezifikation IEEE-802.15.4 beschrieben. Eine Allianz von über 200 Chip-Herstellern und Anwendern unterstützt, vermarktet und entwickelt diese Technik weiter. Sie ist rund um den Globus verbreitet, leidet aber an massiven Inkompatibilitäten unterschiedlicher Protokollversionen und Herstellerimplementierungen.
Z-Wave ist eine Entwicklung des dänischen Unternehmens Zen-Sys, des alleinigen Herstellers der zugehörigen Chips. Dies sorgt für eine hohe Kompatibilität. Eine Allianz von über 130 Firmen entwickelt am Umfang und an den Anwendung des Protokolls. Z-Wave ist in den USA der De-facto-Standard für die funkgesteuerte Hausautomation und sorgt durch ein Zertifizierungsprogramm für Interoperabilität zwischen verschiedenen Herstellern.
Enocean ist eine Entwicklung eines Münchner Unternehmens gleichen Namens, das ebenfalls durch eine Allianz von mehr als 100 Unternehmen unterstützt wird. Enoceans Alleinstellungsmerkmal ist der sehr geringe Stromverbrauch der Sensoren und Aktoren, der unter gewissen Bedingungen einen batterielosen Betrieb ermöglicht. Mehrere Wandschalter-Hersteller im deutschsprachigen Raum setzen deshalb diese Technik ein. Sie hat sich aber außerhalb Europas bisher nicht durchsetzen können - auch wegen der vergleichsweise hohen Kosten.
Die Protagonisten des kabelgebundenen KNX-Standards, der aus dem europäischen Installationsbus EIB hervorgegangen ist, erkannten ebenfalls die Notwendigkeit einer Funklösung und schlagen eine kabellose Erweiterung des traditionellen Bussystems vor. Hauptvorteil von KNX-RF ist die einfache Integration in bestehende KNX-Installationen. Bisher stellten jedoch erst sehr wenige Unternehmen eine relevante Produktpalette auf Basis von KNX-RF vor, darunter allerdings Siemens mit den Produkten Syncro Living und Gamma Wave.
Alle vier Funkprotokolle sind offen beschrieben und werden von mehreren Unternehmen getragen. Doch sie weisen wesentliche technische Unterschiede auf und werden auch unterschiedlich im Markt positioniert.
Die meisten Funknetze verfügen über eine oder auch mehrere Funkzentralen, bei denen alle Informationen zusammenlaufen. Verteilt angeordnete Sensoren liefern diese Informationen und verteilt angeordnete Aktoren wie Lichtschalter, Dimmer oder Fenstersteuermotoren führen die Kommandos der Zentrale aus. Funktechnisch gesehen ist die Funkzentrale damit der kritischste Ort. Das betrifft nicht nur die Funksituation rund um die Zentrale. Die Zentrale muss auch an einem geeigneten Platz im Gebäude angebracht sein, um alle anderen Funkknoten zu erkennen.
Z-Wave und Zigbee haben dieses Problem durch einen Vermaschungsansatz gelöst, bei dem jeder Knoten gleichzeitig Router ist und Datagramme seiner Nachbarn an die Funkzentrale weiterleiten kann. Es ist also nicht mehr notwendig, dass alle Funkknoten direkten Kontakt zur Funkzentrale haben, was die Reichweite dieser Netze erheblich vergrößert. Auch führt die Vermaschung zu dem bei Netzen immer wünschenswerten Fakt, dass mehr Knoten im Netz dieses selbst stabilisieren.
Für KNX-RF ist eine solche Funktion nicht vorgesehen, Enocean kann sie aufgrund des batterielosen Betriebs der Funkknoten technisch nicht realisieren. Bei beiden Netzen können Ausbreitungsprobleme - zum Beispiel über mehrere Etagen mit Stahlbeton - jedoch über Repeater gelöst werden, was allerdings Komplexität und Kosten erhöht.
Bei Z-Wave können Funkknoten durch so genannte Assoziationen Informationen direkt und unter Umgehung der Funkzentrale austauschen, was das Netz sehr stabilisiert. Selbst bei einem Ausfall der zentralen Steuerkomponente werden viele lokale Steuerzusammenhänge zwischen Bedienelementen und Aktoren weiter funktionieren.
Gebäudeautomation bedeutet, eine Investition über einen längeren Nutzungszeitraum zu treffen und gleichzeitig eine große Vielfalt an Geräten und Funktionen miteinander zu integrieren. Eine klare Spezifikation der Schnittstellen und Funktionen ist daher unverzichtbar. Alle vier Funkprotokolle verfügen über entsprechende Spezifikationen, jedoch gewährleisten sie nicht alle und auch nicht in gleichem Umfang eine Interoperabilität.
KNX-RF ist noch zu jung und hat noch zu wenig unterstützende Firmen, als dass man eine Praxisaussage zur Interoperabilität treffen könnte. Der drahtgebundene KNX-Standard hat sich jedoch bei einer hohen Vielfalt von Herstellern und Geräteklassen als interoperabel und hinreichend rückwärtskompatibel erwiesen, sodass man diese Eigenschaften dem noch jungen Funkprotokoll bis zum Beweis des Gegenteils zugestehen sollte.
Enocean und Z-Wave wurden technisch jeweils von einer Entwicklerfirma initiiert. Beide Firmen liefern heute noch exklusiv die notwendigen ASICs zur Realisierung des Protokolls, wiewohl Zen-Sys mittlerweile Lizenzen zur ASIC-Produktion an Drittfirmen vergibt. Das zentrale Entwicklungsunternehmen hat sich in beiden Fällen sehr positiv auf die Interoperabilität der Produkte ausgewirkt, die meist auf Basis eines Developer-Kits entwickelt werden. Beide Hersteller stellen durch ein Zertifizierungsprogramm sicher, dass Geräte unterschiedlicher Hersteller zueinander kompatibel sind.
Ein klares Problem mit Interoperabilität hat dagegen Zigbee. So sind zum Beispiel Produkte der Protokollversion 2007 nicht mit der vorherigen Version 2004 kompatibel. Dies führt in der Regel zu eleganteren Lösungen, grenzt aber bestehende Kunden aus. Zigbee hat weiterhin in den vergangenen Jahren stark auf da 2,4-GHz-Band gesetzt. Da hier die deutlich leistungsstärkeren WLAN-Router funken, kommt es zu massiven Interferenzen zu Lasten von Zigbee. Der Wechsel in das weniger belegte 868-MHz-Band bringt eine weitere Inkompatibilität zur Installationsbasis mit sich. Darüber hinaus führte eine mangelnde Spezifikation gerade der oberen Protokollschichten dazu, dass mehrere Hersteller ihre eigene Zigbee-Version entwickelt haben und vermarkten. Zigbee-Geräte sind daher in der Realität nur zu Zigbee-Geräten des gleichen Herstellers kompatibel, was die Verbreitung dieser Technik massiv behindert.
Entscheidend für den Markterfolg einer Technik ist meist nicht die Raffinesse der technischen Umsetzung. Vielmehr zahlt es sich aus, wenn möglichst viele Unternehmen eine neue Technik unterstützen und entsprechende Geräte in den Markt bringen. Mit Ausnahme des noch jungen KNX-RF haben alle anderen drei Kandidaten über ihre jeweilige Industrieallianz eine stattliche Anzahl von unterstützenden Unternehmen versammelt. Auch bei den zurzeit verfügbaren Produkten gibt es bei keiner der Techniken massive Lücken.
Enocean und KNX sind jedoch nur im mitteleuropäischen Raum aktiv und aufgrund der hohen Komponentenpreise für asiatische und US-amerikanische Kunden oder Hersteller wenig attraktiv. Es besteht also die Gefahr, dass beide Techniken, obwohl mit guter Unterstützung deutscher Unternehmen gesegnet, international bedeutungslos bleiben und früher oder später durch deutlich preiswertere Funktechnik ersetzt werden. Das könnten auch Funkprotokolle sein, die bereits in anderen Produkten wie beispielsweise in Mobiltelefonen oder Universalfernbedienungen integriert sind.
Zigbee wäre aufgrund der IEEE-Spezifizierung und der globalen Unterstützung der ideale Kandidat für diese Rolle. Die Inkompatibilitäten der Zigbee-Geräte machen das Protokoll allerdings gerade für eine Integration in branchenfremde Produkte wie Mobiltelefone wenig attraktiv.
Z-Wave wurde bisher in Europa wenig vermarktet, kann aber in den USA auf eine breite Unterstützung wichtiger Anbieter verweisen. So unterstützen zum Beispiel Schlage (Marktführer bei Türschlössern), Leviton (Marktführer bei Wandschaltern) und Wayne-Dalton (Marktführer bei Garagentorsteuerung) diese Technik. Zudem investierte Intel im Jahre 2006 in das Unternehmen Zen-Sys. Nach dem Siegeszug in den USA kommt Z-Wave nun langsam auch nach Europa. Da das ISM-Band in Amerika anders spezifiziert ist als in Europa (908,42 MHz in USA anstatt 868,42 MHz in Europa), müssen alle Geräte für Europa angepasst und neu zertifiziert werden. Dieser Prozess ist gerade in Gang gekommen.
Das angekündigte Engagement von Nokia - Weltmarktführer bei Mobiltelefonen - ist sicherlich ein Meilenstein in dieser Entwicklung. Nokia plant, noch 2009 mit einer eigenen Haussteuerzentrale in den Markt der Haus- und Gebäudeautomatisierung einzutreten. Die Software dieses Home Control Centers soll mit allen gängigen Funkprotokollen am Markt zusammenarbeiten. Tatsächlich integriert werden soll aber nur ein Z-Wave-Transceiver, alle anderen Protokolle sind über externe USB-Sticks zu unterstützen. Auch Hersteller von Universalfernbedienungen wie Logitech oder der Weltmarktführer Universal Electronics haben sich, sofern sie Gebäudeautomation in ihren Geräten unterstützen, für Z-Wave entschieden.
Weitere Informationen: www.enocean.de www.enocean-alliance.org www.knx.org www.zigbee.org www.z-wavealliance.org hwww.zen-sys.com