Branch Office Box und Soft-WOC

WAN-Optimierung wird flexibler

17. September 2007, 22:00 Uhr | Dr. Wilhelm Greiner

Durch Appliances für die WAN-Beschleunigung (WAN Optimization Controllers, WOCs) können Unternehmen mit verteilten Standorten Zugriffszeiten auf zentrale Ressourcen verkürzen und Kosten senken. Die Beschleuniger werden dabei immer flexibler: Nach und nach präsentieren die Anbieter Multifunktionsgeräte für Filialen (Branch Office Boxes, BOBs) sowie Software-Clients (Soft-WOCs).

WOCs beschleunigen den Anwendungszugriff via WAN durch Kompression der Daten auf Objekt- wie auf Byte-Level (Data Reduction) inklusive Objekt- und Bitmuster-Caching, Optimierung der Verkehrsflusssteuerung sowie Traffic-Management und -Shaping auf Netzwerk- und Anwendungsebene. Der WOC-Markt ist laut Infonetics vom ersten Quartal 2006 bis zum ersten Quartal 2007 von 66 auf 106 Millionen Dollar gewachsen, ein Plus von 61 Prozent. Matthias Machowinski, Directing Analyst Enterprise Voice and Data bei Infonetics, erwartet weiterhin ein "starkes zweistelliges jährliches Wachstum im weltweiten WAN-Optimierungsmarkt". Die beiden marktstärksten Anbieter sind laut Machowinski "mit großem Abstand Riverbed und Packeteer". Zu den namhaften Anbietern zählen außerdem Blue Coat, Cisco, Citrix, Expand, F5, Ipanema und Juniper.

Das Wachstum im WOC-Markt wird laut dem Infonetics-Analysten vor allem durch die starke Nachfrage seitens der Unternehmen getrieben: "Managed-Service-Deployments machen derzeit nur einen kleinen Teil des Marktes aus, und ich habe sie bisher nur in Europa gesehen." Während der Managed-Service-Provider Akamai vor allem asymmetrisch gelagerte Lösungen anbietet, setzen Carrier wie BT und Swisscom sowie der VNO (Virtual Network Operator) Vanco auf die symmetrischen, dynamisch selbststeuernden WOC-Systeme von Ipanema.

Die Ipanema-Lösung erlaubt es Providern, einen Managed-Service anzubieten und den Anwendern damit die Verwaltung von Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zu ersparen. Über so genannte "virtuelle Instanzen" lässt sich laut Ipanema auch Verkehr zu Lokationen optimieren, an denen keine WOC-Appliance steht. Das Ipanema-System passt allerdings nur bedingt in dieWOC-Definition: Es fehlt zum Beispiel die wichtige CIFS-Beschleunigung (sie soll im Herbst kommen), während Funktionen für das Service-Level-Management Carrier-gerecht umfassend ausgebaut sind.

Allrounder für Filialen

Multifunktionsgeräte haben bei der WAN-Beschleunigung längst Einzellösungen (Point Solutions) etwa für Kompression oder Caching abgelöst. Derzeit entwickelt sich der WOC-Markt in zwei Richtungen weiter: einerseits in Richtung Branch Office Box, andererseits in Richtung Soft-WOC für mobile Nutzer. Gartner-Analyst Joe Skorupa hatte gegen Ende 2005 für ein integriertes Gerät namens BOB plädiert, das neben WOC-Funktionalität alle weiteren Dienste mitbringt, die eine Filiale benötigt: Router, Firewall, VPN sowie DNS-, DHCP-, File- und Print-Services. Einen großen Teil dieser Funktionalität umfassten Expands Acceleratoren schon sehr früh. Gerhard Unger, Expands Managing Director Central and Eastern Europe, betont den modularen Aufbau und die offene Architektur der Expand-WOCs. Zudem sei das Zusammenspiel der WOC-Services intelligent gelöst: Statt eines linearen Packet Paths (Wegs der Pakete durch die Optimierungsstationen der Appliance) nutze Expands Compass-Plattform einen dynamischen und selektiven Packet Path. Der Vorteil: "Da jedes Datenpaket beim Eintritt in Compass identifiziert wird, kann es anschließend dynamisch und ohne jede Verzögerung nur durch diejenigen Services geleitet werden, die einen Nutzen bringen," so Unger, der nachdrücklich für eine konsolidierte Plattform plädiert, wie sie Gartners BOB-Konzept umreißt: Laut Unger "strebt Expand danach, all diese Services auf einer einzigen Plattform zu konsolidieren. WAFS beispielsweise ist ein großartiges Projekt zur Serverkonsolidierung, aber die meisten Anbieter von WAN-Optimierungen haben immer noch nicht kapiert, was eigentlich gebraucht wird. Viele machen schon bei der CIFS-Optimierung Halt, die ja eigentlich nur einen Teil des Projekts darstellt."

Im Herbst letzten Jahres kündigte Citrix nach der Übernahme des WOC-Herstellers Orbital Data eine Kooperation mit Microsoft an, um die erste rein Windows-basierte Branch Office Box zu produzieren. Ein vorzeigbares Ergebnis steht aber nach wie vor noch aus. Es ist zu erwarten, dass Citrix auf seiner Hausmesse Iforum im Herbst einen Prototypen aus seinem "Project Evergreen" zeigen wird. Verfügbar wird das Gerät aber erst 2008. Der Citrix-WOC Wanscaler ist in der aktuellen Version 4 laut Wes Wasson, Vice President Worldwide Marketing bei Citrix, für Monitoring-Tools auf Applikations- und Netzwerkebene vollständig transparent. Er bietet allerdings weder MAPI- noch ICA- oder NFS-Optimierungen und auch kein Traffic-Shaping.

Cisco wiederum führt seit Ende letzten Jahres WOC-Einschubmodule (WAE) für seine ISRs (Integrated Service Routers) im Portfolio, mit denen der Router-Marktführer BOB-Funktionalität gleich direkt auf die Access-Router packt. Damit, so Ciscos Data-Center-Spezialist Ulrich Hamm, sei "bereits ein großer Schritt in Richtung Konsolidierung" getan. Der ISR mit dem WAE-Einschub kommt laut Hamm bei den Anwendern gut an: "Mit mehreren tausend verkauften Geräten zählt Cisco hier zu den Pionieren." Hamm betont insbesondere die leichte zentrale Verwaltung: "Zwei Features machen einen einfachen und schnellen Rollout bei Cisco WAAS (Wide-Area Application Services) möglich: Zum einen werden grundsätzlich keine Punkt-zu-Punkt-Verbindungen definiert; vielmehr finden sich die WAEs im Netzwerk durch einen Auto-Discovery-Mechanismus automatisch. Zum anderen meldet sich eine neue WAE nach einer schnellen Grundkonfiguration immer bei einem Central Manager an, der sie dann mit den aktuellen Konfigurationen des WOC-Systems versorgt. Damit entfällt der aufwändige Schritt, eine neue WAE mit allen vorhandenen WAEs durch Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zu verknüpfen." Ciscos ISR-Modul könnte bald Konkurrenz bekommen: "Expand spricht gerade mit Huawei über die Router-Integration," erläutert Forrester-Analyst Machowinski. Seine Prognose für das BOB-Konzept: "Ich denke, man kann die Parallele mit dem Security-Markt ziehen (auf dem Multifunktionsgeräte heute ebenfalls vorherrschen, d.Red.). Diese Integration wird, da sie den Betrieb vereinfacht, im Branch Office eines Tages stattfinden - obwohl es weiterhin Bedarf an beiden Formfaktoren geben wird. Im Data Center werden sich die Kunden wohl weiter an die dedizierten Geräte halten."

Vor diesem Hintergrund ist kürzlich auch der Traffic-Management-Platzhirsch Packeteer in das BOB-Geschäft eingestiegen: Die jüngst vorgestellte Branch Office Box namens Ishaper kombiniert Packeteers bewährte Packetshaper-Funktionalität mit den über die Akquisition von Tacit erworbenen WOC-Features auf einer integrierten Plattform. "Dies ist eine sehr wichtige Entwicklung für das Unternehmen," urteilt Matthias Machowinski. Der Ishaper "erweitert (Packeteers) Portfolio um ein Produkt, das ein Anbieter heute einfach haben muss, um am Markt ein überlebensfähiger Wettbewerber zu sein."

Eine von den WOC-Anbietern bislang weitgehend vernachlässigte Anwendergruppe sind die "Road Warriors": Lange hatten nur Orbital/Citrix und Tacit/Packeteer WOC-Software-Clients für reisende Notebook-Benutzer im Programm. Juniper hat schon längst einen Soft-WOC in Aussicht gestellt, ein konkretes Ergebnis lässt aber bislang auf sich warten. Vor einigen Wochen hat nun Blue Coat mit dem SG-Client eine Softwarelösung für die geplagte Airport-Lounge- und Home-Office-Anwenderschaft vorgestellt. Das erste Release dieses SG-Clients unterstützt TCP- und CIFS-Optimierung, Object Caching sowie Client-seitige Datenkompression für WAN- und VPN-Sessions. Weitere Funktionen, die Blue Coat teils erst noch von seinem Appliance-Portfolio portieren muss, sollen noch dieses Jahr folgen. So spricht Michael Hartmann, Geschäftsführer DACH und Eastern Europe bei Blue Coat, von "unserem ersten Schritt hin zur vollständigen Endpoint Application Delivery". Der zentralen Verwaltung von Policies und Konfigurationen dient die Lösung Blue Coat Director, für die Auswertung des Traffics sorgt der Blue Coat Reporter.

Riverbed, laut Gartner WOC-Marktführer vor Juniper und Expand, wiederum hat jüngst die Funktionalität seiner Steelhead-Appliances in einer Softwareversion vorgestellt und damit ebenfalls seinen Einzugsbereich deutlich erweitert. Die Steelhead-Geräte kombinieren eine ganze Reihe von Methoden von der Datenreduktion über TCP-Beschleunigungsverfahren bis hin zu applikationsspezifischen Optimierungen, um Anwendungszugriffe via WAN auf Trab zu bringen. Der neue Soft-WOC namens Steelhead Mobile stellt diese Methoden nun auch für reisende Anwender sowie für kleine Außenstellen (SOHO) zur Verfügung, für die eine Hardware-Box sich nicht eignet. Riverbeds Software bringt laut Mark Lewis, Marketing Director EMEA bei Riverbed, die gesamte Funktionalität der Appliances mit, sofern dies sinnvoll ist. So fehle zum Beispiel die NFS-Beschleunigung wie auch ein Proxy File Service, da Notebook-Anwender diese Features nicht benötigten. Da durch Einbindung mobiler Benutzer die Zahl zu verwaltender Endpunkte stark zunehmen dürfte, ergänzt Riverbed sein Portfolio um eine weitere Appliance, den Steelhead Mobile Controller, der administrative Aufgaben wie Softwareverteilung und Lizenzüberwachung bündelt und somit nicht dem WOC im Data Center aufbürdet. Das Reporting des Controllers ist laut Riverbed in das Interface der Appliance-Verwaltung integrierbar.

Laut Citrix-Marketier Wes Wasson soll im dritten Quartal die Integration der beiden Clients für die SSL-Lösung Access Gateway und den Wanscaler-WOC verfügbar werden. Dies werde dann WAN-Optimierung auch von SSL-Verbindungen erlauben. Der Client werde TCP-Beschleunigung und Kompression auf Dateiebene bieten, nicht jedoch Caching oder Traffic-Shaping. F5 wiederum hat kürzlich beim Sprung vom Wanjet 400 auf den 500 die Hardware runderneuert und ist nun damit befasst, die Software auf die hauseigene TMOS-Plattform des Big-IP-AFEs zu portieren. Ein Soft-WOC ist laut F5 hingegen nicht in Vorbereitung.

Fazit

Verbesserungsbedarf besteht laut Infonetics-Forscher Machowinski nicht nur bei der Soft-WOC-Verbreitung, sondern auch bei der Unterstützung zusätzlicher Protokolle - also jenseits der üblichen TCP-, HTTP- und CIFS-Beschleunigung: "Einige haben diese Fähigkeiten, aber nicht alle." Zum Beispiel unterstützen Riverbed und Blue Coat die Beschleunigung verschlüsselten Verkehrs (LANline berichtete), während dies bei Weitem nicht allgemein üblich ist. An zusätzlichen Optimierungsfunktionen für spezifische Protokolle und Applikationen arbeiten aber alle Anbieter fleißig - dies ist schließlich deren Kerngeschäft. So hat zum Beispiel Blue Coat kürzlich sein Portfolio um eine Lotus-Notes-Optimierung erweitert, während Expand die TCP-Optimierung überarbeitet und SAP- wie auch Oracle-Optimierungen vorgestellt hat. Expand betont, man sei die Microsoft-Domain eingebunden und wolle zudem in Kürze eine IPSec-Integration auf den Markt bringen. Unternehmen mit zahlreichen Standorten sollten den WOC- und den BOB-Markt also genau im Auge behalten - hier wird sich noch einiges tun.


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