VoIP-Gateways in Migrationsszenarien

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18. November 2011, 6:00 Uhr | Frank Paetsch, Heiner Berndt und Falko Schreiter/pf, CTO und Heiner Berndt Entwicklungsleiter Access Gateways bei Teles. Falko Schreiter ist Leiter Technischer Support bei Komsa Systems.

Kaum ein Unternehmen implementiert heute noch eine Kommunikationslösung, die nicht zumindest für Voice over IP (VoIP) vorbereitet ist. Häufig entstehen regelrechte Puzzles aus vorhandenen ISDN- und Analog- sowie neuen VoIP-Komponenten. VoIP-Gateways bilden dabei die Übergänge zwischen den Techniken. Doch worauf müssen IT-Verantwortliche bei der Auswahl einer technisch optimalen Lösung achten? Der Beitrag beschreibt die praktischen Anforderungen in Unternehmen und die technischen Voraussetzungen für den Einsatz von VoIP-Gateways.Eines der gängigen Einsatzszenarien von VoIP-Gateways stellt die ISDN-TK-Anlage am VoIP-Amtsanschluss dar. Typisch: Ein Unternehmen migriert von einem ISDN- auf einen VoIP-Amtsanschluss. Die benötigten Breitbandanschlüsse stehen inzwischen meist zur Verfügung, und die Netzbetreiber bieten in fast allen Regionen attraktive Angebote für VoIP-Trunks. Dennoch will das Unternehmen seine bestehende ISDN-TK-Anlage weiterhin nutzen. Die Anlage ist zum Beispiel noch nicht abgeschrieben und erfüllt nach wie vor die Anforderungen des Unternehmens. In dieser Situation kommt das VoIP-Gateway ins Spiel: Es bietet einerseits ISDN-S2M- oder S0-Schnittstellen für die ISDN-TK-Anlage und andererseits VoIP-Schnittstellen für den VoIP-Amtsanschluss. Das Gateway wird zum Mittler zwischen dem netzseitigen SIP-Protokoll und der ISDN-Welt auf der Seite des Unternehmens. Dabei ermöglicht es eine sanfte Migration.

Ähnlich, nur unter umgekehrten Vorzeichen gelagert, stellt sich das Szenario dar, wenn das Unternehmen seine ISDN-TK-Anlage durch eine VoIP-TK-Anlage ersetzt, jedoch weiterhin einen ISDN-Amtsanschluss nutzen will. Das Unternehmen setzt dann lokal auf die zukunftsfähige VoIP-Technik. Gleichzeitig kann oder will es noch keinen VoIP-Amtsanschluss nutzen, da die nötige Bandbreite oder das Vertrauen in die Qualität des VoIP-Trunks fehlen.

Selbst wenn ein Unternehmen sowohl die TK-Anlage als auch den Amtsanschluss auf VoIP umstellt, sind häufig dennoch VoIP-Gateways nötig. Aus wirtschaftlichen Gründen kann es sinnvoll sein, zum Beispiel einen ISDN-Fax-Server, ISDN-Endgeräte oder manche kleine ISDN-Nebenstellenanlagen in der einen oder anderen Filiale des Unternehmens weiterhin zu nutzen. So konnten beispielsweise die Support-Verantwortlichen des Distributors Komsa Systems feststellen, dass viele Unternehmenskunden bei der VoIP-Umstellung an solchen ISDN-Komponenten festhalten. In diesen Fällen integrieren VoIP-Gateways das vorhandene ISDN-Equipment in die neue VoIP-Infrastruktur, und es entsteht eine homogene Infrastruktur.

Des Weiteren lassen sich mit VoIP-Gateways beispielsweise VoIP-Telefone in den Home Offices der Mitarbeiter als vollwertige Nebenstellen in eine vorhandene ISDN-Anlage integrieren. Ebenso ist es möglich, komplette Unternehmensstandorte - unabhängig davon, ob diese ISDN- oder VoIP-Technik nutzen - per VoIP-Gateway in einer einheitlichen Infrastruktur zusammenzufassen.

Gateway gibt den Takt vor

Die Herausforderungen bei allen Szenarien stecken im Detail. Damit die Integration von ISDN und VoIP reibungslos funktioniert, muss der IT-Verantwortliche bei der Auswahl des Gateways einige Aspekte beachten. Einen wichtigen Punkt, der meist erst auf den zweiten Blick auffällt, stellt die ISDN-Taktvorgabe des Gateways dar. Diese ist relevant für die Funktionsfähigkeit der gesamten ISDN-Anlage und insbesondere des Fax- und DECT-Equipments in Verbindung mit VoIP. Bei ISDN gibt es ein ISDN-Übertragungs- sowie ein ISDN-Synchronisationssignal. Diese Signale laufen seriell. Erst mithilfe der Taktung entstehen aus den aufeinander folgenden Bits lesbare Signale. Ist die Taktung zu ungenau, wird der eine oder andere Signalabschnitt verworfen. Für die Sprachübertragung erweist sich dies meist als unerheblich - anders beim Faxen: Enthält das Fax zu viele Fehler, kann die Übertragung abbrechen. Ähnlich benötigt ein DECT-System den ISDN-Takt zur Synchronisation.

Ein VoIP-Amtsanschluss liefert keinen Takt wie ISDN, deshalb ist es wichtig, dass das VoIP-Gateway selbst einen Takt generiert, um weiterhin genutztes ISDN-Equipment zu synchronisieren. Das Gateway erzeugt den Takt mithilfe eines Schwingkreises aus einem Quarz und Kondensatoren. Die meisten VoIP-Gateways generieren Takte mit einer Genauigkeit von 50 ppm (parts per million). Je geringer der ppm-Wert, desto genauer die Frequenz. Konkret: Bei 50 ppm darf das System innerhalb von einer Millionen Taktzyklen maximal 50 Takte verpassen. ISDN ist zehn Mal genauer und liefert einen Takt mit einer Genauigkeit von 5 ppm. In der Regel entstehen bei 50 ppm noch keine Qualitätsprobleme.

Als kritisch erweisen sich jedoch Bauteil- und Temperaturschwankungen sowie Temperaturextreme. Insbesondere die Temperatur hat einen signifikanten Einfluss auf das Schwingungsverhalten der Quarze. In unzureichend klimatisierten Räumen kann es bei den gängigen 50-ppm-Gateways zu Abweichungen von mehreren 100 ppm kommen. Solche Bedingungen können Faxübertragungen und DECT-Verbindungen beeinträchtigen. Der Hersteller Teles beispielsweise geht deshalb so weit, alle VoIP-Gateways vom Typ Voipbox PRI mit S2M-Schnittstellen ausschließlich mit einer Genauigkeit von 5 ppm auszuliefern. Das entsprechende BRI-Modell mit S0-Schnittstellen ist mit wahlweise 5 oder 50 ppm verfügbar. Die hochgenauen 5-ppm-Lösungen funktionieren nach Erfahrung des Herstellers unter allen erdenklichen Bedingungen zuverlässig.

ISDN-Leistungsmerkmale

Einen zweiten entscheidenden Punkt für die nahtlose Integration von VoIP und ISDN stellt die lückenlose Abbildung von ISDN-Leistungsmerkmalen per VoIP dar. Die Anwender sind seit Jahren an den Komfort der ISDN-Telefonie gewohnt. Geht dieser verloren, steht es schlecht um die Akzeptanz eines VoIP-Projekts, trotz innovativer Technik und Kostenvorteilen der VoIP-Migration. Die Leistungsmerkmale in SIP sind in so genannten RFCs (Request for Comments) definiert. Viele Leistungsmerkmale sind aber in den RFCs nicht eindeutig bestimmt, was die Unterstützung von ISDN-Leistungsmerkmalen in Verbindung mit VoIP erschwert.

Ein Beispiel stellt das ISDN-Leistungsmerkmal Advice of Charge (AOC) dar. AOC übermittelt Gebühreninformationen von der Netzseite zum Anwender. Das SIP-Protokoll unterstützt AOC nur unzureichend. Deshalb sollte ein VoIP-Gateway in der Lage sein, uneinheitlich formatierte Gebühreninformationen aus der VoIP-Welt in ein für ISDN-Equipement auf Anwenderseite lesbares Format umzusetzen oder selbst die Gebühreninformationen zu generieren. Wichtig ist dabei, dass der Softswitch des VoIP-Betreibers überhaupt Gebühreninformationen liefert. Nicht alle Softswitches unterstützen AOC. Idealerweise stammen die VoIP-Gateways in den Unternehmen und die Switches des VoIP-Anbieters vom selben Hersteller. Deshalb bietet beispielsweise Teles neben seinen VoIP-Gateways auch den C5 Application Server an, der als Softswitch auf der Netzseite zum Einsatz kommt.

Ein dritter wichtiger Punkt bei der Auswahl eines VoIP-Gateways sind Sicherheitsfragen: Sicherheit vor Abhören und Sicherheit vor Kommunikationsausfall. Ein professionelles VoIP-Gateway sollte den gesamten Sprachweg per SRTP/TLS (Secure Real-time Transport Protocol/Transport Layer Security) verschlüsseln und eine gesicherte Integration in die vorhandenen Infrastruktur durch VPN ermöglichen. Dabei werden zwischen beiden Endpunkten der Kommunikation individuelle Schlüssel ausgetauscht. Heute ist kaum noch ein IT-Verantwortlicher bereit, auf Verschlüsselung zu verzichten, vor allem wenn der Kommunikationsweg über das öffentliche Internet führt.

Dem Ausfallrisiko begegnen professionelle VoIP-Gateways mit Fallback-Lösungen. Fällt der SIP-Trunk aus, schaltet das Gateway zum Beispiel automatisch auf für den Notfall vorgehaltene ISDN- oder GSM-Kanäle um. Je nach Modell verfügen beispielsweise die VoIP-Gateways von Teles über mehrere zusätzliche ISDN?, GSM- oder UMTS-Schnittstellen. Die Kosten für einige ISDN-Kanäle oder direkt in das Gateway eingesetzte SIM-Karten sind mit wenigen Euro je Kanal vernachlässigbar. Der Sicherheitsgewinn dagegen ist erheblich. Bei Einsatz in einer IP-Centrex-Umgebung geht beim Ausfall des SIP-Trunks zudem der Registrar für die VoIP-Endgeräte verloren. In diesem Fall sollten sich die Endgeräte auf einen Registrar des VoIP-Gateways umschalten können. Die Fallback-Mechanismen dürfen nicht erst beim Totalausfall der VoIP-Verbindung greifen. Intelligent konfigurierbare Gateways schalten bereits bei einem bestimmten Qualitätsverlust, zum Beispiel durch Paketverluste, Jitter oder Laufzeitverzögerungen, auf Fallback per ISDN oder GSM um.

Stellt ein Unternehmen auf einen SIP-Amtsanschluss um und will dabei seine bestehende ISDN-TK-Anlage weiterhin nutzen, so ist ein VoIP-Gateway erforderlich.

LANline.

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