Ohne Frage ist die Virtualisierung das Thema der jüngeren Vergangenheit. Kaum ein Unternehmen betreibt im Serverraum nicht eine Variante der bekannten Virtualisierungskonzepte von Vmware, Xen, Virtuozzo oder Microsoft. Im Serverraum ist die verbesserte Auslastung der vorhandenen Hardware das Kernargument für die Nutzung von Virtualisierungssoftware. Thinstall verfolgt mit der Virtualization Suite einen ganz eigenen Ansatz.
Die seit 1999 bestehende und aus Kalifornien stammende Thinstall virtualisiert für den Einsatz
von Applikationen nicht das komplette Windows-Betriebssystem, sondern einzelne, für den Betrieb
zwingend notwendige Bestandteile. Thinstall arbeitet über ein Virtual Operating System (VOS) mit
einem integrierten und komprimierten Dateisystem und einer Registry. Alle Bestandteile des
Miniaturbetriebssystemkomplexes für eine Applikation befinden sich in einer einzelnen EXE-Datei.
Der Applikations-Container wird auf dem Zielrechner mit den Benutzerrechten gestartet, über die der
angemeldete Benutzer auf dem Zielsystem verfügt. Eine unerwünschte Interaktion der virtualisierten
Applikation ist somit nicht zu erwarten. Die virtualisierten Programme sind selbst auf stark
abgesicherten Desktops, Notebooks ohne Netzwerkzugang, Windows-Terminalservern und in
Citrix-Umgebungen einsetzbar. Die Verteilung über die Bereitstellung der EXE-Datei erleichtert der
IT-Administration das Leben sehr.
Im Oktober dieses Jahres erschien die aktuelle Version 3.2 der Thinstall Virtualization Suite.
In dieser Version unterstützt die Software erstmals Outlook 2007 und Autocad 2008. Besonders
Webentwickler werden sich für die Fähigkeit der Software begeistern, die den gleichzeitigen Betrieb
mehrerer Internet-Explorer-Versionen auf einer Windows-Installation ermöglicht. Selbst die
Lauffähigkeit des Internet Explorers 6 unter Windows Vista lässt sich mit Thinstall
realisieren.
Grundsätzlich unterstützt Thinstall Win-dows-NT-basierende Betriebssysteme bis Windows Vista
sowohl in der x86- als auch in der x64-Ausprägung. Für den Einsatz von 16-Bit-Software auf einem
x64-Win-dows ist Thinstall kein Hilfsmittel, da hierfür die Applikationsvirtualisierung allein
nicht ausreicht. Wer 16-Bit-Software unter x64-Windows betreiben will, muss ein komplettes 16- oder
32-Bit-Betriebssystem virtuell betreiben oder emulieren. Die 64-Bit-Unterstützung von Windows
betrifft zudem nur den Betrieb von 32-Bit-Software auf x64-Windows. Die Erstellung von virtuellen
64-Bit-Applikationen ist derzeit nicht möglich.
Welche Applikationen sich mit Thinstall virtualisieren lassen, ist pauschal nicht zu sagen.
Einige Programmtypen wie Antivirenlösungen oder Personal Firewalls, Software, die direkt mit einem
Treiber um Beispiel für Scanner oder Drucker kommuniziert, oder Software-VPN-Clients eignen sich
aufgrund der hohen Abhängigkeit vom echten Betriebssystem weniger für die Virtualisierung.
Für den Test luden wir die 10 MByte große MSI-Installationsdatei in einer 30-Tage-Testversion
aus dem Internet. Dafür ist das Hinterlassen einiger persönlicher Daten Pflicht. Wenige Minuten
nach dem Eintreffen der Bestätigungs-E-Mail folgt eine weitere E-Mail mit den wichtigsten Schritten
zur effektiven Nutzung der Software. Thinstall ist komplett in Englisch gehalten. Die Installation
selbst dauerte auf dem Testsystem mit Windows XP Professional lediglich einige Sekunden. Für eine
zweite Installation kam Windows 2000 Professional, betrieben auf Virtual PC 2007 von Microsoft, zum
Einsatz. Auch hier verliefen Installation und Betrieb ohne Probleme.
Nach der Installation finden sich im Startmenü von Windows drei Verknüpfungen der Software: die
Dokumentation als CHM-Datei, ein so genannter Log-Monitor und die Hauptanwendung Setup Capture.
Erwartungsgemäß arbeitet die Software von Thinstall mit der Deltamethode: Es wird vor der
Installation der gewünschten Applikation der Zustand des Betriebssystems analysiert, die Software
selbst installiert und die Differenz als Inhalt des installierten Programmpakets gewertet. Es
empfiehlt sich, das Delta auf einem möglichst "sauberen" Windows zu erzeugen. Hier bieten sich
traditionelle Virtualisierungslösungen wie das kostenlose Virtual PC von Microsoft oder Vmwares
Virtual Server, ehemals GSX, an. Im Test benötigte Thinstall lediglich einige Sekunden, um den
Ausgangszustand zu ermitteln. Für einen ersten Test wählten wir Microsoft Office 2000 Professional,
zu installieren unter Windows 2000 Professional. Den späteren Betrieb musste die virtualisierte
Applikation unter Windows XP Professional jeweils in der x86- und x64-Edition und Windows NT 4.0
unter Beweis stellen.
Das Capturing (die Erfassung) der gewünschten Applikationen begleitet ein Wizard. Welche
Bestandteile der Anwender später über die grafische Oberfläche benutzen kann, steuert der Wizard
ebenfalls. Nachträgliche Anpassungen sind nur über die erzeugte package.ini-Datei möglich. Nach
Abschluss der protokollierten Installation findet sich ein Ordner mit den Ergebnissen der
Untersuchung im Thinstall-Programmverzeichnis. Ein kleiner Batch-Job führt zur Erzeugung der
virtuellen Applikationsumgebung. Dieser erzeugt einen Ordner, in dem sich eine EXE-Datei mit dem
Programmpaket und die zuvor ausgewählten Applikations-Links befinden – in unserem Test die
Programme aus dem Office-2000-Paket. Der Umfang des Ordners entspricht ungefähr der
Speicherplatzanforderung der virtualisierten Software. Interessanterweise erzeugte Thinstall im
Test eine große Applikation mit dem Titel "Microsoft Access" – in der sich alle weiteren Programme
aus dem Office-Paket verbergen. Mit Ausnahme von Outlook funktionierten alle Programme aus dem
Office-Paket auf Anhieb. Outlook ließ sich erst zur Zusammenarbeit bewegen, nachdem es während der
Differenzbildung einmal gestartet wurde.
Unter Windows NT4.0 zeigten sich sowohl Probleme mit Office als auch mit Thinstall selbst.
Letzteres forderte den Anwender zur Annahme einer unsichtbaren Lizenzvereinbarung auf – ob diese
Zustimmung bei Gericht gewertet wird, das sei dahingestellt. Winword 2000 überschüttet den
potenziellen Anwender mit Fehlermeldungen über nicht vorhandene Schriftarten, beispielsweise "
Tahoma", und über den Internet Explorer, der nur in der Version 3.02 vorlag. Diese Missstände
machen deutlich, dass der Administator die virtuelle Applikation möglichst unter dem Betriebssystem
erzeugen sollte, auf dem die Software später laufen soll.
Als zweites Testprogramm durfte eine wahrlich in die Jahre gekommene Applikation herhalten:
Claris Works 1.0 aus dem Jahr 1993. Claris Works ist eine unter Windows 2000/XP noch lauffähige
Office-Suite, die als 16-Bit-Applikation entwickelt wurde. Bei der Differenzbildung war Thinstall
nicht in der Lage, die clworks.exe als Startdatei zu identifizieren, und bot lediglich die cmd.exe
und die iexplore.exe als mögliche Startdateien an. Wird die INI-Datei zur Erzeugung der virtuellen
Umgebung händisch angepasst, so bricht der Batch-Job mit dem Hinweis, dass es sich nicht um eine
32-Bit-Anwendung handelt, den Vorgang ab. Die Lösung für das Prob-lem liegt darin, die Startdatei
der Applikation, hier clworks.exe, über die cmd.exe mit dem Startparameter /c aufzurufen. Wir
versuchten im Anschluss, die Virtualisierung unter Windows NT 4.0 Workstation durchzuführen, und
mussten entdecken, dass Thinstall auf dem frisch installierten Windows NT mit einer Fehlermeldung
rund um die MSVCP60.dll komplett ausstieg.
Ansonsten reicht die Integration in das Host-Betriebssystem für die Anwendung vollkommen aus.
Drucker und Dateisystem stehen zur Verfügung, und die Copy-and-Paste-Befehle aus dem Menü "
Bearbeiten" funktionieren über die virtuelle Anwendung hinweg. Drag and Drop, sprich das Öffnen
einer Datei via Ziehen auf das Applikations-Icon, ist ebenfalls möglich. Wie weit die Integration
mit dem Host-System gehen soll, steuert der Administrator per so genannter Isolation über die
package.ini.
Auch virtualisierte Applikationen sind darauf angewiesen, Daten zu speichern, um beispielsweise
veränderte Einstellungen zu sichern. Da stellt auch Thinstall keine Ausnahme dar. Diese
Informationen werden im Profilpfad des angemeldeten Benutzers unter Anwendungsdaten\Thinstall pro
Applikationscontainer gespeichert. Eine Anpassung der Dateien aus dem Host-System heraus ist zwar
möglich, in der Dokumentation rät der Hersteller davon jedoch deutlich ab. Um die virtualisierte
Registry zu bearbeiten, liefert Thinstall ein Kommandozeilenprogramm mit dem Titel vregtool
mit.
Die Bereitstellung von Applikationen, die der Administrator mithilfe von Thinstall virtualisiert
hat, ist sehr einfach: Schon ein UNC-Pfad oder ein Netzlaufwerk reicht zum Start der Programme
vollkommen aus. Gleichfalls problemlos ist das Arbeiten über einen Wechseldatenträger oder einen
USB-Stick. Einer Verteilung mit Enter- prise-Systemmanagementlösungen wie dem Microsoft System
Management Server (SMS) oder Lösungen beispielsweise von Altiris, Enteo, Landesk oder Matrix42
steht ebenfalls nichts im Wege. Mit etwas "Feintuning" ist es für den Administrator zudem möglich,
die Thinstall-Applikationen in das Startmenü von Windows einzubinden.
Kurz vor Abschluss des Tests stellte Thinstall eine Alphaversion der Version 3.3 vor. Bis zum
Erscheinen dieses Artikels soll diese Version lieferbar sein. Ein Hauptleistungsmerkmal dieser
Fassung ist die lang erwartete Unterstützung von MSI-Autogeneration-Techniken. Neben den in den
exe-Dateien virtualisierten Applikationen wird über MSI Thinreg ausgeliefert, das die Programme in
das Startmenü einträgt und Dateiendungen mit den Applikationen verknüpft. Weitere Eingriffe in die
vorhandene Installation von Windows nimmt das Tool nicht vor. Für das kommende Jahr ist in einer
Version 4.0 die Unterstützung für Mac OS und Linux geplant.
Thinstalls Virtualization Suite 3.2 ist eine sehr einfach zu bedienende Software mit großem
Einsatzpotenzial in Unternehmen. Da keinerlei Dienste, Treiber oder sonstige Anpassungen am
Zielbetriebssystem zu tätigen sind, ist die Verteilung der Applikati-onen für die IT-Administration
ein Kinderspiel. Neben den erwähnten Macken sollten Interessenten lediglich die noch ausstehende
Unterstützung von MSI bedenken. Thinstall bietet die Lösung über ein Netzwerk autorisierter
Wiederverkäufer an. Die Preise beginnen bei 3748,50 Euro inklusive eines einjährigen
Wartungsvertrags für 25 Concurrent-Lizenzen.
Info: Thinstall Tel.: 02366/309354 Web: www.thinstall.com