Vorstellung: IBM Lotus Notes 8.0

Zweigleisig

3. Dezember 2007, 0:01 Uhr | Dr. Michael P. Wagner/jos Dr. Michael P. Wagner ist als Berater und Publizist in München tätig.

Mit dem Release 8.0 von Lotus Notes erweitert IBM die Plattform für kollaborative Anwendungen um Java- und Portalfähigkeit durch Integration der Eclipse-basierenden Rich-Client-Technik der Workplace-Produktfamilie. Notes gewinnt dadurch an Anwendungsentwicklungsmöglichkeiten und an Administrationsfähigkeit.

Mit Version 8 hat IBM das Lotus Notes Produkt nicht nur um eine Vielzahl von technischen Verbesserungen erweitert, sondern den Notes 8 Client gleich auf neue Füße gestellt. Als neue Grundlage für Notes 8 dient die Expeditor genannte Technik, die ursprünglich für den Rich Client der Workplace-Produktfamilie entwickelt wurde.

Expeditor ist eine Erweiterung des Eclipse-Frameworks, das die Java-basierende Entwicklungsumgebung um Administrationsfunktionen und Offline-Fähigkeit erweitert. Der Expeditor baut als Anwendungsintegrationsplattform auf dem sogenannten "Plug-in"-Mechanismus auf, mit dem die Einbindung fremder Softwareteile vereinfacht wird. Ebenfalls von Eclipse übernommen wurden die so genannten "Viewparts", mit denen eine einheitliche Benutzerschnittstelle aus kleinen Softwarebausteinen zusammengesetzt werden kann. Die Bausteine einer Expeditor Anwendung lassen sich über ein so genanntes "Update Site" für viele Clients zentral verwalten.

Der Notes 8 Client basiert auf dem Expeditor, bindet den originalen Notes Client Code als Plug-in ein und setzt die Benutzerschnittstelle aus Viewparts völlig neu zusammen. Die Funktionalität der Notes-Anwendungen und die Datenhaltung erfolgt weiterhin über den bisherigen Code, aber die Darstellung der und Interaktion mit den Notes-Anwendungen wurde über die java-basierten Viewparts neu implementiert. Die Verwendung der Expeditor Technik ist aber kein "Muss", denn IBM lässt den Anwendern die Wahl.

Zwei Clients

Der Notes 8 Client kann auf zwei Arten installiert werden. Als "Basic Client", der auf dem bisherigen Code basiert und um viele Funktionen erweitert wurde. Oder als "Full Client" der auf der Expeditor-Technik basiert und den bisherigen Code als Plug-in einbettet. Aber nicht nur diese zwei Optionen ermöglichen einen direkten Vergleich. Wird der Full Client installiert kann man bei Bedarf auch nur den Basic Client starten und hat so beide Welten auf einem System. Allerdings wird diese Variante von IBM nicht unterstützt.

Ein Vergleich der beiden Clients zeigt eine erstaunliche Übereinstimmung bis auf einige gewollte Unterschiede. Die Schablonen für die wichtigsten Notes-Anwendungen wie E-Mail und Kontakte wurden stark überarbeitet und an das Expeditor-Erscheinungsbild angepasst. Allerdings wurde der Facelift nicht auf alle Anwendungen und alle Designelemente ausgedehnt. Bei näherer Betrachtung hinterlassen daher beide Client-Varianten einen etwas "zerrissenen" Eindruck.

Basic Client

Der Basic Client wurde äußerlich ebenfalls stark überarbeitet und mit vielen funktionalen Verbesserungen im Detail ausgestattet, die sich natürlich auch im Full Client wieder finden. Im Gegenzug profitiert der Basic Client von vielen Änderungen, die eigentlich für den großen Bruder implementiert wurden, wie etwa den Neuerungen in den Standarddatenbankschablonen.

Mit dem Release 8 sind einige lange bestehende Probleme mit Lotus Notes beseitigt. So gibt es nun endlich eine mehrstufige Undo-Funktion, die auch die wichtigsten Tabellenoperationen einschließt. Die Rechtschreibprüfung arbeitet nun schon während der Eingabe und prüft auch die neue deutsche Rechtschreibung. Die Menüstruktur kann per Option auf die häufigsten Funktionen eingeschränkt werden und der Ausdruck von Tabellen ist deutlich verbessert.

Im Kalender gibt es eine "Was-wäre-wenn"-Suchfunktion, mit der sich auch dann ein Termin finden lässt, wenn nicht alle Teilnehmer im gewünschten Zeitraum verfügbar sind. Terminanfragen werden nun direkt in der Kalenderansicht dargestellt, ebenso wie abgelehnte Termine, die dann bei Verschiebungen doch angenommen werden können. Das persönliche "Namens & Adressbuch" wurde in "Kontakte" umbenannt und ermöglicht neben vielen zusätzlichen Feldern auch die Speicherung eines Fotos zu einem Kontakt. In einer Visitenkartenähnlichen Darstellung sind alle wichtigen Informationen übersichtlich dargestellt.

Auch an den Basisfunktionen des Notes Clients wurden Verbesserungen vorgenommen. So kann etwa die Failover-Funktion Dokumente nun auch auf einem anderen Server speichern, wenn der ursprüngliche Server ausfällt. Bislang war ein Failover nur für lesende Zugriffe möglich.

Der Basic Notes Client ist allerdings nur für die Windows Plattform erhältlich. Für den Mac wird es nur den Full Client geben und diesen auch voraussichtlich erst mit dem ersten Maintenance-Release. Der Full Client für Linux ist dagegen der erste neue Notes Client seit der Version 4 für eine Unix-Plattform.

Full Client

Beim Start des Full-Clients fällt schon bei der Passworteingabe ein Fensterrahmen mit einem "Öffnen"-Button auf. Ddies ist der "reine" Expeditor. Nachdem sich der Notes Client im Expeditor geöffnet hat, fällt auch auf, dass sich auf der rechten Seite ein Bereich mit zusätzlichen Fenstern befindet, das im Basic Client fehlt. Dies sind weitere Plug-ins, die vom Expeditor zum Full Notes Clients dazu geladen werden. Dazu zählen eine "Tagesübersicht", Unterfenster für Sametime und Aktivitäten sowie ein Feedreader.

Die "Tagesübersicht" stellt aktuelle Informationen wie etwa Termine zusammengefasst dar und kann als Arbeitsunterstützung dienen. Das Sametime-Unterfenster ermöglicht Instant Messaging durch Chat, Audio und Video und bringt Online-Awareness in den Notes Client. Das "Aktivitäten"-Fenster verbindet den Notes Client mit einem Lotus Connections Server und ermöglicht so neue Wege der Zusammenarbeit zwischen Notes- und Webnutzern. Der Feed-Reader schließlich kann Neuigkeitendienste nach dem RSS Standard darstellen und ist sehr einfach zu bedienen und zu konfigurieren.

In den Notes 8 Client sind eine Reihe von Funktionen eingebaut, die auf Basis der Expeditor-Technik einfacher zu realisieren sind und im Basic Client nicht zur Verfügung stehen. Umgekehrt schränkt der Expeditor die Notes-Benutzerschnittstelle ein. So gibt es zum Beispiel die Funktion "Öffnen in neuem Fenster" nicht mehr. Stattdessen gibt es eine Option, jedes Notes Dokumente entweder als Reiter im Expeditor oder in einem separaten Fenstern darstellen zu lassen, Letzteres ist etwas gewöhnungsbedürftig.

Zu den neuen Funktionen des Full Notes 8 Clients zählen, um nur die wichtigsten zu nennen, eine spezielle Darstellung für breite Bildschirme, der Umgang mit Mail-Hierarchien, ein neuer Adressdialog, die Ansicht "Jüngste Zusammenarbeit", die Desktop-Suche, ein neues Hilfesystem, die Fensterübersicht und natürlich die Zusammengesetzten Anwendungen (Composite Applications).

Um die Lesbarkeit, insbesondere der E-Mail zu verbessern, wird nun für breite Bildschirme eine nebeneinander liegende Darstellung von Ansichten, Dokumenten und der Vorschau unterstützt. Damit sind mehr Informationen auf einen Blick sichtbar. Gleiches gilt für E-Mail-Nachrichten die aufeinander folgen, als so genannte "Threads". Diese sind nun zusammenhängend dargestellt und können auch als Ganzes bearbeitet und zum Beispiel in einen Ordner abgelegt werden.

Für ausgehende E-Mail-Nachrichten zeigt sich der Adressdialog deutlich verbessert. Er berücksichtigt jetzt auch Adressen kürzlich eingegangener E-Mails, die noch nicht in die Kontakte übernommen sind. Umgekehrt kann zu einem bestehenden Kontakt eine Ansicht aufgerufen werden, die sämtliche Kommunikationsvorgänge mit diesem Kontakt auflistet. Die Desktop-Suche von Google lässt sich optional in den Notes 8 Client integrieren, und auch das neue Hilfesystem hat verbesserte Suchmöglichkeiten erhalten. So wird nun über die gesamte Dokumentation hinweg gesucht, nicht nur in einzelnen Bänden.

Composite Applications

Unter dem Stichwort zusammengesetzte Anwendungen (Composite Applications) ermöglicht es IBM, bestehende Notes-Anwendungen miteinander und mit Java-basierenden Portalanwendungen zu verbinden, die ebenfalls im Notes 8 Client dargestellt werden können. Mit einem speziellen Werkzeug namens "Composite Application Builder" ist es auch Anwendern ohne Programmiererfahrung möglich, Bestandteile von Notes-Anwendungen zu komplexeren Anwendungen zu kombinieren. Dazu müssen lediglich Verbindungen ("Wiring") zwischen den Darstellungen der Komponenten im "Composite Application Builder" geknüpft werden.

In einer Composite Application kann zum Beispiel die Auswahl eines Dokuments in einer Ansicht die Anzeige eines zugehörigen Datensatzes in einer anderen Anwendung hervorrufen. Denn dazu notwendigen Datenaustausch erledigt eine "Property Broker" genannte Komponenten auf der Basis des Webservices-Standards.

Produktivitätsanwendungen

Sowohl mit dem Basic als mit dem Full Client lassen sich die Produktivitätsanwendungen (Productivity Applications") installieren, die von IBM jüngst unter dem Titel "Symphony" veröffentlichen Derivate der OpenOffice-Anwendungen. Anders als die noch im Beta-Stadium befindliche Symphony-Version sind die Produktivitätsanwendungen jedoch fester Bestandteil des Release 8.0 von Lotus Notes.

Die Anwendungen für Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Präsentationsgraphik basieren ebenfalls auf der Expeditor-Technik und bieten eine vollwertige Bürokommunikationsumgebung. Leider sind diese Anwendungen bislang nicht mit dem Notes 8 Client integriert, sodass mit den Werkzeugen erstellte Dateien von Hand an Notes-Dokumente angehängt werden müssen.

Domino Web Access

Der Internet Client von Notes Notes, "Domino Web Access? genannt, hat mit Notes 8 ein neues "Look & Feel" bekommen und ist nun in der Funktionalität weiter an den Full Client angepasst. So ist nun zum Beispiel auch die serverseitige Rechtschreibprüfung auf die neue deutsche Rechtschreibung eingerichtet.

Daneben sind auch eigenständige Funktionen implementiert, wie etwa ein RSS Feed für die eingehende E-Mail oder die bidirektionale Synchronisation von Kontaktdaten. Domino Web Access ist jetzt auch in den Security-Policy-Mechanismus von Lotus Notes integriert, was unter anderem für einen einheitlichen Passwortschutz herhalten kann.

Domino Designer

Der Domino Designer, das Entwicklungswerkzeug von Lotus Notes, ist auch mit Notes 8.0 nur auf der Windows-Plattform verfügbar. Gerüchteweise soll der Domino Designer auch auf den Expeditor portiert werden und wäre dann erstmals auch auf dem Mac und unter Linux lauffähig.

Neben den Erweiterungen des Domino Designers, die für die Integration in die Exeditor Welt notwendig sind, wie Web-Services-Consumer und -Provider-Script-Bibliotheken, sind auch einige Neuerungen speziell für Notes-Anwendungen umgesetzt. Beliebige Spalten einer Notes Datenbankansicht sind an die Fensterbreite anpassbar oder etwa die Ordnerzugehörigkeit eines Dokumentes per @-Formel zu ermitteln.

Domino Administrator

Der eigenständige Administrationsclient von Notes bleibt im Release 8 nur für die Windows Plattformen verfügbar. Da er im Domino Web Admin bereits eine plattformübergreifende Entsprechung hat, ist der Druck auf IBM offenbar nicht so groß wie beim Domino Designer, eine Expeditor-Version anzubieten.

Zu den Administrationsfunktionen, die mit der Version 8 neu hinzugekommen sind, zählen mail recall und delay notification, database forward linking, eine Verzeichnisüberprüfung sowie Erweiterungen des Policy-based-Managements, ein erweiterter Passwortschutz und Server-managed-Provisioning.

Notes 8 bietet die Möglichkeit, eine bereits abgeschickte -EMail wieder "zurückzuholen". Dies aber nur innerhalb der Lotus Notes Messaging Infrastruktur und nur insofern, als es der Empfänger für seine Mailbox zulässt: Umgekehrt versendet Notes 8 für Nachrichten, die nicht zugestellt werden können, einen Hinweis (Delay Notification) an den Absender, dass sich die Auslieferung verzögert.

Für Datenbanken, die auf einen anderen Server migriert wurden, kann in Notes 8 eine Weiterleitung (forward-link) eingerichtet werden. Dadurch ersparen sich die Anwender langwierige Suchen. Darüber hinaus ist die Konsistenz eines Verzeichnisses nun mit einer speziellen Funktion zu überprüfen, um Fehler frühzeitig erkennen und beheben zu können.

Der Policy-based-Management-Mechanismus von Lotus Notes ist in der Version 8 auf die Produktivitätsanwendungen und die Aktivitäten Funktion ausgeweitet. Über den Policy-Mechanismus wird nun auch die Einhaltung von Sicherheitsregel für die Stärke von Internet Passwörter gesteuert.

Einen ähnlichen logisch zentralen Mechanismus haben die Entwickler für die Bereitstellung der Bestandteile der zusammengesetzten Anwendungen geschaffen. Mit der Implementierung eines "Update Site" für die Eclipse Plug-ins wird eine serverbasierende Softwareverteilung (Server-managed Provisioning) an die Expeditor-basierenden Clients möglich.

Domino Server

Viele dieser Administrationsfunktionen wären ohne den Domino Server als Gegenstück zum Notes Client gar nicht denkbar. Auch wenn der Schwerpunkt der Neuerungen in Notes 8 eindeutig auf der Client Seite liegt, hat auch der Domino 8 Server einiges Interessantes zu bieten.

Domino 8 unterstützt nun Senderauthentifizierung für das SMTP-Protokoll sowie Authentifizierung gegenüber einem Relay Host für ausgehende E-Mail. Etwaige bei der Übertragung auftretenden Fehler können bereits auf der Protokollebene gezählt werden, so dass sich per Policy festlegen lässt, ab welcher Anzahl Fehler eine Verbindung etwa. aufgrund eines möglichen Einbruchsversuches abgeschaltet werden soll.

Endlich ist auch die DB2NFS-Option, die eine Speicherung von Domino Daten in relationalen DB2 Datenbanken erlaubt, offiziell und uneingeschränkt verfügbar. Allerdings lässt die Performance von DB2NFS noch zu wünschen übrig, ebenso wie die Plattformunterstützung. So wird etwa die stark DB2-lastige System i-Plattform nicht unterstützt, immerhin aber Linux.

Fazit

Mit Notes 8 gelingt IBM eine technische Meisterleistung, die in den Details jedoch hinter den selbst gesteckten Zielen zurückbleibt. Immerhin schafft es IBM, die Zweifel an der Zukunftsfähigkeit der Notes-Plattform mit der Integration der Workplace-Technik und der Abkündigung der Workplace-Produktfamilie auszuräumen.

Einen ausführlichen Test von Lotus Notes 8.0 lesen Sie in der Dezemberausgabe der LANline.

Jörg Schröper.

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