Neuer Wireless-Standard

Ziele und Anforderungen von 6G im Fokus

15. Dezember 2023, 13:08 Uhr | Autor: Houman Zarrinkoub / Redaktion: Lukas Steiglechner
© sutadimages / AdobeStock

Drahtlose Verbindungen gewinnen zunehmend an Bedeutung. 6G wird dabei wieder neue Grenzen sprengen. Dabei müssen die Verantwortlichen einiges beachten und sich frühzeitig dafür bereit machen. Dafür sind unter anderem KI, JCAS und NTNs wichtig.

Jeder Wireless-Standard, von 3G bis 5G und darüber hinaus, verfolgt konkrete Ziele, um die Branche voranzubringen. So lag beispielsweise der Schwerpunkt von 4G auf einer flexiblen, IP-orientierten Sprach-, Daten- und Videokommunikation, die durch 5G weiter verbessert wurde. Mit 6G soll eine flächendeckende, effiziente und umfassende drahtlose Konnektivität ermöglicht werden. Die Forschung und Entwicklung für 6G-Systeme ist in vollem Gange. Dabei entstehen bereits die ersten Einblicke in die technologischen Fortschritte, die die Mobilfunk-Branche damit erzielen wird.

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Kommunikation im Sub-THz-Bereich

Die Nutzung neuer Frequenzen im Bereich zwischen 7 und 24 GHz und im Sub-THz-Bereich (größer als 100 GHz) wird höchstwahrscheinlich ein Teil von 6G-Kommunikationssystemen werden. Dadurch werden neue Methoden im Spektrum-Management sowie Leistungszuwächse bei Datenraten und Geschwindigkeiten ermöglicht. So werden Netzwerkkapazität und Übertragungsbandbreiten verbessert und Netzwerkstörungen reduziert.

Gemeinsame Funk-Kommunikation und -Sensorik

Zukünftige drahtlose Netzwerke müssen drahtlose Geräte genau orten können, um ihre Übertragungen zu optimieren. Durch die Einführung neuer Frequenzen können drahtlose Netzwerke eine hochpräzise Abtastung sowie räumliche Kenntnis ihrer physischen Umgebung liefern. Deshalb wird 6G auf Joint Communication and Sensing (JCAS) setzen, bei dem die Ortungs-, Abtast- und Kommunikationsfunktionen eines drahtlosen Netzwerks integriert sind. 

JCAS-Systeme können die Leistung in Kommunikationsszenarien in Innenräumen verbessern, indem sie bessere Informationen über den Innenbereich, die Reichweite, die Hindernisse und die Positionierung erfassen und an das Netzwerk senden. Laut einer aktuellen Studie von Ericsson liegt einer der wichtigsten Vorteile von JCAS darin, dass „ein Großteil der Infrastruktur bereits vorhanden ist und Sende-/Empfangsknoten (Tx/Rx) eine vollflächige Abdeckung sowie eine gute Verbindung zwischen Knoten bieten, wodurch ein multistatisches sensorisches Netz ermöglicht wird“. Wenn die Abtastung bereits in drahtlose Systeme integriert ist, kann die mit 6G einhergehende Einführung neuer Frequenzen im Sub-THz-Spektrum den Weg für den Einsatz radarähnlicher Technologien ebnen. Die Herausforderung beim Entwurf eines JCAS-Systems liegt allerdings in der höheren rechnerischen Komplexität der kombinierten Systeme. Das daraus folgende Konkurrieren um die verfügbaren Ressourcen kann den drahtlosen Dienst verlangsamen oder stören.

Rekonfigurierbare intelligente Oberflächen

Reconfigurable Intelligent Surfaces (RIS) gewinnen in der Wireless Community aufgrund ihrer einfachen Bereitstellung, verbesserten Spektraleffizienz, Kompatibilität mit den aktuellen Standards und Hardware für drahtlose Netzwerke sowie ihrer Nachhaltigkeit an Bedeutung. RIS ist eine neue Art von Medium, die es ermöglicht, die Ausbreitung von Signalen zwischen einem Sender und einem Empfänger dynamisch und programmatisch mithilfe einer Reihe von reflektierenden Elementen zu steuern. Die Fähigkeit, eingehende Signale von Oberflächen zu reflektieren und zu steuern, setzt den Einsatz drahtloser MIMO-Systeme voraus, die die Steuerungsfähigkeit verbessern, andererseits jedoch zusätzliche Antennen und schmale Strahlen erfordern. Schmale Strahlen können problematisch werden, weil schon kleine Fehler bei der Ausrichtung des Strahls dazu führen können, dass er sein vorgesehenes Ziel nicht erreicht.

Dadurch wird ein drahtloses System deutlich komplexer und variabler, wodurch die Aufgabe der Erkundung des Entwurfsraums äußerst schwierig wird. Im Bereich drahtloser 5G- und 6G-Systeme kommen häufig Plattformen für Programmierung und numerische Berechnungen sowie Blockdiagrammumgebungen zum Einsatz, um ihre Entwicklungen zu entwerfen, zu modellieren, zu testen und zu analysieren. Sie haben so die Möglichkeit, neue Frequenzbereiche, Bandbreiten, Numerologien und Skalierungssimulationen für MIMOs und höhere Abtastraten in einer folgenfreien Simulation zu erkunden.

Nicht-terrestrische Netzwerke für drahtlose Konnektivität

Neu entstehende nicht-terrestrische Netzwerke (NTNs) sind eine entscheidende technologische Neuerung für umfassende Konnektivität. Bei NTNs handelt es sich um Netzwerke, an denen nicht-terrestrische fliegende Objekte beteiligt sind, beispielsweise Satelliten mit niedriger Erdumlaufbahn (Low Earth Orbit, LEO). Im Wireless-Bereich werden zunehmend mobile Geräte in hybride terrestrische/nicht-terrestrische 5G-Mobilfunk-Infrastrukturen für Unternehmen und Verbraucher integriert. Die „Notruf SOS“-Funktion von Apple ist dabei die bekannteste Anwendung. NTNs sind wertvoll, weil sie den Aufbau eines globalen drahtlosen Netzwerks ermöglichen, ohne Funkmasten zu benötigen. Dies gilt insbesondere in Regionen, in denen deren Bau wirtschaftlich nicht tragbar ist.

KI ist für 6G-Systeme von entscheidender Bedeutung

Die zunehmende Komplexität von 6G-Netzwerken erfordert den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Realistisch betrachtet können Entwickler nicht mit der höheren Geschwindigkeit und Komplexität von 6G Schritt halten. KI-Techniken können nichtlineare Probleme besser lösen, indem sie automatisch und effizient die zugrundeliegenden Muster extrahieren. Dies geht über die Fähigkeiten menschlicher Ansätze hinaus.

KI – einschließlich Machine Learning, Deep Learning oder Reinforcement Learning – können zur Konfiguration, Optimierung und Selbstorganisation der drahtlosen 6G-Kommunikation eingesetzt werden. Darüber hinaus wird 6G wahrscheinlich KI-basierte Luftschnittstellen unterstützen, um Funktionen wie gemeinsame Komprimierung und Codierung, Beamforming, Komprimierung von Kanalzustandsinformationen (Channel State Information, CSI) und Positionierung zu verbessern. Außerdem kann KI das Projektmanagement verbessern, indem simulierte Umgebungen in ein algorithmisches Modell integriert werden. Hierzu wird das Verhalten der Quellumgebung geschätzt, sodass die dominante Wirkung eines Systems mit einem Minimum an Rechenressourcen untersucht werden kann.

Das Beste an der drahtlosen Kommunikation ist, dass die Mathematik und Physik niemals angezweifelt werden. Die Probleme entstehen durch die Anforderungen und Technologien, die sie tragbar und effizient machen. Noch ist unklar, welche Technologie-Optionen bis 2026 im 6G-Standard enthalten sein werden, aber im Wireless-Bereich lassen sich bereits heute Vorbereitungen auf die kommenden Innovationen treffen.

Houman Zarrinkoub, Principal Wireless Product Manager, MathWorks


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