Mit zunehmend selbstverständlicher, nahezu ubiquitärer Präsenz hat sich WLAN als "innovatives" Phänomen nach und nach aus der öffentlichen Aufmerksamkeit zurückgezogen. Abgehakt? Mitnichten! Nach wie vor sollten IT-Verantwortliche ein genaues Auge auf diese Technik haben, um ihren Einsatz im Unternehmen zu optimieren. Ganz besonders gilt dies bei der Planung von Projekten im Umfeld des Internets der Dinge (IoT). Aber auch darüber hinaus feilt das zuständige IEEE-Gremium 802.11 weiter an wichtigen WLAN-Verbesserungen zum Beispiel für die Stabilität, Ortungsgenauigkeit und Performance.
Die mobile Datennutzung findet primär in WLAN-Netzen statt. Laut einer kürzlich erschienenen Studie des Breko-Verbands (Bundesverband Breitbandkommunikation e.V.) liegt der Anteil von WLANs dabei inzwischen bei mehr als 80 Prozent. Der WLAN-Markt erfreut sich eines soliden Wachstums - kürzlich selbst hierzulande wieder stark befeuert etwa durch die Ankündigung der Deutschen Bahn, künftig auch in Abteilen der zweiten Klasse flächendeckend kostenloses WLAN anbieten zu wollen. Die großen Grabenkämpfe, die den WLAN-Markt über viele Jahre geprägt haben, scheinen indes vorüber, die Konsolidierung der Anbieter weitgehend abgeschlossen. Nach vielen Jahren turbulenter Übernahmen und Merger kommen solche Meldungen nur noch selten.
Eines der herausragenden Ereignisse der letzten Monate in diesem Umfeld war vielleicht die Übernahme von Zebra Technologies durch Extreme Networks, dem nach eigenen Angaben drittgrößtem Anbieter von Netzwerklösungen im Enterprise-Campus-Segment. Nur ein kleiner Kreis von IT-Experten dürfte hierzulande vor dieser Übernahme überhaupt von "Zebra" gehört haben. Motorola Solutions, aus dem Zebra hervorging, kennt dagegen wahrscheinlich jeder, und von dort brachte das Unternehmen bereits sehr weit entwickelte Lösungen hinsichtlich intelligenter Funksteuerung, Sicherheit und Gast-Management mit. Außerdem kommt mit Zebra auch eine nennenswerte Kundenbasis sowie ein neues Managed-Service-Angebot zu Extreme. "Die Ergänzung der zusätzlichen WLAN-Ressourcen erweitert unseren adressierbaren Markt in einem der am schnellsten wachsenden Geschäftsfelder der Netzwerkbranche auf 9,4 Milliarden Dollar, so Ed Meyercord, President und CEO von Extreme Networks. Dementsprechend erwarten die Netzwerker in dem neu akquirierten WLAN-Bereich einen Jahresumsatz von über 115 Millionen Dollar.
Bei der Analyse von Übernahmen im WLAN-Sektor 2016 ist sicher noch ein weiterer Deal auffällig: Im April hat der Netzwerkhersteller Brocade den besonders im Provider-Umfeld populären WLAN-Anbieter Ruckus Wireless übernommen. Klar ist, dass Brocade mit der Übernahme seine strategische Position im erweiterten Service-Provider-Segment stärken will, ausgearbeitete Strategien wird der Netzwerker voraussichtlich auf dem kommenden Mobile World Congress in Barcelona vorstellen.
Im Internet der Dinge geht es stark um die Machine-to-Machine-(M2M-) sowie Sensorenkommunikation. Dabei sind oft weniger die großen Bandbreiten, dafür aber hohe Reichweiten und ein geringer Energieverbrauch gefragt. Klassische Office-WLANs sind nicht auf diese Anforderungen zugeschnitten. Aus diesem Grund hat das IEEE-Komitee in der Arbeitsgruppe 802.11ah einen IoT-gerechten WLAN-Standard entwickelt. Dieser basiert im Wesentlichen auf dem aktuellen Hauptstandard 802.11ac - jedoch im 900-MHz-Band bei stark reduzierten Kanalbandbreiten. Ein spezieller Zusatzkanal stabilisiert die Verbindungsqualität. Die Übertragungsraten in einem 802.11ah-Netz, das die Wi-Fi Alliance bereits seit Anfang 2016 unter der Bezeichnung "Halow" proklamiert, kommen bei vergleichbaren Rahmenbedingungen nur auf ein Zehntel derer in einem 802.11ac-WLAN. Je nachdem, auf welche Anwendung ein 11ah-Produkt getrimmt ist, sollen sich bis zu 1.000 Meter und mehr überbrücken lassen (siehe auch "Gebäudevernetzung löst sich vom Kabel" in LANline 3/2016, bit.ly/2eBTi2Q).
Die Existenz von Halow stellt Organisationen, die WLAN-Technik bereitstellen, jedoch vor zahlreiche neue Fragen und Herausforderungen - zum Beispiel hinsichtlich der Authentifizierung und Autorisierung. So sieht es zumindest Dirk Gates, Executive Chairman und Gründer von Xirrus: "Auch wenn sich mit diesem Standard und der neuen Technik ungeahnte Möglichkeiten für die WLAN-Branche eröffnen, überwiegen im Moment dennoch die Fragen: Wie lässt sich die Integration von Halow in Infrastrukturlösungen bewerkstelligen? Bei welchen Gerätetypen wird die neue Technik am schnellsten eingebunden? Wie einfach wird sich dies gestalten? Wird Halow dazu beitragen, dass WLAN andere Techniken in diesem Bereich wie Z-Wave, Zigbee oder sogar Bluetooth verdrängt?" Antworten darauf werden sich wohl erst in den nächsten Monaten oder gar Jahren nach und nach herauskristallisieren.
Die Anpassung von WLANs an die Anforderungen des IoT bedeutet weit mehr als die Modifikation der grundlegenden Funkstandards. Eine der großen Fragen betrifft die Sicherheit angesichts einer überwältigenden Zahl neuer Geräte im Netz, von denen sich die meisten niemals je durch Software-Updates auf einen aktuellen Stand bringen lassen. Der inzwischen bei Hewlett Packard Enterprise eingegliederte "Mobile"-Primus Aruba beispielsweise hat dieses Thema schon seit mehreren Jahren im Fokus. Mit der "Mobile First"-Plattform hat er im September nun eine Lösung präsentiert, die dem Problem mittels Echtzeit-Monitoring begegnet. Diese bietet ein Software-Layer an, das externen Entwicklern über APIs (Application Programming Interfaces) detaillierte Erkenntnisse liefern soll, die sie bei der Verbesserung von Anwendungen und Dienstleistungen heranziehen können. Die mit der Aruba-Infrastruktur auf der Basis des neuen Betriebssystems Aruba OS 8.0 gewonnenen Kontextinformationen für alle Geräte - gleichgültig ob mobil oder IoT - sollen es dabei erlauben, dynamische Anpassungen von Netzwerkfunktionen in Echtzeit vorzunehmen.
IP-Überwachungskameras mit integriertem WLAN-Sender gibt es schon sehr lange, aber neuerdings geht es offensichtlich auch andersherum: Ein ausgewiesener WLAN-Access-Point (AP) übernimmt gleichzeitig die Funktion einer IP-Kamera. Vergangenen Oktober war Extreme Networks mit einer entsprechenden Lösung vorangeprescht. Die Kombination aus WLAN-AP und IP-Kamera soll verbesserte Funktionen für mobile Netzwerknutzung ermöglichen sowie mit geringeren Kosten und erhöhter Sicherheit punkten.
Einmal abgesehen von der Tatsache, dass der optimale Standort für einen WLAN-AP wohl in den seltensten Fällen auch der ideale Ort für eine Überwachungskamera sein dürfte, kommt mit den beiden neuen AP-Kameras ein marktreifes Stück Infrastruktur für das IoT. Neben den beiden "802.11ac Wave 2"-Funkmodulen für das 2,4- und 5-GHz-Band ist noch ein drittes Funkmodul verbaut, das als Gateway zu IoT-Infrastrukturen dient, die auf der Basis von Bluetooth Low Energy (BLE), Zigbee oder Thread operieren. Zusammen mit der zentralen Management-Software sollen sich dadurch IoT-Endgeräte, -Applikationen und -Daten von ihren geschäftlichen Nutzern, Endgeräten und Applikationen segmentieren und somit ein IoT-basierendes Unternehmensnetzwerk aufbauen lassen. Bei den neuen AP-Kameras von Extreme Networks handelt es sich um das Model 3916i mit 2×2-Funkmodulen und das Modell 3912i zur Wandmontage mit integrierten LAN- und PoE-Ports.
Bei den üblichen Lösungen, die Videoüberwachung mit WLAN verbinden, erfolgt die Standortwahl in der Regel ausschließlich nach den Kriterien der Videoüberwachung. Die WLAN-Komponente ist dabei kein Access Point, sondern einfach ein Client, der sich drahtlos mit einem vorhandenen AP verbindet. Entsprechend fokussieren die Angebote in solchen Fällen primär auf den Videopart. Ein aktuelles Beispiel für diese Spezies ist etwa die auf Kleinbetriebe zugeschnittene "Companion"-WLAN-Lösung von Axis, die aus WLAN-fähigen Dome- und Cube-IP-Kameras und einer kostenlosen Video-Management-Software besteht. "Uns ist klar, dass kleine Unternehmen nicht überall Netzwerkkabel verlegt haben", so Gilles Ortega, Director Small Business Solutions bei Axis Communications. "Daher ist eine kabellose Lösung für diese sehr attraktiv. Netzwerkkabel sind überhaupt nicht mehr nötig. Diese verursachen bei der Installation häufig einen hohen Zeit- und Kostenaufwand. Der Zugriff kann vor Ort über PC, Tablet oder Smartphone und aus der Ferne über das Internet erfolgen."
Seit das WLAN mit der Verabschiedung des 802.11b-Standards im Jahr 1999 langsam zu einem Massenphänomen wurde, hat sich sehr viel getan. Aber auch wenn die Technik heute sehr gereift daherkommt und sowohl im privaten Bereich wie auch in Unternehmen zur alltäglichen Selbstverständlichkeit geworden ist, sind die technischen Entwicklungen keineswegs abgeschlossen. Derzeit feilen neun Arbeitsgruppen (Task Groups, TG), darunter auch die bereits erwähnte 802.11ah-Gruppe, in dem für die Standardisierung der WLAN-Funktionen zuständigen IEEE-Komitee 802.11 an weiteren Verbesserungen (siehe bit.ly/1LM1mF6).
In der Arbeitsgruppe 802.11az geht es beispielsweise um die Verfeinerung der Ortungsgenauigkeit im WLAN. Die Forscher experimentieren dort mit einer Technik, die einen zusätzlichen rotierenden Winkel in die Ortung mit einbezieht. Ziel ist es, die Ortung und Führung innerhalb von Gebäuden in verbessertem Maß zu unterstützen - etwa für genaue Orientierung in einem Ladengeschäft oder zur Navigation in öffentlichen Gebäuden. Auch im Bereich industrieller Anwendungen sollen sich für die neue WLAN-Technik, deren Verabschiedung im März 2020 geplant ist, zahlreiche neue Anwendungsfelder ergeben.
Ein weiteres großes Projekt beschäftigt sich mit einer neuen Generation von WLANs im 60-GHz-Band. Die erste Generation existiert unter der Bezeichnung 802.11ad beziehungsweise "Wigig" bereits seit 2012, findet allerdings erst seit diesem Jahr mit konkreten Produkten den Zugang zum Markt. Sehr hohe Datenraten von mehr als einem Gigabit pro Sekunde stehen dabei im Fokus - allerdings nur auf sehr kurze Distanzen von wenigen Metern. Der nun in Entwicklung befindliche Nachfolger 802.11ay soll den alten Standard hinsichtlich Durchsatzraten, Ausdehnung, Energieeffizienz und Zuverlässigkeit verbessern. Zumindest auf der Ebene des MAC-Layers soll der neue Standard, der für November 2019 erwartet wird, Durchsatzraten von 20 GBit/s bieten. Dafür sollen unter anderem die Verfahren für die Kanalbündelung und Antennentechnik (MIMO) optimiert werden. Neben der Nutzung im Heimbereich (zum Beispiel zur Ansteuerung von Displays, für "8K Ultra High Definition Video"-Streaming, drahtloses Docking etc.) soll die neue Technik auch im Rechenzentrum wichtige Dienste leisten, etwa bei der drahtlosen Verbindung von Racks.
Wo sehr viele Menschen auf engem Raum zusammenkommen, etwa bei Veranstaltungen wie Konzerten, Messen, Fußballspielen etc., geht die Performance für den einzelnen Nutzer in vielen Installationen oft deutlich in die Knie. Eine erhebliche Verbesserung dieser Situation soll der 802.11ax-Standard für hocheffiziente WLANs bringen. Im Vergleich zur jeweils verwendeten Basistechnik ("ax" kann sowohl auf 802.11n als auch auf 802.11ac aufsetzen), wird sich der Durchsatz damit mindestens um den Faktor 4 steigern. Gleichzeitig sollen die Verzögerungszeiten und die Energieeffizienz verbessert werden. Für dieses Vorhaben, dessen Vollendung für Dezember 2018 projektiert ist, experimentieren die Entwickler mit vielen technischen Parametern - sowohl auf MAC- als auch auf physi- scher Ebene.
Dies sind nur einige Beispiele, die die strategische Position des WLANs als zentraler Inhouse-Verteiltechnik eindrucksvoll untermauern. Einen neuen großen Spannungs- und sicher auch Entwicklungsschub dürfte es geben, sobald die künftige Mobilfunkgeneration "5G" weiter konkrete Gestalt annimmt. Im Rahmen der dort komplett softwaregesteuerten Netzwerkfunktionen sollen sich die üblicherweise durch den Funkradius gegebenen, klaren Grenzen zwischen den einzelnen Funktechniken langsam auflösen: Zum Beispiel ließe sich ein WLAN-AP bei Bedarf als LTE-Station umwidmen und umgekehrt.